| # taz.de -- WM-Blog Marx im Fußball: Sex fehlt ganz | |
| > Reinfried Musch ist taz-Controller und überzeugter Marxist. Für taz.de | |
| > bloggt er über die WM. Und Frauen. | |
| Bild: Bekommen wenig Trost aus der Heimat: Nigerias Nationalteam am Donnerstag | |
| ## 20. Juli: Tabus | |
| Besetzung | |
| Wenn die Männer an der langen Schlange vor der Frauentoilette | |
| vorbeischlenderten und dann wieder zurück, haben wir sie mal besetzt, | |
| erzählt überraschend die freie Christin. Das war, wie wenn Mädchen sich | |
| unter die Jungs mischen beim Fußball. Zwanzig, fünfundzwanzig Jahre her? | |
| Die Fingernägel einer Japanerin beim Finale: Frauen, die Fußball spielen, | |
| geraten nicht in den Verdacht, Tussies zu sein: chick und typenabhängig. | |
| Doch irgendwie emanzipativ, denke ich, aufbauend, abgrenzend von der | |
| Beilage, Tabus brechen. | |
| Aufbruch | |
| Eine weitere Männerdomäne geht verloren, wie Autopflegen und Motorbiken nun | |
| kollektives Fußballfernsehen mit Bier und Schenkelklopfen und schreien. Bei | |
| der letzten Männer-WM, einfach Fußball-WM, wird man nicht mehr so einfach | |
| sagen können, stöhnte eine Reihe hinter mir vor der großen Leinwand im | |
| oberen Teil der Invalidenstraße eine junge Frau. Der zugehörige Mann hielt | |
| ihren Eisbecher für diesen Moment höchster Erregung und sah interessiert | |
| auf den Clinch vor dem Tor. Beide haben ich noch nicht so schreien hören. | |
| Der Schreiplatz ist ja auch besetzt und eine Doppelspitze ist selbst in der | |
| Politik kein Synchronspringen. | |
| Die Gärtnerin | |
| Die schöne Frau Neid wird es wissen. Sie hat voller Hingabe das prächtige, | |
| hochgeschossene, voll blühende heimische Gemüsebeet gepflegt und dabei die | |
| Nachbargärten aus dem Auge verloren. Als ihre Lieblinge im Frankreichspiel | |
| dann den Tritt fanden, wie das auch bei Papa Löw so läuft, ließ sie sie | |
| nicht zusammen weiterspielen. Never change a winning team gilt weltweit, | |
| weil Euphorie und rauschender Erfolg selten sind. Wohin mag sie da geblickt | |
| haben, wo Ihr Beet der einzig wichtige Ort der Welt war. War sie da zu viel | |
| mitfühlende Frau und – Mutter – als Spielerin? Der Vertrag läuft ja | |
| Zwanziger sei Dank bis 2016 – vielleicht wird sie es mitteilen. | |
| Das Milieu | |
| Eine große emanzipatorische Debatte wie in Deutschland gab es weder in | |
| Japan noch den andern Gewinnerländern, schreibt AG in der ZEIT. Da wird | |
| dann mehr übertragen und Gedanken an die Nation, den jeweiligen Traum von | |
| Selbstverständnis und morgige Hoffnungen springen auf. In Deutschland passt | |
| die WM in den laufenden protestantisch- grünen Aufbruch. Wir machen das | |
| schon, könnte das heißen, es wird gut werden, weil es gut begann und was | |
| gut ist, muss nicht zuerst besser werden, wenn es mal schlechter kommt, | |
| sondern gut bleiben. | |
| Tabus | |
| Der o.g. Herr Fritsch jedenfalls will zwei Tabus vom Tisch haben, um dem | |
| Frauenfußball zu einer unterschiedlichen Identität zu verhelfen: Eine | |
| Abgrenzung von Männerfußball und leichtere Bälle, kleinere Tore, kürzere | |
| Spielzeit. Das wär ein Stück auf dem Weg, überholen zu können ohne einholen | |
| zu müssen. Vielleicht haben noch mehr aufmerksame Männer und strategisch | |
| denkende Frauen im Umfeld des Fußballs mehr solche auf Alleinstellung | |
| zielende Ideen? Ein Thema für mein TAZUM vielleicht? Da hätten wir´s doch | |
| plötzlich wirklich mit Emanzipation zu tun und nicht mit dem Wettlauf | |
| zwischen Hase und Igel! Der Igel hatte seine Frau dabei. | |
| ## 20. Juli: Endspiel | |
| Die Chefin von Terminal C, den Easyjet belegt, ist jung, blond, schlank und | |
| etwas müde. Sie schüttelt den Kopf. London bietet Ihnen nur einen neuen | |
| Flug, kein Hotel. Ich war nicht dabei, aber die Kollegen sagen, die | |
| Fahrräder sind nicht richtig vorbereitet. Das tut uns leid. Wir schenken | |
| Ihnen ja den Flug. – Das Werkzeug, mit dem Lenker und Sattel hätten | |
| verkürzt werden können, musste zuvor ins Frachtgepäck. Einen Imbusschlüssel | |
| beim Zoll zu deponieren, scheint die blanke Überforderung zu sein. | |
| Über dem Landwehrkanal ist keine Seite überfordert. Die Amerikanerinnen | |
| überwinden mit langen, präzisen Pässen das Spielfeld, als bestünde es nur | |
| aus dem japanischen Strafraum. Die Japanerinnen zirkulieren mit großem | |
| Gleichmut den Ball ohne jeden Anspruch auf Raumgewinn. Ihr Trainer hat | |
| seine Meditationsmaske aufgesetzt: Es ist alles getan. Wir fahren nach | |
| Plan. Alles wird wie es wird. Es wird turbulent. Konzept gegen Konzept, | |
| Welle auf Welle mit 20 cm Höhenunterschied. Tore und Gegentore unterbrechen | |
| die Brandung nicht. Das amerikanische Wir werden Weltmeisterin blinkt wie | |
| ein Leuchtturm vor Osaka – wir halten stand IST Osaka. Ein Essen mit | |
| Meeresfrüchten im Hauptgang. Dann die Nachspeise der Verlängerung. Die US- | |
| Trainerin hat jetzt große schwedische Augen, in denen sich Verwunderung, | |
| Sorge und Aufmerksamkeit spiegeln. Wieder die Führung. Nebenan ein helles | |
| Aufstöhnen. Wieder der Ausgleich. Jubel. Ich bin für die Japanerinnen, sagt | |
| die Gastgeberin. Sie haben es nötiger. Sie sind schlechter dran im Land. | |
| Leichte Irritation auf der Gegenseite. Wie kann das sein nach dem | |
| Sturmlauf? Elfmeterschießen. Das große Männertor. Vielleicht sollte man die | |
| Regel ändert, schreibt später ein ZEIT- Kommentator. Anlauf. Schuss. | |
| Verschossen. Verschossen. Aus. Aus. Welch Drama. Welche Spannung. Welche | |
| Sensation. Japan trifft und trifft und trifft. Diese stillen | |
| Mädchengesichter. Ein Schniefen, ein Wimpernschlag ohne Wimpern. Einschlag. | |
| Oliver Fritsch hat es ja noch nicht gesehen, dieses Spiel endgültiger | |
| Klärung. Aber er gesteht den Japanerinnen die Ausnahmerolle zu: technisch | |
| beschlagen, alle machen alles, Physis tritt in die zweite Reihe. Und auch | |
| Frau Kemper hat da recht in der ZEIT vom französischen Nationalfeiertag. Da | |
| ist das unerwartete Drama, das in den Köpfen der Zuschauer hängen bleiben | |
| wird, der Mythos der fallenden Heldinnen, David siegt gegen Goliath, der | |
| lächelt ungläubig, dreht sich halb im Kreis, breitet die Arme aus ratlos | |
| und schlägt lang hin. David lächelt unbestimmt, verneigt sich vor sich | |
| selbst, lässt die unheimliche Anspannung in Schüben von kleinen spitzen | |
| Freudenschreien heraus. Da stehen die deutschen Hostessen in Caramelbraun | |
| mit dem Lächeln WIE ENGEL vom Laufsteg, halten die Kissen mit dem Gold und | |
| ein gewaltiges Halleluja aus Faschingskanonen lässt es perfekt regnen. Das | |
| können wir. | |
| Die Kamera zeigt den Jubel der deutschen Equipe im Zuschauerstatus. | |
| Entlastung vor der Frage. Warum nicht WIR. Wir waren gute Gastgeber, sagt | |
| der Wulffsche Oberhirte sanft. Bessere sind nicht zu machen. Wir sind in | |
| den Stadien geblieben trotz des frühen Ausscheidens, sagt Mutter Merkel mit | |
| Eifer. Trotzalledem. Konnten wir nicht verschießen, weil wir verschlafen | |
| haben, was in der Frauenfußballwelt geschah? | |
| Die U- Bahn fährt nur bis zum Sonntag durch, lächelt der Junge mit dem | |
| Leimeimer an der Litfaßsäule. Berlin ist um diese Zeit still vom Kottbusser | |
| Tor bis zum Alex. Es war eine schöne Zeit. | |
| ## 20. Juli: Nun ist es passiert | |
| Brasilia ist ein Luxuszeltplatz mit Wache, hellblauem Einlassbändchen, | |
| einer mörderischen Disko für ein paar Teenies und einer | |
| Geschäftspräsentation der Anlieger aus Canet. Nach dem Metal- Konzert in | |
| Llanca und den Albatrosangriffen in Escala wummern die Bässe, statt einer | |
| komfortablen Erholung. Das nicht erwartete kommt prompt. Dabei war das | |
| durchaus zu erwarten. Es gehört zum gehobenen Standardangebot, sagen die | |
| Schließer, geht bis um eins und wird jede Nacht natürlich für die jungen | |
| Leute angeboten. Mensch kann also nur am Strand abwandern. Deutschland | |
| verliert gegen Japan mit 0:1 und ist raus, schreibt die l´equipe auf Seite | |
| acht. Die Einser titelt: und meint die Französinnen, die England mit 4:3 | |
| ausschalten. In Frankreich ist bisher von der WM absolut nichts zu | |
| bemerken. Fragen Sie an der Rezeption, ob hier ein Spiel übertragen wird, | |
| sagt die Zeitungsfrau. Wenn die Landsleute insFinale kommen – wird es dann | |
| hier anders? Ist das ebenso zu erwarten, wie jene Niederlage? | |
| Die Männer haben bei der letzten WM mindestens zwei grandiose Spiele | |
| gemacht – gegen Argentinien und gegen England. Ich war ebenso begeistert | |
| wie bei den Frauen gegen Frankreich. Einmal, zweimal erleben, dass es geht | |
| und wie gut es geht und dass es kaum besser gehen kann – was mehr. Ja, | |
| Frauen können alles, hat die Künast recht und nicht erst, wenn sie | |
| Weltmeister werden. Wer kann das verlangen, außer denen, die Deutschland – | |
| und damit sich – wenigstens als Fußballmacht feiern wollen. Das ist immer | |
| noch ein ziviles Anliegen, wenn auch nicht sonderlich souverän. Die | |
| Fußballfrauen haben ihr erfüllt, wenn es denn so etwas überhaupt geben | |
| sollte: gut, ja sehr gut spielen, in Bestform kommen. | |
| Die wird zeigen, ob die Trainerin das auch so sehen kann. Ich sehe sie vom | |
| Typ her wie Löw: sensibel, ruhig, schnell wieder runter, aber auch ganz | |
| schön rauf. Nicht immer ganz selbstsicher, aber sicher im Vertrauen auf die | |
| ## 12. Juli: Werbung, Sex und Brechstange | |
| Am Volksstrand von Barcelona schäumen die Wellen und glänzen die Bauten. | |
| Der fliegt auf, wenn man unter ihm steht und sendet sphärische Musik. | |
| Werbung ist in der Stadt sehr sparsam vertreten und Sex fehlt ganz. Am | |
| Platz der Katalanen sieht eine riesige Frau von der Fassade wie Parfüm aus. | |
| Sonst nichts. | |
| Die freie Christin bringt es auf den Punkt: weshalb ich mich nicht verletzt | |
| gefühlt habe durch die Safersex Werbung mit der Banane. Sie fühle sich | |
| betroffen und missachtet, wenn Frauen als Beilage für Männer dargestellt | |
| werden und solidarisiere sich mit ihnen. Das habe zwar abgenommen und mehr | |
| Frauen seien wenig, sondern sehr selbständig, aber es gelte doch wohl immer | |
| noch für größere Mehrheiten. Männer brauchen das anscheinend immer noch | |
