# taz.de -- Kommentar Organspende-Reform: Zur Entscheidung gezwungen | |
> Die Frage der Organspende soll nicht länger Privatsache bleiben. Künftig | |
> soll der Staat jeden Bürger fragen und die Antwort dokumentieren. Das ist | |
> legitim. | |
Die Kluft zwischen prinzipieller Bereitschaft und tatsächlichem Verhalten | |
ist riesig: 70 Prozent der Deutschen sind bereit, nach ihrem Tod Organe | |
oder Gewebe zu spenden. Aber nur 17 Prozent haben das in einem | |
Organspendeausweis dokumentiert. Obwohl der Aufwand gering ist, werden nur | |
wenige aktiv. | |
Erstaunlich ist das nicht. Denn vor der Entscheidung, was mit dem eigenen | |
Körper nach dem Tod passieren soll, scheuen selbst Menschen zurück, die | |
sich als aufgeklärt bezeichnen würden. Bei anderen mit dem Tod behafteten | |
Fragen - siehe Patientenverfügung oder Testament - verhält es sich ähnlich. | |
Der Tod ist immer noch ein gesellschaftliches Tabuthema. | |
Deswegen ist die Initiative des Unionsfraktionschefs Volker Kauder richtig. | |
Die Frage der Organspende soll gesellschaftlich breit und | |
fraktionsübergreifend - und damit hoffentlich politisch ehrlich - | |
debattiert werden. Endlich. Wer je um einen todkranken Angehörigen oder | |
einen Freund gezittert hat, dessen einzige Rettung eine fremde Niere oder | |
ein fremdes Herz war, für den ist es unerträglich, dass von 12.000 | |
Patienten, die in Deutschland auf ein Spenderorgan warten, jährlich 3.000 | |
sterben. Unter anderem, weil viele Menschen ihre generelle Bereitschaft zur | |
Organspende nicht dokumentiert haben. | |
Dazu will Kauder sie jetzt zwingen - zu Recht. Was er mit seiner | |
Gesetzesinitiative vorhat, ist ein Paradigmenwechsel: Die Frage der | |
Organspende soll nicht länger reine Privatsache bleiben. Künftig soll der | |
Staat jeden Bürger fragen, ob er Organspender sein möchte, und die Antwort | |
dokumentieren. In anderen europäischen Ländern ist dies längst Praxis - und | |
hat viele Leben gerettet. | |
Diese staatliche Einmischung ist legitim: Man kann schließlich auch Nein | |
sagen zur Organentnahme nach dem Tod. Der Zwang besteht lediglich darin, | |
sich zu dieser Frage zu verhalten. Man könnte auch sagen: Der Staat nimmt | |
seine Bürger, die stets auf Selbstbestimmung pochen, ernst. | |
11 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |