# taz.de -- Finanzkrise treibt Immobilienpreise: Hilfe, die Spekulanten kommen! | |
> Die Finanzkrise hat nun auch die deutschen Großstädte erreicht – und zwar | |
> in Form von rasant steigenden Immobilienpreisen. Vor allem Berlin ist | |
> betroffen. | |
Bild: Kunstwerk "Molecule Man" an den "Treptowers" in der Spree zwischen Berlin… | |
BERLIN taz | Der Kauf eines Eigenheims war für viele Berliner lange Zeit | |
kein Thema. Wozu auch? Die Mietpreise waren in den meisten Ecken moderat, | |
das Angebot groß, und als Mieter ist man sehr viel flexibler. Je nach | |
Lebenslage konnte man das eine Jahr in einem der belebten Szenekieze | |
wohnen, um sich im nächsten Jahr im Grünen etwas zu suchen. | |
Doch diese Zeiten sind vorbei. Wohnungen werden auch in der deutschen | |
Hauptstadt knapp, die Preise steigen rasant, die Suche wird immer | |
schwieriger – und Schuld daran ist nicht zuletzt die Finanzkrise. | |
Angesichts fallender Aktienkurse, Inflationsangst und der Herabstufung von | |
einst als sicher geltenden Staatsanleihen drängt es Anleger stattdessen auf | |
den Immobilienmarkt. In allen großen deutschen Ballungszentren sind die | |
Preise für Häuser und Wohnungen im vergangenen Jahr drastisch gestiegen, | |
mit bis zu 30 Prozent vor allem in den zentralen Lagen von Berlin, Hamburg | |
und München. "Man kann grundsätzlich sagen, dass die Verunsicherung wegen | |
der Finanzkrise groß ist und Anleger nicht nur in Gold flüchten, sondern | |
zunehmend auch in Beton", sagt Karl Brenke vom Deutschen Institut für | |
Wirtschaftsforschung (DIW). Immobilien gelten als sicher vor Inflation. | |
## Investoren europaweit auf der Suche | |
Doch nicht nur deutsche Anleger flüchten in Immobilien. Die | |
Staatsschuldenkrisen in Südeuropa und die damit einhergehende Unsicherheit | |
auf den Finanzmärkten haben dazu geführt, dass Investoren europaweit auf | |
der Suche nach Anlageprodukten sind, die eine sichere Rendite versprechen. | |
Deutschlands Gesamtwirtschaftslage gilt im europaweiten Vergleich als | |
stabil, und der deutsche Immobilienmarkt wiederum als verhältnismäßig | |
günstig. Nicht zuletzt auch viele Südeuropäer fürchten eine Geldentwertung | |
und haben es auf Sachwerte in Deutschland abgesehen. Im bislang | |
vergleichsweise wirtschaftsschwachem Berlin macht sich der Ansturm | |
besonders bemerkbar. | |
Eine Mitarbeiterin eines Berliner Maklerbüros etwa berichtet von Kunden aus | |
Italien, die für einen Tag zur Unterzeichnung des Kaufvorvertrags angereist | |
kamen und dann wieder abflogen. Ein weiterer Makler berichtet von | |
verstärktem Interesse aus China, Südafrika und den USA. Und auch Dirk | |
Wohltorf, Chef der Berliner Sektion vom Immobilienverband Deutschland, | |
spricht von immer weniger Wohnungen auf dem Markt. | |
Noch vor zwei Jahren habe es einen Leerstand von über 150.000 Wohnungen | |
gegeben, jetzt liege er bei etwa der Hälfte. Das sei für eine Großstadt wie | |
Berlin nicht mehr sehr viel. In welchem Ausmaß Anleger aus dem europäischen | |
Ausland in Berlin investieren, könne er nicht darlegen. Und auch | |
Wirtschaftsforscher Brenke sagt, dass es genaue Zahlen dafür bisher nicht | |
gebe. Doch beide bestätigen: Der Trend sei eindeutig. | |
## Galoppierende Immobilienpreise | |
Die Berliner und auch die alteingesessenen Bewohner der anderen Städte | |
leiden unter den davongaloppierenden Immobilienpreisen. Denn die Reallöhne | |
der durchschnittlichen Berliner sind in den vergangenen Jahren nur minimal | |
gestiegen. Ein Haus- oder Wohnungskauf rückt so für viele in die Ferne. | |
Aber auch Mieter sind von dem knapper werdendem Angebot betroffen. Das | |
Mietrecht setze allzu drastischen Erhöhungen zwar Grenzen, sagt der | |
Vorsitzende des Berliner Mietervereins Reiner Wild. Doch Mietsteigerungen | |
von bis zu 20 Prozent in drei Jahren machten sich schon bemerkbar. Vor | |
allem aber bei Neuvermietungen würden die Eigentümer ordentlich | |
draufsatteln. Dort liegen die Mieten bei 20 Prozent über den | |
Mietspiegelwerten für Bestandswohnungen. Neuvertragsmieten sind seit 2009 | |
berlinweit im Schnitt um 7,3 Prozent gestiegen. | |
Dass es internationale Spekulanten auf deutsche Immobilien abgesehen haben, | |
hatte es Mitte dieses Jahrzehnts schon gegeben. Damals waren es Fonds, die | |
sich in Berlin, Dresden und Leipzig für den Großbestand von Wohnungen | |
interessiert hatten. Sie unterschätzten das deutsche Recht, das allzu | |
drastische Mieterhöhungen nicht zulässt, ihre erwarteten Renditen erfüllten | |
sich nicht. Im Zuge der Finanzkrise von 2008 mussten viele dieser | |
Spekulanten wieder aussteigen. Der Unterschied zu heute: Damals waren die | |
Käufe zu fast 100 Prozent kreditfinanziert. Heute zahlen viele Anleger bar. | |
18 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Torsten Landsberg | |
Felix Lee | |
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