# taz.de -- Bewertung von Internet-Unternehmen: Die Facebook-Blase | |
> Twitter soll 7 Milliarden, Facebook sogar 70 Milliarden Dollar wert sein. | |
> Genau weiß das niemand. Ob Top oder Flop: Viele Anleger werden Geld | |
> verlieren. | |
Bild: Wehe, wenn sie platzt: Kaugummiblase. | |
Das Netzwerk Twitter ist nicht nur bei seinen Nutzern beliebt. Nach | |
Informationen des Wall Street Journals haben sich Investoren jüngst | |
geradezu darum gerissen, Anteile an der Firma zu bekommen. Das drückt sich | |
in der Bewertung aus: Die liege mittlerweile bei bis zu 7 Milliarden Dollar | |
(4,9 Milliarden Euro), schrieb die Zeitung am Dienstag unter Berufung auf | |
eine eingeweihte Person. | |
Twitter, so das Wall Street Journal, habe bei einer neuen | |
Finanzierungsrunde mehrere hundert Millionen Dollar an frischem Geld | |
eingesammelt. Das letzte Mal hatte das Unternehmen im Dezember neues | |
Kapital eingesammelt - und war damals mit 3,7 Milliarden Dollar bewertet | |
worden. | |
Mit dieser Bewertung steht Twitter nicht alleine. "Facebook ist ein | |
einmaliges Geschäftsmodell, das enorme Netzwerkeffekte erzeugt hat", | |
[1][erklärt Michael Moe], Chef der Anlagefirma GSV Capital. "Mit über 650 | |
Millionen Mitgliedern, also zirka einem Zehntel der Weltbevölkerung, hat | |
sich Facebook als Kommunikationsplattform der nächsten Generation | |
etabliert." | |
Moe ist voll des Lobes, schließlich hat er gerade 15 Prozent des Vermögens | |
seiner Firma in Facebook-Anteile investiert. 225.000 Anteilsscheine zum | |
Preis von insgesamt 6,5 Millionen Dollar. US-Journalisten haben schnell die | |
Rechnung aufgemacht: Würde man alle Facebook-Anteile zu dem gleichen Preis | |
wie GSV Capital aufkaufen, wäre das Unternehmen 70 Milliarden Dollar wert. | |
Ein Schnäppchen – schließlich hat der US-Fernsehsender jüngst mit Berufung | |
auf anonyme Insider verbreitet, das soziale Netzwerk werde beim [2][für | |
2012 erwarteten Börsengang] 100 Milliarden Dollar erlösen. | |
Im Januar hatte die Investment-Bank Goldman-Sachs zusammen mit einem | |
russischen Investor Facebook-Anteile für 500 Millionen Dollar übernommen | |
und damit den hypothetischen Preis des Unternehmens auf 50 Milliarden | |
hochgeschraubt – dafür erhielt die US-Bank das Recht, weitere Anteile an | |
ausgesuchte Investoren zu verkaufen. Hat GSV Capital also ein Schnäppchen | |
gemacht? | |
Die Bilanzen von Facebook liegen bisher nicht offen – ob das Unternehmen | |
auf Dauer überhaupt Gewinn machen kann, ist unklar. Zumindest der Markt | |
glaubt dies: Die Aktien von GSV Capital stiegen nach der Bekanntgabe des | |
Facebook-Geschäfts sprunghaft um über 40 Prozent an. Ob die Aktionäre | |
tatsächlich an Facebooks Geschäftsmodell glauben oder nur beim lange | |
hinausgezögerten Facebook-Verkauf Kasse machen wollen, ist unklar. | |
## Kurs-Monopoly | |
Ist das Kurs-Monopoly ein Zeichen einer neuen Internet-Blase, die nach | |
einem Strohfeuer im Silicon Valley Billionen Dollar Anlagevermögen in | |
Nichts verwandelt? Einige Anzeichen sprechen dafür. So sind Investoren | |
wieder bereit Millionensummen in Geschäftsideen zu stecken, die sich als | |
nicht rentabel erweisen. Das US-Startup Color konnte beispielsweise im März | |
