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# taz.de -- Szene streitet über Anschlag auf S-Bahn: Von "legitim" bis "dumm"
> Nach einem folgenreichen Brandanschlag auf einen Berliner
> S-Bahn-Knotenpunkt diskutiert die autonome Szene über die Folgen. Die
> Parteien sprechen von einer "Kampfansage".
Bild: Wer hat hier die Räder stillgelegt? Traf die Aktion "das System"? Und wa…
BERLIN taz | "Glückwunsch", kommentiert ein Schreiber auf einem linken
Internetportal. "Minimaler Aufwand, maximale Aufmerksamkeit." Ein anderer
kritisiert: "Die Einzigen, denen damit geschadet wird, sind die Bürger der
Stadt." Ein dritter schließlich: "Äußerst kontraproduktiv […]. Sollten wir
nicht lieber Menschen überzeugen anstatt Vorwände für Repression zu geben?"
Nach einem Brandanschlag auf die Berliner S-Bahn diskutiert die linke Szene
über die Folgen der Tat.
Nachdem am frühen Montagmorgen Unbekannte am S-Bahnhof Ostkreuz eine
Kabelbrücke in Brand gesetzt hatten, war auch am Dienstag der Bahnverkehr
weiter stark eingeschränkt. S-Bahnen fielen aus oder fuhren im
Pendelverkehr, Fahrgäste drängten sich in Ersatzbussen. Am Montag hatte der
Anschlag vor allem im Osten der Stadt für Chaos gesorgt.
In einem [1][Bekennerschreiben] heißt es: "Nach all den Katastrophen haben
wir die Schnauze voll. Über den sofortigen Ausstieg aus der Atomtechnologie
gibt es nichts mehr zu verhandeln." Die Bahn sei Transporteur von
"Atomtechnik und Atommüll". Kritisiert werden auch deutsche Waffenexporte
und der Umgang mit Flüchtlingen. Die Polizei hält das Schreiben für
authentisch.
## "Die Anti-Atom-Bewegung hat damit nichts zu tun"
"Die Anti-Atom-Bewegung kommt aus der Mitte der Gesellschaft, mit dem
Anschlag hat sie nichts zu tun", kritisiert Thorben Becker, Sprecher des
BUND. Die Bewegung setze klar auf friedlichen Protest, daher schwäche der
Anschlag ihre "Rolle und Überzeugungskraft" nicht. Für Samstag planen
Anti-Atom-Initiativen bundesweit Demonstrationen.
Als "schwer vermittelbar" kritisiert ein Aktivist von Castor Schottern den
Anschlag. "Hier wurde nicht die Struktur des politischen Gegners getroffen,
sondern die Masse der normalen Bevölkerung." Luca Köppen, Vertreter des
autonomen Anti-Atom-Plenums Berlin, widerspricht: "Bei den Verbrechen, die
die Atomindustrie begeht, sind auch drastischere Mittel legitim." Köppen
verweist auf Strahlenopfer im Umfeld von Atomanlagen oder beim Uranabbau.
"Oft war es radikaler Protest, der etwas verändert hat, etwa den Bau von
Atomkraftanlagen verhinderte."
Die Berliner Parteien verurteilen den Anschlag kollektiv. "Feige und dumm"
sei dieser, so die mitregierende Linkspartei. Die politische Motivation sei
"vorgeschoben" und "absurd". Die CDU wertet die Attacke als "Kampfansage
der militanten Linken an ganz Berlin". Dieser "Intoleranz und Gewalt" müsse
"endlich Einhalt geboten werden".
## "Kein ruhiges Hinterland für Profiteure der Atommafia"
Schon im November 2010 hatten sich Autonome zu einem Anschlag auf eine
Kabeltrasse der S-Bahn im Bezirk Neukölln bekannt. Damals hieß es, den
"Profiteuren der Atommafia kein ruhiges Hinterland" zu lassen. Man werde
"weiter ins Mark der Unternehmen eindringen". In den letzten Wochen
brannten in Berlin auch Firmenfahrzeuge der Bahn, ebenso von Vattenfall und
Siemens. In Bekennerschreiben wurden die Unternehmen als "Kriegslogistiker
und Atomprofiteure" bezeichnet.
Die Polizei zählt gut 1.000 gewaltbereite Autonome in Berlin. Diese zeigten
sich zuletzt wieder offensiver. Nach der Räumung eines linken Hausprojekts
im Februar zogen sie in einem Randalestreifzug durch die Stadt. Im April
bekannten sich "autonome gruppen" zu einem Brandanschlag auf eine
Polizeiwache in Friedrichshain. Für Freitag ist bereits neuer Protest
angekündigt. Anlässlich des im französischen Deauville tagenden G-8-Gipfels
soll diesmal nicht in der "Sicherheitszone", sondern "international und
dezentral" in europäischen Großstädten demonstriert werden. Konzept für
Berlin sind laut Aufruf "dezentrale Aktionen": "Organisiert euch in
Bezugsgruppen und greift ein/an!" In Hamburg sind für Donnerstag "kreative
Aktionen gegen Kapital und G 8" angekündigt.
24 May 2011
## LINKS
[1] http://linksunten.indymedia.org/de/node/40279
## AUTOREN
Konrad Litschko
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