# taz.de -- WM-Blog Marx im Fußball: Sex fehlt ganz | |
> Reinfried Musch ist taz-Controller und überzeugter Marxist. Für taz.de | |
> bloggt er über die WM. Und Frauen. | |
Bild: Bekommen wenig Trost aus der Heimat: Nigerias Nationalteam am Donnerstag | |
## 20. Juli: Tabus | |
Besetzung | |
Wenn die Männer an der langen Schlange vor der Frauentoilette | |
vorbeischlenderten und dann wieder zurück, haben wir sie mal besetzt, | |
erzählt überraschend die freie Christin. Das war, wie wenn Mädchen sich | |
unter die Jungs mischen beim Fußball. Zwanzig, fünfundzwanzig Jahre her? | |
Die Fingernägel einer Japanerin beim Finale: Frauen, die Fußball spielen, | |
geraten nicht in den Verdacht, Tussies zu sein: chick und typenabhängig. | |
Doch irgendwie emanzipativ, denke ich, aufbauend, abgrenzend von der | |
Beilage, Tabus brechen. | |
Aufbruch | |
Eine weitere Männerdomäne geht verloren, wie Autopflegen und Motorbiken nun | |
kollektives Fußballfernsehen mit Bier und Schenkelklopfen und schreien. Bei | |
der letzten Männer-WM, einfach Fußball-WM, wird man nicht mehr so einfach | |
sagen können, stöhnte eine Reihe hinter mir vor der großen Leinwand im | |
oberen Teil der Invalidenstraße eine junge Frau. Der zugehörige Mann hielt | |
ihren Eisbecher für diesen Moment höchster Erregung und sah interessiert | |
auf den Clinch vor dem Tor. Beide haben ich noch nicht so schreien hören. | |
Der Schreiplatz ist ja auch besetzt und eine Doppelspitze ist selbst in der | |
Politik kein Synchronspringen. | |
Die Gärtnerin | |
Die schöne Frau Neid wird es wissen. Sie hat voller Hingabe das prächtige, | |
hochgeschossene, voll blühende heimische Gemüsebeet gepflegt und dabei die | |
Nachbargärten aus dem Auge verloren. Als ihre Lieblinge im Frankreichspiel | |
dann den Tritt fanden, wie das auch bei Papa Löw so läuft, ließ sie sie | |
nicht zusammen weiterspielen. Never change a winning team gilt weltweit, | |
weil Euphorie und rauschender Erfolg selten sind. Wohin mag sie da geblickt | |
haben, wo Ihr Beet der einzig wichtige Ort der Welt war. War sie da zu viel | |
mitfühlende Frau und – Mutter – als Spielerin? Der Vertrag läuft ja | |
Zwanziger sei Dank bis 2016 – vielleicht wird sie es mitteilen. | |
Das Milieu | |
Eine große emanzipatorische Debatte wie in Deutschland gab es weder in | |
Japan noch den andern Gewinnerländern, schreibt AG in der ZEIT. Da wird | |
dann mehr übertragen und Gedanken an die Nation, den jeweiligen Traum von | |
Selbstverständnis und morgige Hoffnungen springen auf. In Deutschland passt | |
die WM in den laufenden protestantisch- grünen Aufbruch. Wir machen das | |
schon, könnte das heißen, es wird gut werden, weil es gut begann und was | |
gut ist, muss nicht zuerst besser werden, wenn es mal schlechter kommt, | |
sondern gut bleiben. | |
Tabus | |
Der o.g. Herr Fritsch jedenfalls will zwei Tabus vom Tisch haben, um dem | |
Frauenfußball zu einer unterschiedlichen Identität zu verhelfen: Eine | |
Abgrenzung von Männerfußball und leichtere Bälle, kleinere Tore, kürzere | |
Spielzeit. Das wär ein Stück auf dem Weg, überholen zu können ohne einholen | |
zu müssen. Vielleicht haben noch mehr aufmerksame Männer und strategisch | |
denkende Frauen im Umfeld des Fußballs mehr solche auf Alleinstellung | |
zielende Ideen? Ein Thema für mein TAZUM vielleicht? Da hätten wir´s doch | |
plötzlich wirklich mit Emanzipation zu tun und nicht mit dem Wettlauf | |
zwischen Hase und Igel! Der Igel hatte seine Frau dabei. | |
## 20. Juli: Endspiel | |
Die Chefin von Terminal C, den Easyjet belegt, ist jung, blond, schlank und | |
etwas müde. Sie schüttelt den Kopf. London bietet Ihnen nur einen neuen | |
Flug, kein Hotel. Ich war nicht dabei, aber die Kollegen sagen, die | |
Fahrräder sind nicht richtig vorbereitet. Das tut uns leid. Wir schenken | |
Ihnen ja den Flug. – Das Werkzeug, mit dem Lenker und Sattel hätten | |
verkürzt werden können, musste zuvor ins Frachtgepäck. Einen Imbusschlüssel | |
beim Zoll zu deponieren, scheint die blanke Überforderung zu sein. | |
Über dem Landwehrkanal ist keine Seite überfordert. Die Amerikanerinnen | |
überwinden mit langen, präzisen Pässen das Spielfeld, als bestünde es nur | |
aus dem japanischen Strafraum. Die Japanerinnen zirkulieren mit großem | |
Gleichmut den Ball ohne jeden Anspruch auf Raumgewinn. Ihr Trainer hat | |
seine Meditationsmaske aufgesetzt: Es ist alles getan. Wir fahren nach | |
Plan. Alles wird wie es wird. Es wird turbulent. Konzept gegen Konzept, | |
Welle auf Welle mit 20 cm Höhenunterschied. Tore und Gegentore unterbrechen | |
die Brandung nicht. Das amerikanische Wir werden Weltmeisterin blinkt wie | |
ein Leuchtturm vor Osaka – wir halten stand IST Osaka. Ein Essen mit | |
Meeresfrüchten im Hauptgang. Dann die Nachspeise der Verlängerung. Die US- | |
Trainerin hat jetzt große schwedische Augen, in denen sich Verwunderung, | |
Sorge und Aufmerksamkeit spiegeln. Wieder die Führung. Nebenan ein helles | |
Aufstöhnen. Wieder der Ausgleich. Jubel. Ich bin für die Japanerinnen, sagt | |
