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# taz.de -- Landesvertretung Baden-Württemberg: Langsam dreht sich der Aueroch…
> Das erste Sommerfest der grün-roten Landesregierung sieht aus wie eine
> Leistungsshow der Autoindustrie. Was ist da bloß schiefgelaufen?
Bild: Winfried Kretschmann plauderte mit Alfred Biolek auf dem Sommerfest der L…
BERLIN taz | Die Automobilindustrie hat groß aufgefahren: Ein neongelber
Sportwagen ruht hinter dem Eingang der Landesvertretung Baden-Württembergs,
die Flügeltüren weit aufgerissen. Daneben kauert ein zweiter, in
gefährlichem Mattschwarz lackierter Bolide. Ein Anzugträger mit fein
gebundener Krawatte sitzt mit glänzenden Augen in einem Fahrsimulator und
lässt sich von einer Hostess die Armaturen erklären.
Kurz fragt man sich, ob man versehentlich auf der falschen Veranstaltung
gelandet ist. Nicht beim - erstmals von Grün-Rot ausgerichteten -
Sommerfest, sondern bei der Jahresversammlung des ADAC. Deutschlands erster
grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann beglückt 2.000 Gäste mit
einer PS-Leistungsshow?
Im Garten, zu dem lustige Autobahnschilder den Weg weisen, dann die
Bestätigung. Hier feiern tatsächlich die Grünen. Renate Künast und Jürgen
Trittin nehmen am besten Tisch direkt vor der Bühne Platz, scherzen und
winken in die Runde, Claudia Roth, die Parteichefin, ist auch da. Ein
Dutzend Kameraleute drängelt sich zwischen den Bänken, um das beste Bild zu
erhaschen.
Als Kretschmann auftritt, wird der Ellenbogenkampf unübersichtlich. Wegen
des Regierungswechsels sei das Interesse viel höher als sonst gewesen, sagt
die Pressestelle der Vertretung. Nils Schmid - SPD-Superminister für
Finanzen und Wirtschaft - kommt wenig später. Er muss sich durch die Meute
quetschen, tippt Kretschmann auf die Schulter wie ein Mitarbeiter, der auch
noch mit am Tisch sitzen will. Auf der Bühne spricht Alfred Biolek, noch
76, begrüßende Nettigkeiten und ist etwas pikiert, weil keiner zuhört.
## Die Reaktion des neuen, grünen Landesvaters: "Passt!"
Dann kommt es zum ersten Höhepunkt: Biolek kündigt eine Automobilsymphonie
an und räumt vorsichtshalber schnell die Bretter. Dort stellen sich jetzt
Männer mit ernsthaften Mienen um einen Oldtimer auf, der Dirigent hebt den
Taktstock. Rhythmisch schlagen die Musiker Türen auf und zu, klickern mit
Stöcken über die Speichen der Räder. Besonders der Herr an der
Kofferraumklappe wächst über sich hinaus. "Solange man Autos nur dafür
verwendet, ist das ja super", lästert eine Grüne. Hinter ihr dreht sich
langsam ein Auerochse über einem Riesengrill, dessen CO2-Ausstoß wohl nahe
an dem eines Inlandsfluges liegt.
Die Grünen-ChefInnen unterhalten sich so angestrengt, als ob ihnen die
Percussion-Performance etwas peinlich ist. Sie können nichts dafür. Das
Motto - 125 Jahre Automobil - hatte noch die schwarz-gelbe
Vorgängerregierung geplant. Das Fest ist Mappus späte Rache. Kretschmann,
der Neue, erzählt am Mikrofon, er werde ständig gefragt, was er von der
Planung halte. Sekundenlange Kunstpause. "Passt", schwäbelt der Mann mit
Bürstenhaarschnitt. Schließlich müssten Autos grüner werden.
Über den Garten ist ein Dach aus Folie gespannt, der Treibhauseffekt ist
fürchterlich. Schweißnasse Christdemokraten schwofen am späten Abend mit
Grünen. "Unter uns war hier mehr los", ruft einer. "Wir hätten zu Gotthilf
Fischer auf den Tischen getanzt." Selbst der ökologische Wandel kam nicht
zu kurz, beteuert die Pressesprecherin. Das Fest produzierte 300 Tonnen
CO2, diese wurden aber durch Aufforstungen in Panama ausgeglichen. Und die
Boliden am Eingang? Fahren mit Elektroantrieb. Wenn Schwarz-Grün nur immer
so segensreich zusammenwirkte.
8 Jul 2011
## AUTOREN
Ulrich Schulte
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