# taz.de -- Kommentar Organspende: Der Zwang, sich zu entscheiden | |
> Zufrieden ist mit dem deutschen Organspendegesetz schon lange keiner | |
> mehr. Eine Neuregelung steht an. Zuallererst aber müssen sich die Bürger | |
> mit dem Thema befassen. | |
Bild: In Deutschland gibt es zu wenige Spenderorgane. | |
Zugegeben: Es gibt Erfreulicheres und Angenehmeres als das Thema | |
Organspende. Wer will sich schon im Zustand bester Gesundheit mit dem Tod | |
befassen - noch dazu mit dem eigenen? Wie bei so manch anderen Dingen gilt | |
auch hier für viele: Solange es mich nicht betrifft, interessiert es mich | |
auch nicht. | |
Die Folge ist ein erheblicher Mangel an potenziellen Organspendern, seit | |
Jahren klagen die Ärzte darüber. Im Schnitt sterben pro Tag drei Menschen, | |
weil sie auf ein Organ warten, das ihr geschädigtes ersetzt. Und das, | |
obwohl die große Mehrheit der Deutschen ihre grundsätzliche Bereitschaft | |
erklärt, eine Niere, das Herz oder die Lunge zu spenden. Theoretisch | |
jedenfalls. | |
Diese Theorie hilft in der Praxis aber nicht. Denn wenn am Ende nicht | |
einmal jeder Vierte einen Organspendeausweis mit sich trägt, besteht | |
dringender Handlungsbedarf. Deshalb ist es sinnvoll, die Menschen im | |
Zusammenhang mit der Neuregelung der Organspende nun mit dem Kopf darauf zu | |
stoßen. Denn anders, so zeigt es die Realität, verwandelt sich die | |
grundsätzliche Bereitschaft nicht in eine Entscheidung auf dem Papier. Das | |
Konzept der sogenannten Erklärungslösung, bei der sich jeder konkret für | |
oder gegen eine Organspende aussprechen muss, ist ein notwendiger Schritt. | |
Auch wenn er für manche wie ein politisch aufgedrückter Zwang anmuten mag. | |
Das Bewusstsein der Menschen wird sich nur schärfen, wenn sie sich mit dem | |
Thema befassen. Oder eben befassen müssen. Sie haben bislang kein | |
Verständnis, keinen Zugang zur Problematik. Sie sind verunsichert. | |
Wenn nun also ein gesetzlich verordneter Denkanstoß hilft, dass die Bürger | |
das Themas kritisch hinterfragen, sich ihre persönliche Meinung bilden - | |
basierend auf eigenen Erfahrungen, religiösen Ansichten und medizinischem | |
Verständnis -, dann ist das nur zu begrüßen. Selbst wenn sich am Ende dann | |
nicht jeder für eine Organspende entscheidet. | |
28 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Steffi Dobmeier | |
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