| zuhauf, um durch Erniedrigung ihr Ego zu erheben – verstehe ich da noch. | |
| Also die Werbung, setze ich dagegen. Ich habe bisher nirgendwo einigermaßen | |
| sichere Studien zum Geschäftserfolg durch Werbung gesehen, Die Werbeflut | |
| ist so groß, dass die Aufnahmefähigkeit der Kunden längst überschritten | |
| ist. Es wird entsorgt, die Aufkleber stellt jetzt schon der Vermieter zur | |
| Verfügung und das angezielte Unterbewusstsein müsste sich auch schon mit | |
| anderen Gegenständen befassen. Außerdem wirken so viele Faktoren in der | |
| Kaufentscheidung, dass jeder seinen für sich reklamieren kann. Werbung | |
| finanziert dagegen das halbe Internet und dreiviertel aller medialen | |
| Kommunikation. Das ist nicht Nichts. Die Spielerinnen hätten sich wohl | |
| offenkundig aussuchen können, ob und wie sie sich zeigen. Ob die Christin | |
| denn eine Betroffene kennt und erlebt habe. | |
| Die Banane war schon zur Wende nicht mein Symbol für die Überwindung der | |
| Mangelwirtschaft. Dafür stand eher der Kopierer. Und als Sexzeichen | |
| assoziiere ich sie bis dahin eher eine weibliche Verwendung, als | |
| Sexspielzeug. Das hat sich jetzt erweitert und. Offensichtlich bin ich da | |
| auch nicht so abstrakt veranlagt, wende ich ein. Diese Werbung scheint mir | |
| praktisch zu treffen: Schützen, was erhoben bleiben soll. Das ist vor der | |
| praktischen Ausführung auch eher ein freundlicher Gedanke und eine lustige | |
| Geste, einen Froms darüber zu ziehen. Entwertet wird dadurch also gerade | |
| nicht und lächerlich ist die Krümmung auch nicht – sie zeigt die von allen | |
| gewünschte Tendenz zur Erhebung. Ist das Beleg für mehr männliches | |
| Selbstbewusstsein oder bin ich nicht in der richtigen Szene zum Thema. Aber | |
| Linkin Park z.B. bringt das Thema andersherum auf den Punkt: I will be not | |
| ignored. Und das liegt noch weit vor so etwas wie zärtlicher Zuwendung. | |
| Wenn Frauen wie die Bajramaj sich erotisch – selbstbewusst zeigen und | |
| Oberschenkel und Brustansatz ist das eher selbstreflexiv als ein Beitrag | |
| zur Geschlechterkultur. | |
| Aber es geht um Frauen und Fußball und die Bloggerin Kathrina, die meinen | |
| Blog als Brechstange der Zeitung gegen die Verbindung von Linken und | |
| Feminismus vermutet. Mir ist alles, was mit – muss endet, seit langem | |
| verleidet. Wenn muss -muss, dann wird sehr schnell das Emanzipative | |
| verzehrt. Dass der Weg zur Emanzipation so verläuft, ändert da nichts. und | |
| passen von daher durchaus. Aber beide haben erreicht, was man als Block | |
| erreichen kann. Das merken Männer und Frauen eher als Blöcke und Parteien. | |
| Ich sehe mich blockfrei und werte das als Zuwachs an Emanzipation. Und ich | |
| verlasse ich eher auf Konkreta als auf eine brisante Geschlechterspannung. | |
| Frauen spielen Fußball für mich- nicht umgekehrt. | |
| ## 10. Juli: Nun ist es passiert | |
| Brasilia ist ein Luxuszeltplatz mit Wache, hellblauem Einlassbändchen, | |
| einer mörderischen Disko für ein paar Teenies und einer | |
| Geschäftspräsentation der Anlieger aus Canet. Nach dem Metal- Konzert in | |
| Llanca und den Albatrosangriffen in Escala wummern die Bässe, statt einer | |
| komfortablen Erholung. Das nicht erwartete kommt prompt. | |
| Dabei war das durchaus zu erwarten. Es gehört zum gehobenen | |
| Standardangebot, sagen die Schließer, geht bis um eins und wird jede Nacht | |
| natürlich für die jungen Leute angeboten. Mensch kann also nur am Strand | |
| abwandern. Deutschland verliert gegen Japan mit 0:1 und ist raus, schreibt | |
| die l´equipe auf Seite acht. Die Einser titelt: und meint die Französinnen, | |
| die England mit 4:3 ausschalten. In Frankreich ist bisher von der WM | |
| absolut nichts zu bemerken. Fragen Sie an der Rezeption, ob hier ein Spiel | |
| übertragen wird, sagt die Zeitungsfrau. Wenn die Landsleute insFinale | |
| kommen – wird es dann hier anders? Ist das ebenso zu erwarten, wie jene | |
| Niederlage? | |
| Die Männer haben bei der letzten WM mindestens zwei grandiose Spiele | |
| gemacht – gegen Argentinien und gegen England. Ich war ebenso begeistert | |
| wie bei den Frauen gegen Frankreich. Einmal, zweimal erleben, dass es geht | |
| und wie gut es geht und dass es kaum besser gehen kann – was mehr. Ja, | |
| Frauen können alles, hat die Künast recht und nicht erst, wenn sie | |
| Weltmeister werden. Wer kann das verlangen, außer denen, die Deutschland – | |
| und damit sich – wenigstens als Fußballmacht feiern wollen. Das ist immer | |
| noch ein ziviles Anliegen, wenn auch nicht sonderlich souverän. Die | |
| Fußballfrauen haben ihr erfüllt, wenn es denn so etwas überhaupt geben | |
| sollte: gut, ja sehr gut spielen, in Bestform kommen. | |
| Die wird zeigen, ob die Trainerin das auch so sehen kann. Ich sehe sie vom | |
| Typ her wie Löw: sensibel, ruhig, schnell wieder runter, aber auch ganz | |
| schön rauf. Nicht immer ganz selbstsicher, aber sicher im Vertrauen auf die | |
| Mann- und Frauschaft. Im Brasilia jedenfalls war nicht zu beobachten. Jetzt | |
| beginnt hier die Session mit dem Kostenlos – Getränk, mal sehen, wer kommt | |
| und wie viele. Ob sie zum Frauenfußball gekommen wären. | |