die Gastgeberin. Sie haben es nötiger. Sie sind schlechter dran im Land. | |
Leichte Irritation auf der Gegenseite. Wie kann das sein nach dem | |
Sturmlauf? Elfmeterschießen. Das große Männertor. Vielleicht sollte man die | |
Regel ändert, schreibt später ein ZEIT- Kommentator. Anlauf. Schuss. | |
Verschossen. Verschossen. Aus. Aus. Welch Drama. Welche Spannung. Welche | |
Sensation. Japan trifft und trifft und trifft. Diese stillen | |
Mädchengesichter. Ein Schniefen, ein Wimpernschlag ohne Wimpern. Einschlag. | |
Oliver Fritsch hat es ja noch nicht gesehen, dieses Spiel endgültiger | |
Klärung. Aber er gesteht den Japanerinnen die Ausnahmerolle zu: technisch | |
beschlagen, alle machen alles, Physis tritt in die zweite Reihe. Und auch | |
Frau Kemper hat da recht in der ZEIT vom französischen Nationalfeiertag. Da | |
ist das unerwartete Drama, das in den Köpfen der Zuschauer hängen bleiben | |
wird, der Mythos der fallenden Heldinnen, David siegt gegen Goliath, der | |
lächelt ungläubig, dreht sich halb im Kreis, breitet die Arme aus ratlos | |
und schlägt lang hin. David lächelt unbestimmt, verneigt sich vor sich | |
selbst, lässt die unheimliche Anspannung in Schüben von kleinen spitzen | |
Freudenschreien heraus. Da stehen die deutschen Hostessen in Caramelbraun | |
mit dem Lächeln WIE ENGEL vom Laufsteg, halten die Kissen mit dem Gold und | |
ein gewaltiges Halleluja aus Faschingskanonen lässt es perfekt regnen. Das | |
können wir. | |
Die Kamera zeigt den Jubel der deutschen Equipe im Zuschauerstatus. | |
Entlastung vor der Frage. Warum nicht WIR. Wir waren gute Gastgeber, sagt | |
der Wulffsche Oberhirte sanft. Bessere sind nicht zu machen. Wir sind in | |
den Stadien geblieben trotz des frühen Ausscheidens, sagt Mutter Merkel mit | |
Eifer. Trotzalledem. Konnten wir nicht verschießen, weil wir verschlafen | |
haben, was in der Frauenfußballwelt geschah? | |
Die U- Bahn fährt nur bis zum Sonntag durch, lächelt der Junge mit dem | |
Leimeimer an der Litfaßsäule. Berlin ist um diese Zeit still vom Kottbusser | |
Tor bis zum Alex. Es war eine schöne Zeit. | |
## 20. Juli: Nun ist es passiert | |
Brasilia ist ein Luxuszeltplatz mit Wache, hellblauem Einlassbändchen, | |
einer mörderischen Disko für ein paar Teenies und einer | |
Geschäftspräsentation der Anlieger aus Canet. Nach dem Metal- Konzert in | |
Llanca und den Albatrosangriffen in Escala wummern die Bässe, statt einer | |
komfortablen Erholung. Das nicht erwartete kommt prompt. Dabei war das | |
durchaus zu erwarten. Es gehört zum gehobenen Standardangebot, sagen die | |
Schließer, geht bis um eins und wird jede Nacht natürlich für die jungen | |
Leute angeboten. Mensch kann also nur am Strand abwandern. Deutschland | |
verliert gegen Japan mit 0:1 und ist raus, schreibt die l´equipe auf Seite | |
acht. Die Einser titelt: und meint die Französinnen, die England mit 4:3 | |
ausschalten. In Frankreich ist bisher von der WM absolut nichts zu | |
bemerken. Fragen Sie an der Rezeption, ob hier ein Spiel übertragen wird, | |
sagt die Zeitungsfrau. Wenn die Landsleute insFinale kommen – wird es dann | |
hier anders? Ist das ebenso zu erwarten, wie jene Niederlage? | |
Die Männer haben bei der letzten WM mindestens zwei grandiose Spiele | |
gemacht – gegen Argentinien und gegen England. Ich war ebenso begeistert | |
wie bei den Frauen gegen Frankreich. Einmal, zweimal erleben, dass es geht | |
und wie gut es geht und dass es kaum besser gehen kann – was mehr. Ja, | |
Frauen können alles, hat die Künast recht und nicht erst, wenn sie | |
Weltmeister werden. Wer kann das verlangen, außer denen, die Deutschland – | |
und damit sich – wenigstens als Fußballmacht feiern wollen. Das ist immer | |
noch ein ziviles Anliegen, wenn auch nicht sonderlich souverän. Die | |
Fußballfrauen haben ihr erfüllt, wenn es denn so etwas überhaupt geben | |
sollte: gut, ja sehr gut spielen, in Bestform kommen. | |
Die wird zeigen, ob die Trainerin das auch so sehen kann. Ich sehe sie vom | |
Typ her wie Löw: sensibel, ruhig, schnell wieder runter, aber auch ganz | |
schön rauf. Nicht immer ganz selbstsicher, aber sicher im Vertrauen auf die | |
## 12. Juli: Werbung, Sex und Brechstange | |
Am Volksstrand von Barcelona schäumen die Wellen und glänzen die Bauten. | |
Der fliegt auf, wenn man unter ihm steht und sendet sphärische Musik. | |
Werbung ist in der Stadt sehr sparsam vertreten und Sex fehlt ganz. Am | |
Platz der Katalanen sieht eine riesige Frau von der Fassade wie Parfüm aus. | |
Sonst nichts. | |
Die freie Christin bringt es auf den Punkt: weshalb ich mich nicht verletzt | |
gefühlt habe durch die Safersex Werbung mit der Banane. Sie fühle sich | |
betroffen und missachtet, wenn Frauen als Beilage für Männer dargestellt | |
werden und solidarisiere sich mit ihnen. Das habe zwar abgenommen und mehr | |
Frauen seien wenig, sondern sehr selbständig, aber es gelte doch wohl immer | |
noch für größere Mehrheiten. Männer brauchen das anscheinend immer noch | |
