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# taz.de -- Finanzsenator Nußbaum prognostiziert: "Die Preise in Berlin werden…
> Die Ausgaben des Landes will Finanzsenator Ulrich Nußbaum begrenzen. Die
> Berliner aber sollen sich darauf einstellen, dass das Leben in der
> Hauptstadt teurer wird.
Bild: Der Kostendeckler: Berlins Finanzsenator Ulrich Nußbaum
taz: Herr Nußbaum, Sie sind jetzt zwei Jahre im Amt. Macht es Ihnen noch
Spaß?
Ulrich Nußbaum: Ja.
Am Dienstag haben Sie Haushalt und Finanzplanung vorgestellt - wobei,
eigentlich saßen Sie nur daneben und haben genickt, während der Regierende
Bürgermeister, Ihr Chef, eine halbe Stunde lang referiert hat.
Ist doch gut, wenn der Chef sich hinter das stellt, was man vorbereitet
hat. Der Regierende ist sozusagen Vorstandsvorsitzender des Landes Berlin,
ich bin Finanzvorstand. Ich empfinde es als eine Auszeichnung, wenn er sich
damit identifiziert. Damit hat er ja auch gesagt: Es ist auch sein
Haushalt, das heißt: Wenn Klaus Wowereit die Wahl gewinnen wird, und davon
gehe ich aus, werden wir gemeinsam diesen Haushalt umsetzen.
Eigentlich müsste Haushaltspolitik ein ganz großes Wahlkampfthema sein.
Allein die Mittel aus dem Solidarzuschlag sinken jährlich um 150 Millionen
Euro. Aber bisher konnte keine Partei einen überzeugenden Vorschlag machen,
wo man das einsparen soll. Nun kommen Sie und sagen, ab 2016 machen wir
keine Schulden mehr. Wo ist der Trick?
Es gibt keinen Trick. Wir machen in Berlin solide Finanzpolitik: eine
Konsolidierungspolitik, die mit einer klaren Ausgabendisziplin erreicht
wird. Bundesweit sind die Steuereinnahmen von Ländern und Gemeinden in den
vergangenen Jahren um durchschnittlich 2,3 Prozent gestiegen, unabhängig
davon, wer jeweils regiert hat. Wenn Sie die Ausgaben nicht gleichermaßen
anwachsen lassen, sondern unter diesem Prozentsatz bleiben, bauen Sie die
Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben über die Jahre ab. Deswegen ist
es wichtig, diese Politik nicht ein oder zwei Jahre, sondern über einen
längeren Zeitraum durchzuhalten. Nun sagen Sie, wo ist denn da das Sparen!
Aber halten Sie erst einmal so eine Ausgabendisziplin ein. Politik besteht
ja oft aus dem Gegenteil.
Laut Ihrer Finanzplanung sollen die Steuereinnahmen Berlins bis 2015 um
insgesamt 25 Prozent steigen. Das ist deutlich mehr als die 2,3 Prozent pro
Jahr.
Wie gesagt, im Mittel sind es 2,3 Prozent. Es gibt gute und schlechtere
Jahre. Das ändert aber nichts an unserer Ausgabendisziplin.
Woher nehmen Sie den Optimismus, dass Berlin vier gute Jahre bevorstehen?
Nun, für 2010 und 2011 hatten wir insgesamt 5,6 Milliarden Euro
Neuverschuldung geplant. Es werden nur knapp 2,9 Milliarden. Das ist immer
noch zu viel, aber wesentlich besser als gedacht. Das kommt von der
beschriebenen Ausgabendisziplin und den Mehreinnahmen durch den
konjunkturellen Aufschwung. Damit macht man sich allerdings nicht immer
beliebt.
Aber was ist, wenn der Euro kracht, sich also die Rahmenbedingungen massiv
ändern?
Dann haben wir ein ganz anderes Problem. Dann geht es um ganz Deutschland
und Europa. Ich will mir das gar nicht vorstellen.
Die Politik der Ausgabendisziplin ist ja auch eine Gratwanderung: Wie viel
Gestaltungsspielraum haben Sie noch?
Wir geben 22 Milliarden Euro aus. Damit kann man gestalten, und das tun wir
auch: Wir sehen die Schwerpunkte bei den Bildungsausgaben und den Ausgaben
der Bezirke. Beide Posten sollen überdurchschnittlich steigen und machen
gut die Hälfte des gesamten Haushalts aus. Aber an anderer Stelle
verschenken wir meiner Meinung nach auch Spielräume dadurch, dass wir Geld
ins System geben, von dem wir nicht wissen, ob es bei den richtigen Stellen
ankommt.
Wo denn genau?
Nehmen Sie die freien Träger im sozialen Bereich oder beim öffentlichen
Beschäftigungssektor. Wir zahlen da seit Jahren für Strukturen, von denen
ich sicher bin, dass sie nicht effizient sind. Man kann ja sagen, man will
öffentliche Beschäftigungsverhältnisse für Menschen, die keine Chance mehr
auf dem ersten Arbeitsmarkt haben. Aber ich verstehe nicht, dass wir für
die Umsetzung dieser Aufgabe dann Dritte einschalten, die einige Prozente
vom Umsatz einbehalten, ohne dass wir in ihre Bücher gucken und die
Kostenstrukturen nachvollziehen können. Da steckt eine eigene
Wirtschaftsstruktur dahinter. Und hinter dem Nutzen für das Land und die
Bürgerinnen und Bürger mache ich drei Fragezeichen.
Warum macht die Verwaltung das dann nicht selbst?
Weil an einigen Stellen die Strukturen dafür fehlen.
Weil alles weggespart ist?
Weil man nicht Experte für alle Fragen sein kann. Ich bin nicht unbedingt
dagegen, einen externen Dienstleister einzusetzen, aber er muss in jedem
Fall wirtschaftlich sein. Ich bin fest davon überzeugt: Spätestens wenn das
Geld knapp wird, fangen die Leute an, über bessere Strukturen nachzudenken.
Diesen Druck müsste die Sozialsenatorin Carola Bluhm (Linke) auf die Träger
ausüben?
Genau. Und ich erzeuge als Finanzsenator Druck, indem ich die Budgets
verknappe. Damit müssen Sie effizienter werden und mehr Transparenz
reinbringen. Wir wissen heute bei vielen Ausgaben im Sozial- und
Bildungsbereich nicht, was dahintersteckt: Haben Kitas zum Beispiel
wirklich so viele Kindergärtnerinnen, wie wir bezahlen?
Kritiker argumentieren, mehr Freiheit bei der Mittelnutzung eröffnet
Spielräume.
Ich möchte das haben, für das ich bezahle. Mir geht es darum: Kommt das
Geld für die Zwecke da an, wo ich es auch haben will - zum Beispiel bei den
Bedürftigen? Ich will ja nicht den Chef der Treberhilfe wohlhabend machen
oder die Sozialwirtschaft fördern.
Neuerdings wird wieder viel über die Firmenansiedlung geredet. Wie sehen
Sie die Bemühungen in der Industriepolitik - wie effizient sind die?
Wir haben in Berlin sehr viele gut ausgebildete Menschen. Das ist ein
großer Standortvorteil, denn Arbeitskraft, Know-how und Kreativität sind
ein knappes Gut. Wir haben in Berlin auch viele Gewerbeflächen, die wir
entwickeln können. Wir wissen, was wir wollen und wofür wir stehen. Aber
das wird von den Unternehmen in Deutschland, Europa und der Welt noch nicht
so deutlich wahrgenommen, dass sie sich für Berlin entscheiden. Dafür muss
man Klinken putzen - das machen wir noch zu wenig.
Weil der Wirtschaftssenator in der falschen Partei ist?
Das ist keine parteipolitische Frage. Ich habe selten mit jemand so gut
zusammengearbeitet wie mit Herrn Wolf! Trotzdem bin ich der Meinung, dass
Berlin wirtschaftspolitisch mehr aus sich machen muss.
Wie denn?
Klinkenputzen ist das eine. Eine einheitliche Anlaufstelle ist das andere.