| ## 6. Juli: Der Knoten platzt: Deutschland- Frankreich | |
| Wo? | |
| Im FNAC sagt der Kassierer, sie würden mit Sicherheit das Spiel nicht | |
| übertragen. Er wisse auch nicht, wer das machen wolle. Der Gastgeber | |
| schüttelt den Kopf. Da müsse man einen kennen, der einen deutschen | |
| Fernseher habe. Sein Prof habe einen, aber er gehe in Urlaub. Er kenne | |
| keinen sonst, der das sehen würde. Die freie Christin recherchiert im Netz. | |
| Es gibt drei irische Pups, die übertragen. Sie liegen streng links von der | |
| Kathedrale. Wir queren den Vorplatz, gegen erstmals rechts von dem Monument | |
| vorbei und treffen auf Polizeieinheiten in den Seitenstraßen und | |
| Bodyguards. Wer wird hier geschützt? Auf dem Rathausplatz stehen 80 | |
| Demonstranten. Das Rathaus ist abgeriegelt durch Polizei und abenteuerliche | |
| Baretts. Wir biegen rechts in die Flanellstrasse, finden die Pups, | |
| entscheiden uns für einen und bestellen den Eintritt: Guinness 0,5 für 5.10 | |
| €. | |
| Im Pub | |
| Da ist keiner weiter. Der Gastgeber hatte recht. Doch nicht in Spanien. Die | |
| Christin kauft vor dem Pub eine Deutschlandfahne. Nächstes Mal sind wir | |
| dabei, erklärt der Verkäufer. Dann wird überall übertragen. Es ist die | |
| letzte deutsche Fahne. Ich lasse sie für 6 €. Neben mir sitzt ein Lehrer | |
| aus Heidelberg. Am Tresen ein Mann, der aus Afrika kommen könnte und ein | |
| Engländer vielleicht. Der Engländer kommt aus Riad, der andere aus | |
| Jordanien. Das Spiel beginnt lautlos. Im Pub dröhnt spanischer Pop. Sie | |
| haben jetzt alle drei Screens auf die Frauen-WM geschaltet. Die ersten 20 | |
| Minuten nur Fehlpässe auf beiden Seiten. Dann konsolidiert sich das Spiel. | |
| Die deutschen Frauen kombinieren aus der eigenen Hälfte heraus, schlagen | |
| lange Pässe nach vorn, die ankommen, dann eine Flanke von rechts nach links | |
| und Garefreke schießt im Effekt rein. Die Musik wechselt auf harten | |
| britisch Pop. Der Heidelberger ist Lehrer, mit Brasilianern hier und hat | |
| ansonsten mit Klassenfrequenzen von 30 plus zu tun. Die Araber blicken | |
| freundlich. Wenn ihr gewinnt, geben wir einen aus. Prompt erfolgt der | |
| Einschlag in einer zweiten gleichartigen Kombination durch Grings. | |
| Glänzender Fußball. Der Knoten ist geplatzt. Es stimmt alles. Dann die zwei | |
| Ecken, Standardsituationen. Das ist zu lernen, wie Frau eine höher | |
| springende Kollegin deckt. | |
| An der Tür blinkt die grüne Reklame der Apotheke neben dem Kopf des | |
| schwarzen Sicherheitsmannes. Die deutschen Frauen bauen unermüdlich auf, | |
| unbeeindruckt von den Gegentreffern. Die Pässe sind sehr genau. Der Ball | |
| läuft über wenige Stationen nach vorn. die französische Hüterin stoppt den | |
| Sturmlauf mit Foul und der Elfer wird sicher verwandelt. Was mehr? Fußball | |
| vom feinsten, unerwartet, klar, systematisch. Die Zweikämpfe sind heftig, | |
| die Gesichter nicht mehr verwundert, sondern angespannt bis verzerrt. Doch | |
| die Richterin greift durch. Das scheint unerlässlich. Beim 4:2 endet alles. | |
| Nachspiel | |
| Die Deutschen haben verdient gewonnen. Sie müssen gewinnen. Sie haben das | |
| Geld ausgegeben, sagt der aus Riad und zwinkert. Wir wählen Rotwein. Das | |
| Thema Fußball wechselt zur Welt und zu Gott. Gott erlaubt kein aus der Hand | |
| Lesen. Der Saudi liest mir vor, dass alles stimmt; Philosophie und | |
| Ökonomie. Nur die Beziehungen nicht. Ein Affe, der von Baum zu Baum | |
| springt. Das Leben, erwidre ich, ist Bewegung und die geht sprunghaft. Wie | |
| sonst und warum jetzt anders als bisher. Er lächelt. Die Christin sagt, die | |
| Bibel verbiete Wahrsagerei. Der Mann lächelt. Wovor haben Sie Angst? | |
| Ich mache eben halt nicht alles. Es gibt nicht offen und offen, sondern nur | |
| offen, werfe ich ein. Alles ist offen in Arabien. Beide nicken. Die Frauen | |
| werden gleich. Das ist gut, aber nicht einfach und nicht alles. Das Spiel | |
| ist aus, das italienische Café schließt hinter uns. Barcelona hat gegen | |
| Eins immer noch 25 Grad plus. Morgen geht es weiter. Ich muss hier noch | |
| einmal her. Die Stadt ist wie der Sesam öffne dich. Und die Offenheit | |
| braucht Zeit. | |
| ## 5. Juli: Inszenierung, Beteiligung, Verwandlung | |
| Die Pappen | |
| Der Flieger fliegt mit den Pappkartons, in denen die Fahrräder geborgen | |
| sind, gen Süden, landet sicher auf Terminal 2 und keiner klatscht. Außer | |
| den Alpen und zwei Windböen war nichts passiert. Frau Merkel in der kann | |
| nicht klatschen, weil sie in sich zusammengerutscht ist vor Lachen oder | |
| Entsetzen oder beidem. Der Zwanziger an ihrer Seite liegt noch tiefer und | |
| scheint zufrieden wie ein Baby und der Finanzminister hat sich in blankem | |
| Zorn hoch aufgerichtet. Nur Blacher sitzt wach in seinem Amt. Die | |
| Reaktionen löst der Schuss von xxxx in den blauem Himmel aus. Das Verfehlen | |
| scheint dieselbe Wirkung auszulösen wie die Holzerei. | |
| Die Verwandlung | |
| Die Reaktionen der Regierung sind umwerfend. Ich möchte die ganze Serie | |
| sehen und verwenden. Ich kann mir keinen Grund vorstellen, der sie so aus | |