zuhauf, um durch Erniedrigung ihr Ego zu erheben – verstehe ich da noch. | |
Also die Werbung, setze ich dagegen. Ich habe bisher nirgendwo einigermaßen | |
sichere Studien zum Geschäftserfolg durch Werbung gesehen, Die Werbeflut | |
ist so groß, dass die Aufnahmefähigkeit der Kunden längst überschritten | |
ist. Es wird entsorgt, die Aufkleber stellt jetzt schon der Vermieter zur | |
Verfügung und das angezielte Unterbewusstsein müsste sich auch schon mit | |
anderen Gegenständen befassen. Außerdem wirken so viele Faktoren in der | |
Kaufentscheidung, dass jeder seinen für sich reklamieren kann. Werbung | |
finanziert dagegen das halbe Internet und dreiviertel aller medialen | |
Kommunikation. Das ist nicht Nichts. Die Spielerinnen hätten sich wohl | |
offenkundig aussuchen können, ob und wie sie sich zeigen. Ob die Christin | |
denn eine Betroffene kennt und erlebt habe. | |
Die Banane war schon zur Wende nicht mein Symbol für die Überwindung der | |
Mangelwirtschaft. Dafür stand eher der Kopierer. Und als Sexzeichen | |
assoziiere ich sie bis dahin eher eine weibliche Verwendung, als | |
Sexspielzeug. Das hat sich jetzt erweitert und. Offensichtlich bin ich da | |
auch nicht so abstrakt veranlagt, wende ich ein. Diese Werbung scheint mir | |
praktisch zu treffen: Schützen, was erhoben bleiben soll. Das ist vor der | |
praktischen Ausführung auch eher ein freundlicher Gedanke und eine lustige | |
Geste, einen Froms darüber zu ziehen. Entwertet wird dadurch also gerade | |
nicht und lächerlich ist die Krümmung auch nicht – sie zeigt die von allen | |
gewünschte Tendenz zur Erhebung. Ist das Beleg für mehr männliches | |
Selbstbewusstsein oder bin ich nicht in der richtigen Szene zum Thema. Aber | |
Linkin Park z.B. bringt das Thema andersherum auf den Punkt: I will be not | |
ignored. Und das liegt noch weit vor so etwas wie zärtlicher Zuwendung. | |
Wenn Frauen wie die Bajramaj sich erotisch – selbstbewusst zeigen und | |
Oberschenkel und Brustansatz ist das eher selbstreflexiv als ein Beitrag | |
zur Geschlechterkultur. | |
Aber es geht um Frauen und Fußball und die Bloggerin Kathrina, die meinen | |
Blog als Brechstange der Zeitung gegen die Verbindung von Linken und | |
Feminismus vermutet. Mir ist alles, was mit – muss endet, seit langem | |
verleidet. Wenn muss -muss, dann wird sehr schnell das Emanzipative | |
verzehrt. Dass der Weg zur Emanzipation so verläuft, ändert da nichts. und | |
passen von daher durchaus. Aber beide haben erreicht, was man als Block | |
erreichen kann. Das merken Männer und Frauen eher als Blöcke und Parteien. | |
Ich sehe mich blockfrei und werte das als Zuwachs an Emanzipation. Und ich | |
verlasse ich eher auf Konkreta als auf eine brisante Geschlechterspannung. | |
Frauen spielen Fußball für mich- nicht umgekehrt. | |
## 10. Juli: Nun ist es passiert | |
Brasilia ist ein Luxuszeltplatz mit Wache, hellblauem Einlassbändchen, | |
einer mörderischen Disko für ein paar Teenies und einer | |
Geschäftspräsentation der Anlieger aus Canet. Nach dem Metal- Konzert in | |
Llanca und den Albatrosangriffen in Escala wummern die Bässe, statt einer | |
komfortablen Erholung. Das nicht erwartete kommt prompt. | |
Dabei war das durchaus zu erwarten. Es gehört zum gehobenen | |
Standardangebot, sagen die Schließer, geht bis um eins und wird jede Nacht | |
natürlich für die jungen Leute angeboten. Mensch kann also nur am Strand | |
abwandern. Deutschland verliert gegen Japan mit 0:1 und ist raus, schreibt | |
die l´equipe auf Seite acht. Die Einser titelt: und meint die Französinnen, | |
die England mit 4:3 ausschalten. In Frankreich ist bisher von der WM | |
absolut nichts zu bemerken. Fragen Sie an der Rezeption, ob hier ein Spiel | |
übertragen wird, sagt die Zeitungsfrau. Wenn die Landsleute insFinale | |
kommen – wird es dann hier anders? Ist das ebenso zu erwarten, wie jene | |
Niederlage? | |
Die Männer haben bei der letzten WM mindestens zwei grandiose Spiele | |
gemacht – gegen Argentinien und gegen England. Ich war ebenso begeistert | |
wie bei den Frauen gegen Frankreich. Einmal, zweimal erleben, dass es geht | |
und wie gut es geht und dass es kaum besser gehen kann – was mehr. Ja, | |
Frauen können alles, hat die Künast recht und nicht erst, wenn sie | |
Weltmeister werden. Wer kann das verlangen, außer denen, die Deutschland – | |
und damit sich – wenigstens als Fußballmacht feiern wollen. Das ist immer | |
noch ein ziviles Anliegen, wenn auch nicht sonderlich souverän. Die | |
Fußballfrauen haben ihr erfüllt, wenn es denn so etwas überhaupt geben | |
sollte: gut, ja sehr gut spielen, in Bestform kommen. | |
Die wird zeigen, ob die Trainerin das auch so sehen kann. Ich sehe sie vom | |
Typ her wie Löw: sensibel, ruhig, schnell wieder runter, aber auch ganz | |
schön rauf. Nicht immer ganz selbstsicher, aber sicher im Vertrauen auf die | |
Mann- und Frauschaft. Im Brasilia jedenfalls war nicht zu beobachten. Jetzt | |
beginnt hier die Session mit dem Kostenlos – Getränk, mal sehen, wer kommt | |
und wie viele. Ob sie zum Frauenfußball gekommen wären. | |
## 6. Juli: Der Knoten platzt: Deutschland- Frankreich | |
Wo? | |
Im FNAC sagt der Kassierer, sie würden mit Sicherheit das Spiel nicht | |
übertragen. Er wisse auch nicht, wer das machen wolle. Der Gastgeber | |
schüttelt den Kopf. Da müsse man einen kennen, der einen deutschen | |
Fernseher habe. Sein Prof habe einen, aber er gehe in Urlaub. Er kenne | |
keinen sonst, der das sehen würde. Die freie Christin recherchiert im Netz. | |
Es gibt drei irische Pups, die übertragen. Sie liegen streng links von der | |
Kathedrale. Wir queren den Vorplatz, gegen erstmals rechts von dem Monument | |
vorbei und treffen auf Polizeieinheiten in den Seitenstraßen und | |
Bodyguards. Wer wird hier geschützt? Auf dem Rathausplatz stehen 80 | |
Demonstranten. Das Rathaus ist abgeriegelt durch Polizei und abenteuerliche | |
Baretts. Wir biegen rechts in die Flanellstrasse, finden die Pups, | |
entscheiden uns für einen und bestellen den Eintritt: Guinness 0,5 für 5.10 | |
€. | |
Im Pub | |
Da ist keiner weiter. Der Gastgeber hatte recht. Doch nicht in Spanien. Die | |
Christin kauft vor dem Pub eine Deutschlandfahne. Nächstes Mal sind wir | |
dabei, erklärt der Verkäufer. Dann wird überall übertragen. Es ist die | |
letzte deutsche Fahne. Ich lasse sie für 6 €. Neben mir sitzt ein Lehrer | |
aus Heidelberg. Am Tresen ein Mann, der aus Afrika kommen könnte und ein | |
Engländer vielleicht. Der Engländer kommt aus Riad, der andere aus | |
Jordanien. Das Spiel beginnt lautlos. Im Pub dröhnt spanischer Pop. Sie | |
haben jetzt alle drei Screens auf die Frauen-WM geschaltet. Die ersten 20 | |
Minuten nur Fehlpässe auf beiden Seiten. Dann konsolidiert sich das Spiel. | |
Die deutschen Frauen kombinieren aus der eigenen Hälfte heraus, schlagen | |
lange Pässe nach vorn, die ankommen, dann eine Flanke von rechts nach links | |
und Garefreke schießt im Effekt rein. Die Musik wechselt auf harten | |
britisch Pop. Der Heidelberger ist Lehrer, mit Brasilianern hier und hat | |
ansonsten mit Klassenfrequenzen von 30 plus zu tun. Die Araber blicken | |
freundlich. Wenn ihr gewinnt, geben wir einen aus. Prompt erfolgt der | |
Einschlag in einer zweiten gleichartigen Kombination durch Grings. | |
Glänzender Fußball. Der Knoten ist geplatzt. Es stimmt alles. Dann die zwei | |
Ecken, Standardsituationen. Das ist zu lernen, wie Frau eine höher | |
springende Kollegin deckt. | |
An der Tür blinkt die grüne Reklame der Apotheke neben dem Kopf des | |
schwarzen Sicherheitsmannes. Die deutschen Frauen bauen unermüdlich auf, | |
unbeeindruckt von den Gegentreffern. Die Pässe sind sehr genau. Der Ball | |
läuft über wenige Stationen nach vorn. die französische Hüterin stoppt den | |
Sturmlauf mit Foul und der Elfer wird sicher verwandelt. Was mehr? Fußball | |
vom feinsten, unerwartet, klar, systematisch. Die Zweikämpfe sind heftig, | |
die Gesichter nicht mehr verwundert, sondern angespannt bis verzerrt. Doch | |
die Richterin greift durch. Das scheint unerlässlich. Beim 4:2 endet alles. | |
Nachspiel | |
Die Deutschen haben verdient gewonnen. Sie müssen gewinnen. Sie haben das | |
Geld ausgegeben, sagt der aus Riad und zwinkert. Wir wählen Rotwein. Das | |
Thema Fußball wechselt zur Welt und zu Gott. Gott erlaubt kein aus der Hand | |
Lesen. Der Saudi liest mir vor, dass alles stimmt; Philosophie und | |
Ökonomie. Nur die Beziehungen nicht. Ein Affe, der von Baum zu Baum | |
springt. Das Leben, erwidre ich, ist Bewegung und die geht sprunghaft. Wie | |
sonst und warum jetzt anders als bisher. Er lächelt. Die Christin sagt, die | |
Bibel verbiete Wahrsagerei. Der Mann lächelt. Wovor haben Sie Angst? | |
Ich mache eben halt nicht alles. Es gibt nicht offen und offen, sondern nur | |
offen, werfe ich ein. Alles ist offen in Arabien. Beide nicken. Die Frauen | |
werden gleich. Das ist gut, aber nicht einfach und nicht alles. Das Spiel | |
ist aus, das italienische Café schließt hinter uns. Barcelona hat gegen | |
Eins immer noch 25 Grad plus. Morgen geht es weiter. Ich muss hier noch | |
einmal her. Die Stadt ist wie der Sesam öffne dich. Und die Offenheit | |
braucht Zeit. | |
## 5. Juli: Inszenierung, Beteiligung, Verwandlung | |
Die Pappen | |
Der Flieger fliegt mit den Pappkartons, in denen die Fahrräder geborgen | |
sind, gen Süden, landet sicher auf Terminal 2 und keiner klatscht. Außer | |
den Alpen und zwei Windböen war nichts passiert. Frau Merkel in der kann | |
nicht klatschen, weil sie in sich zusammengerutscht ist vor Lachen oder | |
Entsetzen oder beidem. Der Zwanziger an ihrer Seite liegt noch tiefer und | |
scheint zufrieden wie ein Baby und der Finanzminister hat sich in blankem | |
Zorn hoch aufgerichtet. Nur Blacher sitzt wach in seinem Amt. Die | |
Reaktionen löst der Schuss von xxxx in den blauem Himmel aus. Das Verfehlen | |
scheint dieselbe Wirkung auszulösen wie die Holzerei. | |
Die Verwandlung | |
Die Reaktionen der Regierung sind umwerfend. Ich möchte die ganze Serie | |
sehen und verwenden. Ich kann mir keinen Grund vorstellen, der sie so aus | |
