# taz.de -- Neuregelung Organspende: Steinmeiers Startschuss | |
> Rund 12.000 Menschen warten in Deutschland auf ein Spenderorgan. Mit der | |
> Debatte um eine Neuregelung des Gesetzes kommt das Thema wieder auf die | |
> Agenda. | |
Bild: Neue Niere: Etwa 12.000 Menschen warten in Deutschland auf eine lebenrett… | |
BERLIN taz | Die Diskussion ist nicht neu, deswegen aber nicht weniger | |
dringlich. In Deutschland fehlen Spenderorgane, und das nicht zu knapp. Auf | |
etwa 1000 schätzt die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) die Zahl | |
der Patienten, die pro Jahr sterben, weil sie kein neues Herz, keine neue | |
Leber oder Niere implantiert bekommen. | |
Um die Zahl der Spender zu erhöhen, schaltet sich jetzt die Politik ein. | |
Ein neues Gesetz muss her, darüber sind sich wohl die meisten einig. | |
Weniger Harmonie herrscht allerdings bei der Frage, wie das Regelwerk | |
aussehen soll und nach welchen Kriterien man die Bürger dazu bringt, sich | |
mit dem Thema auseinanderzusetzen. | |
Um ethische und rechtliche Fragen zu klären, findet am Mittwoch eine | |
Anhörung im Gesundheitsausschuss statt. Transplantationsexperten, | |
Medizinethiker und auch die Kirche sollen Stellung beziehen. "Noch ist das | |
Verfahren vollkommen offen", sagt die Vorsitzende des Ausschusses, Carola | |
Reimann der taz. Damit will sie dem Eindruck entgegenwirken, es gebe längst | |
eine Mehrheit für eine Lösung. | |
Immerhin, es gibt zwei grundsätzliche Richtungen: Eine, die auf der | |
einmaligen Entscheidung der Bürger für oder gegen die Organspende basiert. | |
Das setzt voraus, dass sich jeder – gezwungenermaßen – mit dem unliebsamen | |
Thema befasst. Diesen Zwang zu einer Entscheidung in die ein oder andere | |
Richtung findet nicht jeder gut. Allen voran die FDP, die auf das Recht | |
pocht, sich auch einfach mal nicht entscheiden zu müssen. Ein anderer | |
Ansatz will Organspenden zur Regel machen. Für diese "erweiterte | |
Widerspruchsregelung" plädiert etwa Bayerns Gesundheitsminister Markus | |
Söder. Jeder Bürger ist also automatisch Spender, solange er sich nicht | |
ausdrücklich dagegen ausspricht. Auch einige seiner Kollegen aus den | |
Ländern wollen diese Initiative unterstützen. | |
## Steinmeiers Nierenspende Auslöser | |
Die lauteste Unterstützung gibt es bisher für die erste Richtung, die | |
Entscheidungs- oder Erklärungslösung. Unionsfraktionschef Volker Kauder hat | |
bereits angekündigt, einen entsprechenden Gruppenantrag vorzulegen. Wenn es | |
nach ihm geht, muss sich jeder Bürger einmal entscheiden, ob er Organe | |
spenden will oder nicht. Die Information darüber soll dann im | |
Personalausweis, dem Führerschein oder der Krankenversicherungskarte | |
gespeichert werden. Auch SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier will | |
mitmachen – was nicht verwundert, denn er selbst hat bereits ein Organ | |
gespendet. | |
"Steinmeiers Nierenspende an seine Frau vor etwa einem Jahr hat das ganze | |
Thema erst losgetreten", sagt Reimann. Zwar gibt es seit einem Jahr eine | |
EU-Direktive, die vorschreibt, dass Deutschland bis Mitte 2012 ein neues | |
Gesetz vorlegen muss. Aber, so die Ausschussvorsitzende, motional sei das | |
Thema seit Steinmeiers Spende wieder auf der Agenda. | |
Das freut auch die DSO. "Durch die Debatte über eine mögliche | |
Gesetzesänderung rückt das Thema erfreulicherweise wieder stärker ins | |
öffentliche Bewusstsein", sagte der medizinische Vorstand Günter Kirste der | |
taz. Und schiebt hinterher: Eine Gesetzesänderung allein sei aber nicht das | |
Patentrezept gegen den Organmangel. "Noch wichtiger sind strukturelle | |
Veränderungen und mehr Verbindlichkeit in der Zusammenarbeit aller an der | |
Organspende beteiligten Partner." Kirste fordert bundeseinheitliche und | |
verbindliche Rahmenbedingungen für die Verpflichtung der Krankenhäuser, | |
potentielle Organspender zu erkennen und zu melden. Auch will er den | |
Einsatz von Transplantationsbeauftragten in jedem Krankenhaus geregelt | |
wissen. Alles Dinge, an denen es noch zu feilen gilt. | |
"Technische Details", wie es Carola Reimann nennt. Zuerst steht die | |
grundsätzliche Entscheidung, wie man die Zahl der potenziellen Organspender | |
erhöhen kann. Die Anhörung am Mittwoch soll als Grundlage für die | |
Gruppenanträge dienen, die parteiübergreifend zu dem Thema erarbeitet | |
werden. | |
Die SPD-Gesundheitsexepertin erwartet eine kontroverse Debatte, bei der | |
Anhörung am Mittwoch und in den kommenden Wochen. | |
28 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Steffi Doebmeier | |
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