| dem Regierungshäuschen zu sich bringen kann. Ungezwungen trifft das nicht, | |
| das ist willentlich. Das gelingt nur, wenn Mensch sich kontrolliert und die | |
| Kontrolle dann etwas lockert. ist eine Explosion. Ich bin nicht sicher, ob | |
| sie das von sich wussten, gedacht hätten und sich eingeräumt. Es ist über | |
| sie gekommen, was da so kalkuliert als Demonstration begonnen hat. Da | |
| passiert, dass Emanzipation ganz konkret genommen vom Spiel überschwappt. | |
| SpielerInnen und Regierung kommen da zu sich und – zueinander. Nicht durch | |
| Fußball schlechthin – sondern den der, die – innen sind. | |
| Sex contra Leistung? | |
| In der Sonntags – Welt wird nun die erste Wettkampfwoche anders | |
| zusammengefasst. Bei Frau Delius verstellt der Blick auf die Fuß – Frau den | |
| eigentlichen auf die Ball -Leistung. Da steht natürlich nicht, dass sie | |
| schlecht spielten, aber gut war das halt auch nicht. Doch wer spielt denn | |
| einigermaßen stabil gut außer der 1. FC Barcelona? Broder beschreibt | |
| Frauenfußball als den größtmöglichen Sex, macht dahinter die Sponsoren aus, | |
| die die Spielerinnen in Werbeobjekte von Marketing als neuer Sexismusform | |
| verwandeln. Das sehen die interviewten Spielerinnen allerdings nicht so | |
| streng. Ihnen gefällt es offensichtlich, schön gefunden zu werden und die | |
| Form der Präsentation selbst zu bestimmen. Und das ist wohl auch | |
| Wirklichkeit. | |
| Aber während die Regierung dann wieder ins Amt zurück fällt, entspannen | |
| sich die Frauen etwas. So ganz aber nicht, denn sie sind noch nicht in | |
| ihrem Spiel und sie müssen immer mehr – gewinnen. | |
| ## 30. Juni: Kader und Kirche | |
| 8 von elf Frauen sind aus Frankfurt, sagt der entfernte Nachbar. Von denen | |
| sind wenigstens 6 Ex-Potsdamerinnen. Auf dem Rasen steht nur eine von | |
| Turbine. Turbine ist Meister, Zweiter der Championsleague, setzt auf | |
| Ausbildung des Kaders und Herrn Schröder. Frau Neid setzt auf Frankfurt und | |
| Kommerz. Die Mannschaft, fährt er fort, spielt unter ihren technischen | |
| Möglichkeiten. Wenn der Ball hoch geschlagen wird, dann können viele um ihn | |
| kämpfen. Wird er flach und schnell gespielt, dann kann es zu keinem harten | |
| Tackling kommen. Das Eigene des Frauenfußball ist ruhiger, entspannter, | |
| weniger meckernd, weniger Schwalben und Fallpathos, Frauenfußball ist | |
| familienfreundlicher und bei Bochum sitzen immer ein paar Nonnen auf der | |
| Tribüne. | |
| Ausverkauft. Kein Wunder, sagt Göring Eckart, Sonderbotschafterin der WM | |
| für Dresden. Total selbstbewusste Mädchen sind unterwegs. Die Millionen | |
| werden nicht so mit den Menschen hin- und hergeschoben. Sehen und fördern. | |
| Gleiche Rahmenbedingungen. Das Schönste ist die Integration über Nationen | |
| hinaus, kein Rassismus. Das ist ganz ernst. Dass die Fans das selbst sagen. | |
| Hier ist jeder so gut, wie er spielt. Gott der Herr geht mit auf das | |
| Spielfeld, aber Fußball ist keine Religion. Beides. Begeisterung für eine | |
| Sache und Glaube an etwas, was mehr ist, als das, was man sehen kann. Da | |
| kann man nicht gewinnen und aufsteigen. Keine Punkte auf der Himmelsleiter. | |
| Vorher ökumenischer Gottesdienst, dann mit dem Staat im Stadion. | |
| Maren Brandt, 14 Jahre alt, hat die Eintrittskarten für das Olympiastadion | |
| zur Konfirmation bekommen. Mehr Mannschaft hilft für Schule, Gruppenarbeit, | |
| Teamgeist. Schule fürs Leben. Verlieren können muss man, fürs Leben lernen | |
| und trotzdem guter Dinge sein. Auf Niederlage vorbereitet sein – mein Gott, | |
| welche Perspektiven! Mit Gott und Fußball zur weiblichen Führungsposition | |
| beim Grün – Alternativen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft – gemeinsam | |
| mit den Fürsten. Das klingt wirklich wie Luther und Zweite Reformation. | |
| Marx würde nicken. Wieder was richtig gedacht. | |
| zum Slogan „Jungs, wir rächen Euch!: Wie diese Rache vonstatten gehen soll, | |
| wo doch das Männerteam des spanischen Verbandes gar nicht am Turnier | |
| teilnehmen. Ob nun der Spruch den DFB-Spielerinnen in den Mund gelegt wurde | |
| und deren Motivation wirklich irgendwas mit Schweini undsoweiter zu tun | |
| hat? Immerhin sind wir alle Deutschland. Und als nächstes macht dann Angela | |
| Merkel mit dem Atomausstieg die andauernde Niederlagenserie von Michael | |
| Schuhmacher vergessen.“ Oder ob sie sich wollen – dafür, dass sie die Nr. 1 | |
| sind, die die Männer werden wollen und es keiner richtig würdigt? | |
| ## Sünde und Hoffnung: Die Budget- Differenz! | |
| Die Fallen | |
| Wir wissen ja nicht, was bei den Männern im Kragen steht! Aber von sicher | |
| nichts. Zum Glück. Das Unglück liegt in der Sünde: Frauen und Fußball | |
| beginnen gleich, Männer haben schon begonnen. Die ersteren sind eventuell | |
| noch vor der Sünde, die zweiten sicher mittendrin. Die Sünde sind die | |
| Budgets. Sie wecken Begehrlichkeiten. Die Argumente – Arbeitsplätze, | |
| Märkte, Wohlstand- ändern daran nichts. Das Problem an der Sünde ist, | |
| stattgefunden zu haben weit vor uns- die belastete Geburt. Es ist also eine | |