dem Regierungshäuschen zu sich bringen kann. Ungezwungen trifft das nicht, | |
das ist willentlich. Das gelingt nur, wenn Mensch sich kontrolliert und die | |
Kontrolle dann etwas lockert. ist eine Explosion. Ich bin nicht sicher, ob | |
sie das von sich wussten, gedacht hätten und sich eingeräumt. Es ist über | |
sie gekommen, was da so kalkuliert als Demonstration begonnen hat. Da | |
passiert, dass Emanzipation ganz konkret genommen vom Spiel überschwappt. | |
SpielerInnen und Regierung kommen da zu sich und – zueinander. Nicht durch | |
Fußball schlechthin – sondern den der, die – innen sind. | |
Sex contra Leistung? | |
In der Sonntags – Welt wird nun die erste Wettkampfwoche anders | |
zusammengefasst. Bei Frau Delius verstellt der Blick auf die Fuß – Frau den | |
eigentlichen auf die Ball -Leistung. Da steht natürlich nicht, dass sie | |
schlecht spielten, aber gut war das halt auch nicht. Doch wer spielt denn | |
einigermaßen stabil gut außer der 1. FC Barcelona? Broder beschreibt | |
Frauenfußball als den größtmöglichen Sex, macht dahinter die Sponsoren aus, | |
die die Spielerinnen in Werbeobjekte von Marketing als neuer Sexismusform | |
verwandeln. Das sehen die interviewten Spielerinnen allerdings nicht so | |
streng. Ihnen gefällt es offensichtlich, schön gefunden zu werden und die | |
Form der Präsentation selbst zu bestimmen. Und das ist wohl auch | |
Wirklichkeit. | |
Aber während die Regierung dann wieder ins Amt zurück fällt, entspannen | |
sich die Frauen etwas. So ganz aber nicht, denn sie sind noch nicht in | |
ihrem Spiel und sie müssen immer mehr – gewinnen. | |
## 30. Juni: Kader und Kirche | |
8 von elf Frauen sind aus Frankfurt, sagt der entfernte Nachbar. Von denen | |
sind wenigstens 6 Ex-Potsdamerinnen. Auf dem Rasen steht nur eine von | |
Turbine. Turbine ist Meister, Zweiter der Championsleague, setzt auf | |
Ausbildung des Kaders und Herrn Schröder. Frau Neid setzt auf Frankfurt und | |
Kommerz. Die Mannschaft, fährt er fort, spielt unter ihren technischen | |
Möglichkeiten. Wenn der Ball hoch geschlagen wird, dann können viele um ihn | |
kämpfen. Wird er flach und schnell gespielt, dann kann es zu keinem harten | |
Tackling kommen. Das Eigene des Frauenfußball ist ruhiger, entspannter, | |
weniger meckernd, weniger Schwalben und Fallpathos, Frauenfußball ist | |
familienfreundlicher und bei Bochum sitzen immer ein paar Nonnen auf der | |
Tribüne. | |
Ausverkauft. Kein Wunder, sagt Göring Eckart, Sonderbotschafterin der WM | |
für Dresden. Total selbstbewusste Mädchen sind unterwegs. Die Millionen | |
werden nicht so mit den Menschen hin- und hergeschoben. Sehen und fördern. | |
Gleiche Rahmenbedingungen. Das Schönste ist die Integration über Nationen | |
hinaus, kein Rassismus. Das ist ganz ernst. Dass die Fans das selbst sagen. | |
Hier ist jeder so gut, wie er spielt. Gott der Herr geht mit auf das | |
Spielfeld, aber Fußball ist keine Religion. Beides. Begeisterung für eine | |
Sache und Glaube an etwas, was mehr ist, als das, was man sehen kann. Da | |
kann man nicht gewinnen und aufsteigen. Keine Punkte auf der Himmelsleiter. | |
Vorher ökumenischer Gottesdienst, dann mit dem Staat im Stadion. | |
Maren Brandt, 14 Jahre alt, hat die Eintrittskarten für das Olympiastadion | |
zur Konfirmation bekommen. Mehr Mannschaft hilft für Schule, Gruppenarbeit, | |
Teamgeist. Schule fürs Leben. Verlieren können muss man, fürs Leben lernen | |
und trotzdem guter Dinge sein. Auf Niederlage vorbereitet sein – mein Gott, | |
welche Perspektiven! Mit Gott und Fußball zur weiblichen Führungsposition | |
beim Grün – Alternativen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft – gemeinsam | |
mit den Fürsten. Das klingt wirklich wie Luther und Zweite Reformation. | |
Marx würde nicken. Wieder was richtig gedacht. | |
zum Slogan „Jungs, wir rächen Euch!: Wie diese Rache vonstatten gehen soll, | |
wo doch das Männerteam des spanischen Verbandes gar nicht am Turnier | |
teilnehmen. Ob nun der Spruch den DFB-Spielerinnen in den Mund gelegt wurde | |
und deren Motivation wirklich irgendwas mit Schweini undsoweiter zu tun | |
hat? Immerhin sind wir alle Deutschland. Und als nächstes macht dann Angela | |
Merkel mit dem Atomausstieg die andauernde Niederlagenserie von Michael | |
Schuhmacher vergessen.“ Oder ob sie sich wollen – dafür, dass sie die Nr. 1 | |
sind, die die Männer werden wollen und es keiner richtig würdigt? | |
## Sünde und Hoffnung: Die Budget- Differenz! | |
Die Fallen | |
Wir wissen ja nicht, was bei den Männern im Kragen steht! Aber von sicher | |
nichts. Zum Glück. Das Unglück liegt in der Sünde: Frauen und Fußball | |
beginnen gleich, Männer haben schon begonnen. Die ersteren sind eventuell | |
noch vor der Sünde, die zweiten sicher mittendrin. Die Sünde sind die | |
Budgets. Sie wecken Begehrlichkeiten. Die Argumente – Arbeitsplätze, | |
Märkte, Wohlstand- ändern daran nichts. Das Problem an der Sünde ist, | |
stattgefunden zu haben weit vor uns- die belastete Geburt. Es ist also eine | |
