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# taz.de -- Megaspree-Parade in Friedrichshain-Kreuzberg: Der gutgelaunte Prote…
> Rund 2.000 ziehen feiernd durch Kreuzberg und Friedrichshain. Sie
> erinnern an den Bürgerentscheid von vor drei Jahren
Bild: Dicht gedrängt und bunt gemischt: Teilnehmer bei der Spreedemo am Samstag
Die Menschen strömen aus allen vier Richtungen auf den Platz. Zehn
Protestwägen warten in der Petersburger Straße auf den Start der
Megaspree-Parade. Es ist Samstag, seit 16 Uhr sollte die Demo laufen. Aber
so eilig hat es niemand. 24 Grad, die Sonne scheint - alles perfekt für
eine Sommerdemo.
Ein älterer Mann hält wolkenförmige Schilder in der Hand: "Gemeingüter"
steht auf dem einen, "schützen" auf dem anderen. Er umarmt zur Begrüßung
eine Frau mit orangefarbener Fahne: "Da haben wir ja doch eine Attac-Flagge
heute!" Vom Wagen der "Hanfparade" wummern elektronische Beats. Ein Mann
mit schwarzer Sonnenbrille hält eine Bierflasche in der Hand, wippt zum
Reggae aus dem orangen Auto mit der Flagge der Piratenpartei und grinst.
"Gleich um 17 Uhr gehts los", verkündet Rainer Wahls vom Stadtteilbüro
Friedrichshain. Er steht neben einem blaugelben alten russischen Laster mit
gelbem Sonnenschirm, rotem Baldachin, Musikanlage und zwei großen schwarzen
Lautsprechern auf dem Anhänger. Wahls mit seiner runden Brille und dem
blauen gemusterten Haarband stimmt die Demonstranten ein und brüllt ins
Mikrofon: "Seid laut, wir erobern uns heute die Stadt zurück, weil sie uns
gehört."
Vor drei Jahren hatten 30.000 Menschen beim Bürgerentscheid in
Friedrichshain-Kreuzberg gegen das Investorenprojekt Mediaspree gestimmt.
Sie hatten einen 50 Meter breiten, unbebauten Uferstreifen an der Spree
verlangt, sich gegen neue Hochhäuser und weitere Veräußerungen von
landeseigenen Grundstücken ausgesprochen. Danach haben sich die
Bürgerinitiativen von damals mit dem Bezirk in einem Ausschuss
zusammengesetzt.
"Aber dann sind wir 2009 ausgestiegen, weil wir die Beschlüsse nicht
mittragen wollten", sagt Carsten Joost von Mediaspree versenken!, bis heute
einer der Hauptorganisatoren. "Wir wollen heute mit dieser Parade weiter
öffentlich Druck machen gegen den Senat und die Umsetzung geplanter
Projekte", so Joost. Das Investorenprojekt Mediaspree sei mittlerweile zwar
auch aufgelöst, aber die Bebauung der verkauften Grundstücke gehe weiter.
Der Verkauf der landeseigenen Grundstücke auch. "Einige Kompromisse gab es,
aber nicht zufrieden stellend. Wir wollen Druck bei den Investoren machen,
damit sie mit sich verhandeln lassen", erklärt Joost, "wir müssen bremsen,
wo es geht".
Die Demonstranten lassen sich ihre gute Laune nicht verderben. "Ich bin
hier wegen der hohen Mieten, aber wütend sein bringt nichts. Lieber tanzen
statt randalieren", meint Stefan, 43, aus Friedrichshain. Der Protestzug
biegt in die Nebenstraße. Anwohner schauen von ihren Balkonen, zwei
Menschen stehen in der Rigaer Straße auf einem Hausdach und prosten sich
zu. Ein junger Mann und eine junge Frau tragen einen als Gebäude bemalten
Karton an einem Holzstock. Auf der einen Seite steht "O2", auf der anderen
"Kommerz", auf dem Dach sitzt ein "Mercedes-Stern". Sie protestieren gegen
die schon gebaute O2 Arena und das daneben geplante Mercedes-Hochhaus. Ganz
am Anfang der Spreeparade fährt ein Wagen mit der Aufschrift "Spreeufer für
alle, steigende Mieten stoppen", daneben hält eine junge Frau ein rundes
Schild hoch in die Luft "Bürgermeister Schulz. Hilfe, rette das YAAM!".
Doch der angesprochene Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz
Schulz (Grüne), sieht sich in einer Zwickmühle. "Der Bürgerentscheid ist
ein Auftrag für mich", so Schulz, "aber manchmal kann ich nur 80 Prozent
und nicht 100 Prozent herausholen." Der rot-rote Senat habe sich klar und
aggressiv für den Schutz der Investoren ausgesprochen, bedauert Schulz. Auf
dem Grundstück, wo bis vor Kurzem der Club Maria am Ostbahnhof war, will
ein Investor ein Hotel bauen. Schulz versuchte im Sinne des
Bürgerentscheids zu verhandeln. Dann drohte ihm die Senatsverwaltung für
Stadtentwicklung das Planungsrecht zu entziehen. So ging er lieber einen
Kompromiss ein, statt gar nicht mitzubestimmen: 50 Prozent des Geländes
bleiben nun öffentlich nutzbar, aber nicht die Spreeuferseite. Für Franz
Schulz sei das besser als nichts.
"Faule Kompromisse, Aufwertung und Verdrängung" seien da, tönt es hingegen
bei der Abschlusskundgebung am Straulauer Platz. Rund 400 der
zwischenzeitlich rund 2.000 Teilnehmer lauschen. Der Rest feiert weiter bei
den anderen Wägen zur guten Musik.
Uta Schwarz muss bei vielen Redebeiträgen grinsen. Die 33-Jährige ist schon
das dritte Mal bei der Spreeparade. Das meiste, was gesagt wird, hat sie
auch in den Vorjahren gehört. "Ich musste selbst wegen steigenden Mieten
von Prenzlauer Berg und aus Friedrichshain wegziehen", erzählt sie. "Ich
bin immer dabei, wenn es um die Erhaltung von Kultur geht. Beim
Bürgerentscheid habe ich auch mitgestimmt", sagt Schwarz, "heute will ich
einfach Präsenz zeigen, auch wenn die da oben sowieso machen, was sie
wollen!"
17 Jul 2011
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