| besondere Art Jungfraulichkeit, die den Unterschied macht: Die Frauen | |
| können ihr Spiel noch nicht zu den Millionen verkaufen und die Männer | |
| können es nicht mehr lassen. | |
| Die Zahlen | |
| Die Wirtschaftswoche bricht diese Qualität auf ausgesuchte Quantitäten | |
| herauf: | |
| 1.) Budget Frauen: 51 Millionen Euro für 16 Frauschaften = 3.2 Mio je | |
| Schaft; Budget Männer [2006] 430 Mio. für 32 Mannschaften = 13.4 Mio. Das | |
| gut Vierfache oder ein Viertel. Ein Viertel ist vor dem Eisprung. | |
| 2.) 5 Tage vor Anstoß waren 80% der 900.000 Karten verkauft. Es gibt also | |
| nicht nur Bedürfnisse, sondern auch zahlungsfähige Nachfrage, also Bedarf. | |
| Mehr wissen wir nicht. Das reicht nicht als Argument für oder gegen die | |
| Sünde, aber vielleicht doch als ein Anfang. | |
| 3.) Die Kneipen vor Ort und die Fähnchenhersteller „können kleine Gewinne | |
| erwarten.“ Die bescheidene Formulierung spricht für sich: Keine fette | |
| Torte, bestenfalls Johannisbeerkuchen. | |
| 4.) 4 Mio. Frauen- zu 40 Mio. Männer plus x Sponsorengelder gehen an die | |
| FiFA. Das macht wieder nur ein Zehntel und noch keinen Märchensommer. | |
| 5.) Ein Sechstel der DFB – Mitglieder sind Frauen. Selbst bei hohem | |
| Zuwachs, den die Wiwo nicht preisgibt, fehlt da noch so viel, dass nichts | |
| so schnell werden muss. | |
| 6.) Es sind bisher nur 4,5 Panini – Frauen – Tütchen verkauft worden. | |
| Selbst wenn es 5.5 Mio. werden, verkaufte der italienische Sammelalbum – | |
| Drucker 2006 160 Mio. Männer- Tüten. 3,4% also beschreibt die größte | |
| Hoffnung, dass es nicht reicht, obwohl hier der Zuwachs am ungefährlichsten | |
| für die Sünde sein könnte. | |
| Ein Zahler | |
| Das sagt auch Murphy im TAZZUM. „Finanziell ist es im Moment aber eher ein | |
| Verlustgeschäft.“ Er tritt hier als Unternehmer auf. PHILIP D. MURPHY, 1957 | |
| in Boston geboren, ist Harvard-Absolvent und seit August 2009 | |
| US-Botschafter in Deutschland. Davor war er 23 Jahre lang bei der | |
| Investmentbank Goldman Sachs tätig, das Privatvermögen des | |
| Obama-Unterstützers wird auf 100 Millionen Dollar geschätzt. Murphy ist | |
| Mehrheitseigentümer des Frauenfußballvereins Sky Blue FC. | |
| Es gibt also Hoffnung, dass es nicht reicht. Das Frauenspiel müsste daher | |
| spielerischer ausfallen können als das männliche. Die Ausnahme Barcelona | |
| bestätigt die Regel Bayern M. Doch sie ist eher klein. Das der Französinnen | |
| war schon auf dem Weg und dass der Kanadierinnen schon sehr weit entfernt | |
| von Nigeria. Der andere Beginn wird immer wieder kassiert: | |
| Jungsfreundlichkeit. | |
| ## Geschlechterdifferenz und Selbstbezug | |
| Die Bande Geschlecht | |
| Mich interessiert natürlich der Mann, sagt die Frau an der Ecke unerwartet. | |
| Auch beim Frauenfußball. Das ist doch immer DAS Thema und nicht nur Eines! | |
| Was immer wir auch daran schieben, es ist. Frauen spielen immer für Männer | |
| und Männer selbstredend für sie. Zuerst oder gleichzeitig. Das kann Mensch | |
| intellektualisieren, worauf der Kulturdiskurs ja eigentlich hinaus läuft – | |
| aber er muss es wohl doch nicht. | |
| Der Selbstbezug | |
| Naja, wende ich ein, den exzellenten Abgang der Beatles bei cry baby noch | |
| im Ohr, das Spiel mit sich über den Ball und den andern, der ihn nehmen | |
| will, ist ganz eigen und besetzend. Da ist erst einmal für nichts anderes | |
| Raum. Als die Nigerianerin den Ball herunterholt, von links auf den rechten | |
| Fuß bringt, sich leicht zurücklegt, ausholt und mit Wucht abschießt, das | |
| ist doch eine Erhebung extraordinaire. Das ist DAS Mensch. Dann kommen die | |
| andern, Wirbel von Gattung. Dann kommt wahrscheinlich das Geschlecht, die | |
| Mitfrau, die Frauschaft. Dann das Publikum. Dann – der, irgendein Mann? | |
| Der der Männer | |
| Hast Du mal Männer beim Volleyball gesehen, wie sie am Netz aufspringen, | |
| den Ball schlagen, den Punkt machen, sich einander zuwenden, strahlend, mit | |
| den Händen abklatschen, aufeinander, bis sich ihre Brustkästen berühren – | |
| mit einem kolossal offenen Lächeln? Da ist alles drin für diesen Moment. | |
| Das musst Du erst einmal woanders zustande bringen. Das klappt vielleicht | |
| gerade, weil die Geschlechterspannung fehlt. Weil da originäre Mannrolle | |
| funktioniert. Physis, ungestörte Kooperation, kein Diskursanreiz. Ich sehe | |
| diese Art von Selbsthingabe, von Genuss des mehr bei Männern als bei | |
| Frauen. Sie irgendwie darin, wie in einer Hängematte. Aber eben Nicht beim | |
| Fußball! Da fallen sie in die Jungsrolle oder in die des unbekannten | |
| Soldaten. Aber auch da wollen sie es eher zeigen – und nicht den Frauen. I | |
| got it. Ich habe es gerafft. Messie spielt für sich und Barcelona auch mehr | |
| als fast alle anderen. Der Rest ist, also Produktion im Gegensatz zu Spiel. | |
| Reggae halte ich nur vermischt aus, als Crossover. Der eben war doch zu | |
| viel Kinderschaukel und geht aus dem Bestand. Im Spielpark hinter der | |
| Volksbühne fliegt ein Mädchen im weißen Kleid hoch und höher. Am | |
| improvisiert eine Elektrogitarristin. Kein Fußball, nirgends. Nicht an | |
