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# taz.de -- Konstitution türkisches Parlament: Abgeordnete verweigern Amtseid
> Fehlstart im türkischen Parlament: Wegen eines Justizstreits weigerten
> sich Abgeordnete zweier Fraktionen, ihren Amtseid abzulegen. Die Kurden
> kamen erst gar nicht.
Bild: So mancher Sitz blieb leer: Wegen eines Justizstreits boykottierten am Di…
ISTANBUL taz | Das türkische Parlament hat am Dienstag einen spektakulären
Fehlstart in die neue Legislaturperiode nach der Wahl am 12. Juni
hingelegt. Bei der konstituierenden Sitzung am Dienstag weigerten sich die
Abgeordneten von zwei der vier im Parlament vertretenen Parteien, ihren Eid
abzulegen, die ParlamentarierInnen der kurdischen BDP boykottierten die
Sitzung gleich ganz.
Der Grund für die Weigerung der Abgeordneten der sozialdemokratischen CHP
und der kurdischen BDP, ihren Eid abzulegen, ist eine Justizaffäre, die
dazu geführt hat, dass neun gewählte Abgeordnete nicht ins Parlament
einziehen dürfen. Es geht um sechs unabhängige Abgeordnete, die von der BDP
unterstützt werden, zwei von der CHP und einen Vertreter der
nationalistischen MHP.
Alle neun sitzen in Untersuchungshaft, sechs sind angeklagt, aktive
Sympathisanten der PKK zu sein, die anderen drei sind in das
Ergenekon-Verfahren involviert. Bei allen neun hatten die zuständigen
Gericht entschieden, die gewählten Volksvertreter dürften wegen
Fluchtgefahr das Gefängnis nicht verlassen, obwohl die Hohe Wahlkommission
sie zuvor als Kandidaten akzeptiert hatte.
Die BDP hatte schon Ende vergangener Woche angekündigt, dass sie das
Parlament so lange boykottieren will, bis ihre sechs Abgeordneten aus der
U-Haft entlassen werden und ihren Sitz einnehmen können. Mit Spannung war
dagegen die Entscheidung der größten Oppositionspartei CHP erwartet worden.
Eine Stunde vor Beginn der Parlamentssitzung verkündete Parteichef Kemal
Kilicdaroglu, man werde zwar an der Eröffnungssitzung des Parlaments
teilnehmen, die CHP-Abgeordneten würden aber ihren Eid nicht ablegen.
Lediglich die nationalistische MHP beteiligte sich neben der regierenden
AKP an der Vereidigung der Abgeordneten, obwohl auch einer ihrer
Volksvertreter weiterhin in U-Haft sitzt.
Das Parlament ist dennoch formal arbeitsfähig, weil die Abgeordneten von
AKP und MHP zusammen mehr als zwei Drittel der Stimmen ausmachen. Eine
sinnvolle Parlamentsarbeit ist aber auf Dauer so nicht möglich.
Oppositionsführer Kilicdaroglu will sich deshalb am Mittwoch mit dem neuen
Parlamentspräsidenten Cemil Cicek darüber sprechen, was das Parlament tun
kann, damit alle gewählten Abgeordneten bald im Hohen Haus Platz nehmen
können. Die CHP will das Parlament nicht boykottieren, sondern möglichst
bald zur Normalität zurückkehren.
Das sieht bei den Kurden anders aus. Sie sehen sich vielfach in der Annahme
bestätigt, im "türkischen" Parlament sowieso nicht willkommen zu sein. Ihre
Sprecherin, Yürtun Kisanak, kündigte an, man werde ab sofort als
parlamentarische Gruppe jede Woche in Amed - der kurdische Name von
Diyarbakir, der größten Stadt im kurdisch besiedelten Südosten - tagen.
Viele Beobachter befürchten, dass der verunglückte Auftakt zur neuen
Legislaturperiode dazu führen könnte, dass die Kurden sich mehr und mehr
aus den Strukturen des Staates zurückziehen.
28 Jun 2011
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
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