besondere Art Jungfraulichkeit, die den Unterschied macht: Die Frauen | |
können ihr Spiel noch nicht zu den Millionen verkaufen und die Männer | |
können es nicht mehr lassen. | |
Die Zahlen | |
Die Wirtschaftswoche bricht diese Qualität auf ausgesuchte Quantitäten | |
herauf: | |
1.) Budget Frauen: 51 Millionen Euro für 16 Frauschaften = 3.2 Mio je | |
Schaft; Budget Männer [2006] 430 Mio. für 32 Mannschaften = 13.4 Mio. Das | |
gut Vierfache oder ein Viertel. Ein Viertel ist vor dem Eisprung. | |
2.) 5 Tage vor Anstoß waren 80% der 900.000 Karten verkauft. Es gibt also | |
nicht nur Bedürfnisse, sondern auch zahlungsfähige Nachfrage, also Bedarf. | |
Mehr wissen wir nicht. Das reicht nicht als Argument für oder gegen die | |
Sünde, aber vielleicht doch als ein Anfang. | |
3.) Die Kneipen vor Ort und die Fähnchenhersteller „können kleine Gewinne | |
erwarten.“ Die bescheidene Formulierung spricht für sich: Keine fette | |
Torte, bestenfalls Johannisbeerkuchen. | |
4.) 4 Mio. Frauen- zu 40 Mio. Männer plus x Sponsorengelder gehen an die | |
FiFA. Das macht wieder nur ein Zehntel und noch keinen Märchensommer. | |
5.) Ein Sechstel der DFB – Mitglieder sind Frauen. Selbst bei hohem | |
Zuwachs, den die Wiwo nicht preisgibt, fehlt da noch so viel, dass nichts | |
so schnell werden muss. | |
6.) Es sind bisher nur 4,5 Panini – Frauen – Tütchen verkauft worden. | |
Selbst wenn es 5.5 Mio. werden, verkaufte der italienische Sammelalbum – | |
Drucker 2006 160 Mio. Männer- Tüten. 3,4% also beschreibt die größte | |
Hoffnung, dass es nicht reicht, obwohl hier der Zuwachs am ungefährlichsten | |
für die Sünde sein könnte. | |
Ein Zahler | |
Das sagt auch Murphy im TAZZUM. „Finanziell ist es im Moment aber eher ein | |
Verlustgeschäft.“ Er tritt hier als Unternehmer auf. PHILIP D. MURPHY, 1957 | |
in Boston geboren, ist Harvard-Absolvent und seit August 2009 | |
US-Botschafter in Deutschland. Davor war er 23 Jahre lang bei der | |
Investmentbank Goldman Sachs tätig, das Privatvermögen des | |
Obama-Unterstützers wird auf 100 Millionen Dollar geschätzt. Murphy ist | |
Mehrheitseigentümer des Frauenfußballvereins Sky Blue FC. | |
Es gibt also Hoffnung, dass es nicht reicht. Das Frauenspiel müsste daher | |
spielerischer ausfallen können als das männliche. Die Ausnahme Barcelona | |
bestätigt die Regel Bayern M. Doch sie ist eher klein. Das der Französinnen | |
war schon auf dem Weg und dass der Kanadierinnen schon sehr weit entfernt | |
von Nigeria. Der andere Beginn wird immer wieder kassiert: | |
Jungsfreundlichkeit. | |
## Geschlechterdifferenz und Selbstbezug | |
Die Bande Geschlecht | |
Mich interessiert natürlich der Mann, sagt die Frau an der Ecke unerwartet. | |
Auch beim Frauenfußball. Das ist doch immer DAS Thema und nicht nur Eines! | |
Was immer wir auch daran schieben, es ist. Frauen spielen immer für Männer | |
und Männer selbstredend für sie. Zuerst oder gleichzeitig. Das kann Mensch | |
intellektualisieren, worauf der Kulturdiskurs ja eigentlich hinaus läuft – | |
aber er muss es wohl doch nicht. | |
Der Selbstbezug | |
Naja, wende ich ein, den exzellenten Abgang der Beatles bei cry baby noch | |
im Ohr, das Spiel mit sich über den Ball und den andern, der ihn nehmen | |
will, ist ganz eigen und besetzend. Da ist erst einmal für nichts anderes | |
Raum. Als die Nigerianerin den Ball herunterholt, von links auf den rechten | |
Fuß bringt, sich leicht zurücklegt, ausholt und mit Wucht abschießt, das | |
ist doch eine Erhebung extraordinaire. Das ist DAS Mensch. Dann kommen die | |
andern, Wirbel von Gattung. Dann kommt wahrscheinlich das Geschlecht, die | |
Mitfrau, die Frauschaft. Dann das Publikum. Dann – der, irgendein Mann? | |
Der der Männer | |
Hast Du mal Männer beim Volleyball gesehen, wie sie am Netz aufspringen, | |
den Ball schlagen, den Punkt machen, sich einander zuwenden, strahlend, mit | |
den Händen abklatschen, aufeinander, bis sich ihre Brustkästen berühren – | |
mit einem kolossal offenen Lächeln? Da ist alles drin für diesen Moment. | |
Das musst Du erst einmal woanders zustande bringen. Das klappt vielleicht | |
gerade, weil die Geschlechterspannung fehlt. Weil da originäre Mannrolle | |
funktioniert. Physis, ungestörte Kooperation, kein Diskursanreiz. Ich sehe | |
diese Art von Selbsthingabe, von Genuss des mehr bei Männern als bei | |
Frauen. Sie irgendwie darin, wie in einer Hängematte. Aber eben Nicht beim | |
Fußball! Da fallen sie in die Jungsrolle oder in die des unbekannten | |
Soldaten. Aber auch da wollen sie es eher zeigen – und nicht den Frauen. I | |
got it. Ich habe es gerafft. Messie spielt für sich und Barcelona auch mehr | |
als fast alle anderen. Der Rest ist, also Produktion im Gegensatz zu Spiel. | |
Reggae halte ich nur vermischt aus, als Crossover. Der eben war doch zu | |
viel Kinderschaukel und geht aus dem Bestand. Im Spielpark hinter der | |
Volksbühne fliegt ein Mädchen im weißen Kleid hoch und höher. Am | |
improvisiert eine Elektrogitarristin. Kein Fußball, nirgends. Nicht an | |
jeder Ecke public – viewing. Sommer vom schönsten. Chilenischer Merlot und | |
The wire tapper 17. | |
## Umschalten auf hart: Nigeria – Deutschland | |
Oder wie gewohnt und vom Schlimmsten | |
Da plötzlich wird alles anders. Oder wie gewohnt. Bei schlechten Spielen. | |
Und schlechten Schiedsrichtern. Sie hacken in die Beine, Knöchel, | |
Kniescheiben wie entfesselt. Sie sind wie ausgewechselt. Schwarzafrika | |
schaltet um auf hart. Ich hätte auch Grönland geflucht oder Deutschland. | |
Sie stellen nicht nur die Räume zu, sondern rennen die um. Es fehlt, sie | |
würden triumphierend schreien. Und Frau Südkorea lächelt, statt zu pfeifen. | |
Es fehlt an Professionalität und Kultur. Jetzt sind sie wie die Männer. | |
Fußballer. Holzer. | |
Spielverderbung | |
Sie setzen alle offensichtlich verbotenen Mittel ein, Ellbogen, Knie, die | |
Unterseiten der Fußballschuhe. Sie wollen siegen und missachten den andern. | |
Es sieht aus, als hassen sie ihn. Ich spüre schon, wie ich selbst das zu | |
hassen beginne. Es verdirbt das Spiel. Es zerstört wie so oft meine | |
Illusion. Frauenfußball ist Fußball, nicht mehr und nicht weniger und die | |
Millionen spielen noch gar nicht herein. Sie werden domestiziert werden, | |
aber sie brauchen den Dompteur. Das ist wie in Rom. Brot und Spiele. Jetzt | |
denke ich an, jetzt will ich, dass sie das rächen, dass sie Tore schießen, | |
den Ball rein knallen, zeigen, dass das kein Weg ist, diese Gewalt, sie | |
rausschießen. Sie müssen da durch. Es muss ausgewertet werden. Ich wünsche | |
ihnen eine Niederlage. Die Torfrau im fünf- Meter umgerannt. Keine Regel | |
wird eingehalten. Buschkrieg. Auch Frauenfußball, nein danke. Ein Skandal. | |
Dann endlich Ende. Sie sind raus! Gott sei dank. Sie haben bei mir | |
verschissen bis in die Steinzeit. Hier ist Krieg gewesen und ich hasse | |
Krieg. | |
Wie es kommt, dass es kommt | |
Beim Tischtennis im Soldiner Kiez habe ich eingeführt, dass zählt, wie | |
lange und gekonnt der Ball hin und her geht, ohne dass der andere | |
herausgeschossen wird. Es geht viel besser als sonst, mehr schöne Züge, | |
Chancen, Kooperation, Bestätigung als im Kampf darum, den Ball so auf die | |
Kante zu setzen, dass er andere ihn nicht kriegt. Solange spielen, bis | |
einer selbst den Ball nicht mehr halten kann, die Dynamik stärker ist. Ich | |
habe immer wieder gewusst und erlebt, dass Wettbewerb in Konkurrenz, | |
Konkurrenz in Kampf, Kampf in Angriff mit allen Mitteln und Angriff in | |
Krieg führt. | |
Entspannung. Den Puls herunter. Ein Spiel. Ein Spiel. Sport. Die Ausnahme. | |
Besser als noch ein wirklicher Krieg. Sie leben ja alle, keiner ist | |
verkrüppelt. Erst wenn Kommerz herein kommt, sagt der entfernte Nachbar, | |
geht es schief. Da ist doch noch kaum Kommerz drin, sage ich. Es sind schon | |
Millionen, kommt die Antwort zurück. Sie haben nicht nur Spiele zu gewinnen | |
und zu verlieren, sondern Geld, Perspektiven, Auswege, Hoffnungen, | |
Aufstiege. Das Spiel wird verspielt. | |
## 26. Juni: Die Differenz? | |
Ich dachte, die Eröffnungsfeier wird plötzlich auf einem großen Screen vor | |
der Volksbühne zelebriert, aber da ist eine junge Frau. Sie singt und | |
spielt in ein Band. Beides steigt in den Wind, der es unwiderstehlich zum | |
mir weht. Es klingt sphärisch, nicht von dieser Welt, also von der anderen. | |
Religion hat mich bis vor sechs Jahren nicht interessiert, Fußball erst | |
seit drei Jahren. | |
Über die Frauen ist hier nur in diesem einfachen oder doppelten | |
Zusammenhang zu sprechen. Was hinter der Volksbühne hervor hier ankommt, | |
ist ausreichend verzerrt. Fußball ist dagegen eher klar: Ball und Beine. | |
Das Frühstücksradio berichtet, sie sammelten bisher Männerportraits in | |
Mappen. Jetzt sind sie selbst zu sammeln und sie sammeln auch sich selbst. | |
Männer sammeln war bisher schöner. Das andere Geschlecht zieht | |
normalerweise an. Jetzt ist es das eigne. Nur wer sich selbst lieben kann, | |
gerät nicht in den Tauschzwang, wäre eine Botschaft. Wer sich nicht liebt, | |
gewinnt nicht gegen andere, die wichtigere. | |
Was ist die Differenz? Lieben Frauen anders? Spielen sie auch anders? Der | |
Busen hüpft, erklärt ein alter Mann im Radio. Das geht nicht. Er hat | |
wahrscheinlich noch nie Leichtathletik gesehen. Sport-BH und die Ganze | |
Körperbewegung. Er wird nicht regelmäßig in die Sauna gehen. | |
Die Grüne Roth sieht eine besondere Ästhetik in den Stadien und eine große | |
Öffentlichkeit. Ich befinde mich leicht leidend, wenn Frauen forsch | |
behaupten, sie seien schön, anstatt wenigstens Gymnastik zu machen, wenn | |
sie schon nicht Fußball spielen. Ich jedenfalls sehe nichts anderes, als | |
Frau Roth dann bleibt: jetzt wird die letzte Männerdomäne gestürmt. Wir | |
werden um volle Stadien kämpfen – Gut Holz. | |
## Straffer oder Schlaffer oder Lust an Sport? | |
Gegen 15h kommt die Sonntagssonne erstmals durch. „Das Stadion ist restlos | |
ausverkauft, 400.000 ZuschauerInnen fiebern dem Einlauf der Footballerinnen | |
entgegen. Die Spielerinnen rennen aufs Feld und das Gejohle wird bei ihrem | |
Anblick noch lauter, denn: Die 14 Football-Ladies tragen Helm und | |
Schulterschutz. Ihre knappen Höschen enden haarscharf an der | |
Schamhaargrenze, ihre Bustiers werden von überdimensionierten | |
Silikon-Brüsten gesprengt. Ihren Oberschenkel umfasst ein schwarzes Band. | |
Die Fans sind begeistert.“ [EMMA, Frühling 2010]. | |
Bei You Tube haben rund 205 000 Leute das Video der San Diego Seductions | |
angesehen. Die Frauen tragen weiße Sportdress. Die BHs beherrschen die | |
Oberweiten souverän. Sie trainieren, wie ich Training von meinem Enkel | |
kenne. | |
Mich erinnern Silikonbrüste spontan an Schwitters-Plastiken im Hamburger | |
Bahnhof und an steinzeitliche Mutterfiguren mit Fruchtbarkeitssymbolik. | |
Frau Schlaffer sieht in der Prinz-Installation in Frankfurt eine radikale | |
Provokation: „Auf dem Rasen treten Frauen auf, die sich benehmen, wie | |
Frauen sich nicht benehmen sollen: kämpferisch, mit verzerrtem Gesicht, | |
risikobereit, rüde und rücksichtslos gegen sich selbst. Sie bejubeln ihre | |
Tore und feiern ihre Siege mit Gebärden, die sich für Frauen nicht | |
schicken.“ Sie gehören zum Spiel, erklärt die Professorin. | |
Mein Ältester, der gestern in einer Potsdamer Straßenfußballmanschaft 80% | |
der Tore vorbereitet und vier Elfmeter abgewehrt hat, hat nichts kopiert, | |
wenn er den Arm hochreißt. Soll Frau das nicht so direkt gelingen? Eine | |
neue Etappe in der Emanzipation, stellt die Forscherin fest, sei Schulung | |
für Teamarbeit. „Mädchen lernen – das wuchernde Bildungsangebot zeigt es … | |
immer Fähigkeiten, die sie allein ausüben können.“ [Die Welt online, | |
25.6.11] Mannschaftsspiel also würde Frauen für einsame Führungspositionen | |
vorbereiten. Da würde bin ich durchaus als Frau durchgehen. Ich habe aber | |
seit einer Beziehung mit 68er Dynamik in den frühen 70er Jahren mein | |
Problem mit Frauen – Emanzipation: Es war einfach zu lange zu viel. Auch | |
ohne Fußball. | |
## Probespiel 1: Welch ein Lauf, welch ein Tor | |
Spielt Hertha, fragt die Nachbarin rechts verdutzt. Frauen-WM, sage ich | |
konzentriert. Sie weiß es nicht. Sie sieht auch keinen Männerfußball. Das | |
Endspiel vielleicht, erklärt die 12jährige Tochter der unteren Hauspartei. | |
Der Nachbar daneben ist nicht da. Ich bin anscheinend der einziger Viewer | |
des Auftaktspiels, obwohl ich das nicht vorhatte. Seit drei Jahren sehe ich | |
mit, wenn der Älteste kommt. Der ist Enthusiast. Das führte dann zu einer | |
leichten Ansteckung. Zur letzten WM jedenfalls ging ich zur Kulm in die | |
Herberge von Weissig an der Elbe, als die Deutschen spielten. Wenn sie ein | |
Bier trinken, bot die Wirtin an, schalte ich ein. Wir sahen dann zu zweit | |
das exzellente Spiel gegen England und zwei weitere. Wenn sie ausschieden, | |
stimmten die zwei Freundinnen der Frau jenseits des Kanals zu, dann würde | |
es reichen. Ich habe noch nie besseren deutschen Fußball gesehen. | |
Frankreich gegen Nigeria zum Auftakt. Zattoo will Geld für besseres Bild | |
ohne Werbung, aber ich sehe zu selten. Eigentlich nur Spitzensport. Also | |
Frauen-WM. Das Stadion gut gefüllt. Der Rasen grün. Nigeria in Weiß, bei | |
den Französinnen auch Schwarze. Die Weißen etwas athletischer, die | |
Frontfrau mit starken, geschmeidigen Bewegungen im Vormarsch. Dezidierter | |
Körpereinsatz, aber kein Checken, sondern eher beiseite schieben. Das sieht | |
kraftvoll und elegant aus. Sanft, aber entschieden und technisch perfekt. | |
Mit hohem Tempo vor dem Tor ist sie kaum zu bremsen. Zwei-, dreimal gelingt | |
der Abschluss nicht. Die Trainerin sieht das mit demonstrativer Ruhe. | |
Sie habe erst einmal die Lesben herausgenommen bei Übernahme des Amtes, | |
sagt der Reporter vorsichtig. Es müsste eigentlich 2:0 stehen, die zwei | |
Schiedsrichter-Fehlentscheidungen nicht mitgerechnet. Für Frankreich ist | |
der Trainer ein sanfter Mann. Er lächelt etwas ratlos von der Seitenlinie. | |
Die Kamera zeigt die grüblerische Stirn einer nicht eingesetzten | |
Starspielerin. Auf dem Rasen kommt dann die Torszene: Ein langer Pass, der | |
in die Strafraummitte weitergegeben wird, die konzentrierte Annahme und der | |
satte, unhaltbare Schuss. Jetzt läuft es mehr und mehr für Blau. Das | |
Publikum sei neutral und spielorientiert, kommentiert der Reporter. Die | |
Sympathien wechseln. Mir scheint doch, dass hier die Frauen besser | |
miteinander umgehen, weiblicher. | |
Zum Kämpfen gehört für mich das punktuelle Ausblenden des Mitspielers. Dann | |
wird der Körpereinsatz zum Check und der Check zum harten Rempler und der | |
Rempler zur Frustreaktion. Das kann ja noch alles kommen. Aber hier ist es | |
nicht. Hier kommt die französische Freude zeitverschoben und die | |
Nigerianerinnen klatschen freundlich. Also dann doch noch Deutschlands | |
Auftakt. | |
27 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Reinfried Musch | |
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