| jeder Ecke public – viewing. Sommer vom schönsten. Chilenischer Merlot und | |
| The wire tapper 17. | |
| ## Umschalten auf hart: Nigeria – Deutschland | |
| Oder wie gewohnt und vom Schlimmsten | |
| Da plötzlich wird alles anders. Oder wie gewohnt. Bei schlechten Spielen. | |
| Und schlechten Schiedsrichtern. Sie hacken in die Beine, Knöchel, | |
| Kniescheiben wie entfesselt. Sie sind wie ausgewechselt. Schwarzafrika | |
| schaltet um auf hart. Ich hätte auch Grönland geflucht oder Deutschland. | |
| Sie stellen nicht nur die Räume zu, sondern rennen die um. Es fehlt, sie | |
| würden triumphierend schreien. Und Frau Südkorea lächelt, statt zu pfeifen. | |
| Es fehlt an Professionalität und Kultur. Jetzt sind sie wie die Männer. | |
| Fußballer. Holzer. | |
| Spielverderbung | |
| Sie setzen alle offensichtlich verbotenen Mittel ein, Ellbogen, Knie, die | |
| Unterseiten der Fußballschuhe. Sie wollen siegen und missachten den andern. | |
| Es sieht aus, als hassen sie ihn. Ich spüre schon, wie ich selbst das zu | |
| hassen beginne. Es verdirbt das Spiel. Es zerstört wie so oft meine | |
| Illusion. Frauenfußball ist Fußball, nicht mehr und nicht weniger und die | |
| Millionen spielen noch gar nicht herein. Sie werden domestiziert werden, | |
| aber sie brauchen den Dompteur. Das ist wie in Rom. Brot und Spiele. Jetzt | |
| denke ich an, jetzt will ich, dass sie das rächen, dass sie Tore schießen, | |
| den Ball rein knallen, zeigen, dass das kein Weg ist, diese Gewalt, sie | |
| rausschießen. Sie müssen da durch. Es muss ausgewertet werden. Ich wünsche | |
| ihnen eine Niederlage. Die Torfrau im fünf- Meter umgerannt. Keine Regel | |
| wird eingehalten. Buschkrieg. Auch Frauenfußball, nein danke. Ein Skandal. | |
| Dann endlich Ende. Sie sind raus! Gott sei dank. Sie haben bei mir | |
| verschissen bis in die Steinzeit. Hier ist Krieg gewesen und ich hasse | |
| Krieg. | |
| Wie es kommt, dass es kommt | |
| Beim Tischtennis im Soldiner Kiez habe ich eingeführt, dass zählt, wie | |
| lange und gekonnt der Ball hin und her geht, ohne dass der andere | |
| herausgeschossen wird. Es geht viel besser als sonst, mehr schöne Züge, | |
| Chancen, Kooperation, Bestätigung als im Kampf darum, den Ball so auf die | |
| Kante zu setzen, dass er andere ihn nicht kriegt. Solange spielen, bis | |
| einer selbst den Ball nicht mehr halten kann, die Dynamik stärker ist. Ich | |
| habe immer wieder gewusst und erlebt, dass Wettbewerb in Konkurrenz, | |
| Konkurrenz in Kampf, Kampf in Angriff mit allen Mitteln und Angriff in | |
| Krieg führt. | |
| Entspannung. Den Puls herunter. Ein Spiel. Ein Spiel. Sport. Die Ausnahme. | |
| Besser als noch ein wirklicher Krieg. Sie leben ja alle, keiner ist | |
| verkrüppelt. Erst wenn Kommerz herein kommt, sagt der entfernte Nachbar, | |
| geht es schief. Da ist doch noch kaum Kommerz drin, sage ich. Es sind schon | |
| Millionen, kommt die Antwort zurück. Sie haben nicht nur Spiele zu gewinnen | |
| und zu verlieren, sondern Geld, Perspektiven, Auswege, Hoffnungen, | |
| Aufstiege. Das Spiel wird verspielt. | |
| ## 26. Juni: Die Differenz? | |
| Ich dachte, die Eröffnungsfeier wird plötzlich auf einem großen Screen vor | |
| der Volksbühne zelebriert, aber da ist eine junge Frau. Sie singt und | |
| spielt in ein Band. Beides steigt in den Wind, der es unwiderstehlich zum | |
| mir weht. Es klingt sphärisch, nicht von dieser Welt, also von der anderen. | |
| Religion hat mich bis vor sechs Jahren nicht interessiert, Fußball erst | |
| seit drei Jahren. | |
| Über die Frauen ist hier nur in diesem einfachen oder doppelten | |
| Zusammenhang zu sprechen. Was hinter der Volksbühne hervor hier ankommt, | |
| ist ausreichend verzerrt. Fußball ist dagegen eher klar: Ball und Beine. | |
| Das Frühstücksradio berichtet, sie sammelten bisher Männerportraits in | |
| Mappen. Jetzt sind sie selbst zu sammeln und sie sammeln auch sich selbst. | |
| Männer sammeln war bisher schöner. Das andere Geschlecht zieht | |
| normalerweise an. Jetzt ist es das eigne. Nur wer sich selbst lieben kann, | |
| gerät nicht in den Tauschzwang, wäre eine Botschaft. Wer sich nicht liebt, | |
| gewinnt nicht gegen andere, die wichtigere. | |
| Was ist die Differenz? Lieben Frauen anders? Spielen sie auch anders? Der | |
| Busen hüpft, erklärt ein alter Mann im Radio. Das geht nicht. Er hat | |
| wahrscheinlich noch nie Leichtathletik gesehen. Sport-BH und die Ganze | |
| Körperbewegung. Er wird nicht regelmäßig in die Sauna gehen. | |
| Die Grüne Roth sieht eine besondere Ästhetik in den Stadien und eine große | |
| Öffentlichkeit. Ich befinde mich leicht leidend, wenn Frauen forsch | |
| behaupten, sie seien schön, anstatt wenigstens Gymnastik zu machen, wenn | |
| sie schon nicht Fußball spielen. Ich jedenfalls sehe nichts anderes, als | |
| Frau Roth dann bleibt: jetzt wird die letzte Männerdomäne gestürmt. Wir | |
| werden um volle Stadien kämpfen – Gut Holz. | |
| ## Straffer oder Schlaffer oder Lust an Sport? | |
| Gegen 15h kommt die Sonntagssonne erstmals durch. „Das Stadion ist restlos | |
| ausverkauft, 400.000 ZuschauerInnen fiebern dem Einlauf der Footballerinnen | |
