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# taz.de -- Missouri-Hochwasser bei Fort Calhoun: Ein Akw als Wasserburg
> Seit einigen Tagen ist das Akw Fort Calhoun von Wasser umspült. Anfang
> Juni war im Kraftwerk ein Feuer ausgebrochen – 90 Minuten lang fiel die
> Kühlung aus.
Bild: Land unter in Fort Calhoun.
WASHINGTON taz | Das Atomkraftwerk Calhoun sei "sicher", sagt der Sprecher
der US-Nuklear-Aufsichtsbehörde NRC, Victor Dricks: "Alle nötigen
Vorsichtsmaßnahmen für die Flut sind getroffen."
Doch die gegenwärtige Lage des uralten Druckwasserreaktors am Ufer des
Missouri im Bundesstaat Nebraska lässt an dieser Auskunft zweifeln. Die
Anlage sieht aus wie eine Wasserburg. Seit der Fluss Anfang Juni über seine
Ufer trat, ist das Kraftwerk, das normalerweise im Trockenen steht, rundum
von Wasser umgeben.
Auch das weiter südlich am Missouri-Ufer gelegene Atomkraftwerk Cooper ist
hochwassergefährdet. Auf Weisung des Betreibers haben die MitarbeiterInnen
dort Sandsäcke aufgehäuft, um eine Überschwemmung des Reaktors zu
verhindern. Beunruhigend klingen auch die "vorübergehenden
Überflugverbote", welche die US-Luftfahrtbehörde FAA am 6. und 7. Juni in
einem zwei Meilen-Radius rund um die beiden Kraftwerke verhängt hat.
## Feuer im Schaltraum
Während die großen US-Medien die kritische Lage in den beiden
Atomkraftwerken im Mittleren Westen mit keinem Wort erwähnen, hat die
Nuclear Regulatory Commission (NRC) seit Anfang Juni eine Serie von Pannen
im Inneren der Anlagen erfasst. Am 7. Juni, als der Wasserpegel des
Missouri bereits bedrohlich gestiegen war, brach in einem Schaltraum des
Atomkraftwerks Calhoun ein Feuer aus. Während des Brandes wurde die Kühlung
des Abklingbeckens für gebrauchte Brennstäbe 90 Minuten lang unterbrochen.
Während dieser Zeit versagten laut dem Bericht der NRC zwei Pumpen.
Zwei Tage danach meldete das Atomkraftwerk Cooper, dass es wegen der
Überflutung des Missouri keinen Schlamm mehr in den Fluss leiten könne. Das
Schlammbecken auf dem AKW-Gelände sei nunmehr gefüllt. Cooper läuft trotz
des Hochwassers weiter mit voller Kapazität. Zu seiner Abdichtung gegen das
Flusswasser haben Beschäftigte einen Deich aus Sandsäcken gebaut, 5.000
Tonnen Sand wurden angeliefert.
## Loch im Boden
Am 16. Juni meldete die NRC ein neues ungewöhnliches Ereignis aus dem
Kraftwerk Calhoun. Dieses Mal war von einem Loch im Boden die Rede. Es
seien "Anstrengungen im Gange, die Penetration zu dichten", notierte der
zuständige Inspektor des NRC.
Im vergangenen Jahr hatte die NRC bei einer Inspektion festgestellt, dass
das Atomkraftwerk Calhoun nicht ausreichend gegen Hochwasser gesichert war.
Jene Mängel sollen inzwischen behoben worden sein.
Das Wasserniveau des Missouri ist gegenwärtig etwa 50 Zentimeter höher als
der Boden des AKW Calhoun. Eine 2,40 Meter hohe Außenhaut aus Gummi soll
die Anlage vor Überschwemmungen schützen. Wie das Grundwasser vor möglicher
Kontaminierung geschützt wird, ist unklar.
## Calhoun wegen Wartungsarbeiten abgeschaltet
Wegen Wartungsarbeiten ist Calhoun seit April abgeschaltet. Doch im
Kühlbecken des Kraftwerks liegen Brennstäbe – und zwar deutlich mehr, als
je für das Becken vorgesehen waren. Da die USA nie ein Endlager für stark
strahlenden Atommüll gebaut haben, muss jedes Atomkraftwerk seine benutzten
Brennstäbe selbst lagern. Die Gefahr, dass das Kühlbecken von dem
Hochwasser überflutet wird, besteht angeblich nicht. Die Betreiber
begründen ihren Optimismus damit, dass der Rand des Beckens auch jetzt noch
etwa 10 Meter über dem gegenwärtigen Wasserstand des Missouri liegt.
Der 1973 eröffnete Reaktor in Calhoun ist einer der ältesten der 104
Reaktoren in den USA. Mit seinen 500 MW ist er zugleich der kleinste.
Ursprünglich war er für eine Laufzeit von 40 Jahren ausgelegt. Inzwischen
ist die Laufzeit bis ins Jahr 2033 verlängert worden.
## Laufzeitverlängerung auf 60 Jahre
Auch das 1974 in Betrieb gegangene Atomkraftwerk Cooper hat eine
Verlängerung auf 60 Jahre bekommen. Seit der Katastrophe im Atomkraftwerk
Three Mile Island in Pennsylvania im Jahr 1979 sind in den USA keine neuen
Atomkraftwerke mehr gebaut worden und alle Pläne auf Eis gelegt worden.
Doch Präsident Barack Obama will den Weg für den Bau neuer AKWs öffnen.
Nur 20 Autominuten südlich von Calhoun liegt die größte Stadt von Nebraska.
Die 400.000 EinwohnerInnen von Omaha müssen seit Beginn des Hochwassers
immer neue Hiobsbotschaften verdauen. Zunächst waren sie mit den
überfluteten gigantischen Maisfeldern zu beiden Seiten des Missouri
konfrontiert. Und den daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen. Unter
anderem werden die Ernteausfälle die Preise von Nahrungsmitteln und
Treibstoff in die Höhe treiben.
Jetzt kommt die Ungewissheit über die AKWs hinzu. Und das beunruhigende
Gefühl, dass niemand weiss, wie lange die Deiche gegen die Flut halten
werden. Die MeteorologInnen schätzen, dass das Hochwasser des „Big Muddy“,
wie der Missouri genannt wird, noch mehrere Monate dauern könnte.
22 Jun 2011
## AUTOREN
Dorothea Hahn
## TAGS
Schwerpunkt Atomkraft
Schwerpunkt Atomkraft
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