41 Millionen Dollar von Investoren einsammeln, um eine neue iPhone-App zum | |
Bilderteilen zu veröffentlichen. | |
Das Produkt fiel bei der Zielgruppe durch, das Geld scheint verloren. Doch | |
hier haben vor allem Risikokapitalgeber Verluste gemacht, die sich an | |
Dutzenden von Firmen beteiligen. Entpuppt sich nur eines ihrer Investments | |
als Milliardengeschäft, machen diese Investoren ihren Schnitt. | |
Gefährlich für die Wirtschaft wird es, wenn institutionelle Anleger und | |
Banken sich von dem Kurs-Hype anstecken lassen. So hatte zum Beispiel die | |
WestLB über 400 Millionen Euro in den britischen Fernseh-Verleih Boxclever | |
versenkt, die Kosten dieser und weiterer Fehlinvestitionen [3][muss nun der | |
Steuerzahler] tragen. | |
Letztlich kommt es darauf an, ob der Markt in seiner ständigen Suche nach | |
lohnenden Investments noch zur Selbstkontrolle fähig ist. Die | |
100-Milliarden-Bewertung von Facebook scheint dies kaum zu rechtfertigen: | |
das Unternehmen wäre damit mehr wert als die Deutsche Bank oder | |
Autokonzerne wie BMW. | |
## Beispiel MySpace | |
Würden beim Marktführer Facebook wie beim vormaligen Konkurrenten MySpace – | |
im Jahr 2005 für aufsehenerregende 580 Millionen Dollar gekauft, nun für 35 | |
Millionen Dollar wieder verkauft - plötzlich die Kunden ausbleiben, bliebe | |
wenig mehr übrig als einige Rechenzentren, hoch bezahlte Angestellte und | |
die Daten von Hunderten Millionen Nutzern. Nicht zufällig werden die immer | |
höheren Facebook-Bewertungen von den Kreisen gestreut, die von einem hohen | |
Börsenkurs profitieren würden. | |
Zudem schläft der Wettbewerb nicht. Google ist zwar in der Vergangenheit | |
damit gescheitert, einen Facebook-Konkurrenten zu schaffen; ob der neue | |
Versuch mit dem Netzwerk [4][Google+] Erfolg haben wird, lässt sich noch | |
nicht sagen. In den gewinnversprechenden Märkten wie der lokalisierten | |
Werbung auf Mobiltelefonen haben sich Apple und Google jedoch mit ihren | |
Smartphone-Plattformen bereits gut positioniert. Ob der lange erwartete | |
Einstieg von Facebook ins Musikgeschäft relevante Gewinne einbringen | |
könnte, ist dagegen fraglich. | |
Gedämpft werden die Erwartungen nun von den Börsengängen anderer | |
Unternehmen. So hat der bis heute defizitäre US-Streaming-Dienst Pandora | |
bei seinem Börsendebut Mitte Juni den Ausgabekurs von 16 Dollar am ersten | |
Tag um 10 Dollar steigern können, heute wird das Papier jedoch wieder mit | |
16 Dollar gehandelt. Das Geschäftsnetzwerk LinkedIn hingegen ist nach einem | |
anfänglichen Kursfeuerwerk, der den Preis der Aktie auf über 120 Dollar | |
steigerte, wieder auf unter 80 Dollar abgestürzt. Gegenüber dem Ausgabekurs | |
von 45 Dollar ist dies jedoch immer noch ein satter Gewinn. Setzen die | |
Aktien jedoch ihren Sinkflug fort, könnten Anleger auch bei Facebook | |
misstrauisch werden. | |
6 Jul 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://investors.gsvcap.com/releasedetail.cfm?ReleaseID=587309 | |
[2] /1/netz/netzoekonomie/artikel/1/facebook-100-milliarden-dollar-schwer/ | |
[3] /1/zukunft/wirtschaft/artikel/1/westlb-wird-restlb/ | |
[4] http://plus.google.com | |
## AUTOREN | |
Torsten Kleinz | |
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historisch hoher Wert. |