Dazu müssten wir zum Beispiel Berlin Partner zu einer Service-Agentur
ausbauen, wo alle Fragen rund um die Unternehmensansiedlung geklärt und
betreut werden.
Aber über lokale Ansiedlungen entscheiden die Bezirke.
Eine erfolgreiche Ansiedlungspolitik muss von oben erfolgen, das kann nicht
davon abhängen, ob ein Bezirk Gewerbe möchte oder nicht, das muss
berlinweit entschieden werden. Die Bezirke müssen einbezogen werden, aber
es kann nicht vom Zufall abhängen, ob sich der jeweilige
Bezirksbürgermeister für die Ansiedlung und Förderung von Unternehmen
starkmacht oder nicht.
Ein Schlagwort im Wahlkampf ist die Gentrifizierung. Viele fordern einen
neuen sozialen Wohnungsbau. Ist das finanzierbar?
Sie müssen sich dazu die Kostenzusammensetzung angucken: Angenommen, das
Land gibt Ihnen kostenlos ein Grundstück - Sie bauen, und dann stellen wir
fest, dass Sie aufgrund der hohen Baukosten von ihren Mietern trotzdem zehn
Euro oder mehr pro Quadratmeter verlangen müssen. An den Leuten, die
günstigen Wohnraum brauchen, geht so eine Politik vorbei.
Es gibt kommunale Wohnungsbaugesellschaften …
… die in Berlin bereits über 270.000 Wohnungen halten. Aber das ist nicht
zwangsläufig auch sozial! Dazu müssten wir steuern, wer in diesen Wohnungen
wohnt. Sozial wäre es, vorrangig die Mieter zu nehmen, die sich die
üblichen Marktpreise nicht leisten können. Wenn Sie Sich aber mal umhören,
wohnen viele Menschen in diesen Wohnungen, die durchaus höhere Mieten
zahlen könnten. Aber für dieses Problem wird es keine schnelle und einfache
Lösung geben.
Und die komplizierte Lösung?
Ich glaube, die Berlinerinnen und Berliner werden sich daran gewöhnen
müssen, dass die Preise mit den Jahren langsam steigen. Nicht nur bei den
Wohnungen, auch beim Nahverkehr und bei den allgemeinen
Lebenshaltungskosten. Man kann nicht in einer attraktiven Metropole wohnen
wollen, die viele Menschen anzieht, ohne dass die Lebenshaltungskosten
steigen. Das wird in Berlin langsamer gehen als in anderen Großstädten,
auch weil wir diesen hohen öffentlichen Wohnungsbestand haben. Aber man
wird diese Entwicklung nicht aufhalten können. Hier muss man den Menschen
die Wahrheit sagen.
Gehört dazu, dass die Politik gar nichts machen kann gegen steigende
Mieten?
Ich halte die Wohnungsgesellschaften für ein wichtiges Instrument. Deswegen
lassen wir die Gewinne in den Gesellschaften. Sie sollen diese nutzen, um
Wohnungen zuzukaufen und zu modernisieren. Wir haben die Zielmarke von
300.000 landeseigenen Wohnungen. Darüber hinaus haben wir die
Mietsteigerungen für Neuvermietungen gedeckelt - dadurch sparen die Mieter
der Berliner Wohnungsbaugesellschaften bis 2014 gut 14,5 Millionen Euro.
Wichtig ist aber auch, dass die Menschen in Berlin auch gutbezahlte
Arbeitsplätze finden, damit sie durch die Preisentwicklung nicht
ausgegrenzt werden.
Woher sollen die Arbeitsplätze kommen?
Die Berliner sind oft so ungeduldig! Berlin ist erst 20 Jahre
wiedervereint. Dafür hat sich schon unglaublich viel getan. Berlin wird
langsam auch in den Köpfen der Leute zu einer Hauptstadt. Es gibt jetzt
einen Großflughafen. Wir ziehen mit unseren guten Universitäten viele junge
Leute an. Und wir haben eine zentrale Lage mitten in Europa, die viele
Geschäfte ermöglicht.
23 Jul 2011
## AUTOREN
Gereon Asmuth
Kristina Pezzei
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