| entgegen. Die Spielerinnen rennen aufs Feld und das Gejohle wird bei ihrem | |
| Anblick noch lauter, denn: Die 14 Football-Ladies tragen Helm und | |
| Schulterschutz. Ihre knappen Höschen enden haarscharf an der | |
| Schamhaargrenze, ihre Bustiers werden von überdimensionierten | |
| Silikon-Brüsten gesprengt. Ihren Oberschenkel umfasst ein schwarzes Band. | |
| Die Fans sind begeistert.“ [EMMA, Frühling 2010]. | |
| Bei You Tube haben rund 205 000 Leute das Video der San Diego Seductions | |
| angesehen. Die Frauen tragen weiße Sportdress. Die BHs beherrschen die | |
| Oberweiten souverän. Sie trainieren, wie ich Training von meinem Enkel | |
| kenne. | |
| Mich erinnern Silikonbrüste spontan an Schwitters-Plastiken im Hamburger | |
| Bahnhof und an steinzeitliche Mutterfiguren mit Fruchtbarkeitssymbolik. | |
| Frau Schlaffer sieht in der Prinz-Installation in Frankfurt eine radikale | |
| Provokation: „Auf dem Rasen treten Frauen auf, die sich benehmen, wie | |
| Frauen sich nicht benehmen sollen: kämpferisch, mit verzerrtem Gesicht, | |
| risikobereit, rüde und rücksichtslos gegen sich selbst. Sie bejubeln ihre | |
| Tore und feiern ihre Siege mit Gebärden, die sich für Frauen nicht | |
| schicken.“ Sie gehören zum Spiel, erklärt die Professorin. | |
| Mein Ältester, der gestern in einer Potsdamer Straßenfußballmanschaft 80% | |
| der Tore vorbereitet und vier Elfmeter abgewehrt hat, hat nichts kopiert, | |
| wenn er den Arm hochreißt. Soll Frau das nicht so direkt gelingen? Eine | |
| neue Etappe in der Emanzipation, stellt die Forscherin fest, sei Schulung | |
| für Teamarbeit. „Mädchen lernen – das wuchernde Bildungsangebot zeigt es … | |
| immer Fähigkeiten, die sie allein ausüben können.“ [Die Welt online, | |
| 25.6.11] Mannschaftsspiel also würde Frauen für einsame Führungspositionen | |
| vorbereiten. Da würde bin ich durchaus als Frau durchgehen. Ich habe aber | |
| seit einer Beziehung mit 68er Dynamik in den frühen 70er Jahren mein | |
| Problem mit Frauen – Emanzipation: Es war einfach zu lange zu viel. Auch | |
| ohne Fußball. | |
| ## Probespiel 1: Welch ein Lauf, welch ein Tor | |
| Spielt Hertha, fragt die Nachbarin rechts verdutzt. Frauen-WM, sage ich | |
| konzentriert. Sie weiß es nicht. Sie sieht auch keinen Männerfußball. Das | |
| Endspiel vielleicht, erklärt die 12jährige Tochter der unteren Hauspartei. | |
| Der Nachbar daneben ist nicht da. Ich bin anscheinend der einziger Viewer | |
| des Auftaktspiels, obwohl ich das nicht vorhatte. Seit drei Jahren sehe ich | |
| mit, wenn der Älteste kommt. Der ist Enthusiast. Das führte dann zu einer | |
| leichten Ansteckung. Zur letzten WM jedenfalls ging ich zur Kulm in die | |
| Herberge von Weissig an der Elbe, als die Deutschen spielten. Wenn sie ein | |
| Bier trinken, bot die Wirtin an, schalte ich ein. Wir sahen dann zu zweit | |
| das exzellente Spiel gegen England und zwei weitere. Wenn sie ausschieden, | |
| stimmten die zwei Freundinnen der Frau jenseits des Kanals zu, dann würde | |
| es reichen. Ich habe noch nie besseren deutschen Fußball gesehen. | |
| Frankreich gegen Nigeria zum Auftakt. Zattoo will Geld für besseres Bild | |
| ohne Werbung, aber ich sehe zu selten. Eigentlich nur Spitzensport. Also | |
| Frauen-WM. Das Stadion gut gefüllt. Der Rasen grün. Nigeria in Weiß, bei | |
| den Französinnen auch Schwarze. Die Weißen etwas athletischer, die | |
| Frontfrau mit starken, geschmeidigen Bewegungen im Vormarsch. Dezidierter | |
| Körpereinsatz, aber kein Checken, sondern eher beiseite schieben. Das sieht | |
| kraftvoll und elegant aus. Sanft, aber entschieden und technisch perfekt. | |
| Mit hohem Tempo vor dem Tor ist sie kaum zu bremsen. Zwei-, dreimal gelingt | |
| der Abschluss nicht. Die Trainerin sieht das mit demonstrativer Ruhe. | |
| Sie habe erst einmal die Lesben herausgenommen bei Übernahme des Amtes, | |
| sagt der Reporter vorsichtig. Es müsste eigentlich 2:0 stehen, die zwei | |
| Schiedsrichter-Fehlentscheidungen nicht mitgerechnet. Für Frankreich ist | |
| der Trainer ein sanfter Mann. Er lächelt etwas ratlos von der Seitenlinie. | |
| Die Kamera zeigt die grüblerische Stirn einer nicht eingesetzten | |
| Starspielerin. Auf dem Rasen kommt dann die Torszene: Ein langer Pass, der | |
| in die Strafraummitte weitergegeben wird, die konzentrierte Annahme und der | |
| satte, unhaltbare Schuss. Jetzt läuft es mehr und mehr für Blau. Das | |
| Publikum sei neutral und spielorientiert, kommentiert der Reporter. Die | |
| Sympathien wechseln. Mir scheint doch, dass hier die Frauen besser | |
| miteinander umgehen, weiblicher. | |
| Zum Kämpfen gehört für mich das punktuelle Ausblenden des Mitspielers. Dann | |
| wird der Körpereinsatz zum Check und der Check zum harten Rempler und der | |
| Rempler zur Frustreaktion. Das kann ja noch alles kommen. Aber hier ist es | |
| nicht. Hier kommt die französische Freude zeitverschoben und die | |
| Nigerianerinnen klatschen freundlich. Also dann doch noch Deutschlands | |
| Auftakt. | |
| 27 Jun 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Reinfried Musch | |
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