# taz.de -- Kommentar Ausbau Erneuerbarer Energien: Wirrwarr ohne Sinn und Vers… | |
> So begrüßenswert die Energiewende auch sein mag: Es drohen massive | |
> Eingriffe in die Landschaft und Fehlinvestitionen. Es fehlt eine | |
> intelligente Koordination des Netzausbaus. | |
Will man sich vorstellen, wie Deutschland gerade die Energiewende betreibt, | |
tut man das am besten mit einer kurzen Analogie: Man stelle sich vor, wir | |
hätte hierzulande keine Eisenbahn. Das will die Regierung nun möglichst | |
schnell ändern und beschließt: Wer eine Eisenbahn baut, bekommt dafür 20 | |
Jahre lang feste Einnahmen aus einer Maut. Damit Investoren gut kalkulieren | |
können, gibt es das Geld auch, wenn keine Züge fahren, sondern theoretisch | |
gerade fahren könnten. Überall werden daraufhin Schienen verlegt, | |
allerdings hat keiner die Übersicht, ob die am Ende auch zu einem | |
sinnvollen Netz verschmelzen. Außerdem beschließt die Regierung langfristig | |
den Ausstieg aus der Straße. Bis 2050 sollen 80 Prozent des Verkehrs auf | |
die Schiene verlagert sein, Straßen sind weitestgehend abgeschafft. | |
So ungefähr sieht die deutsche Energiewende aus. Weg von der Straße, also | |
den alten atomaren und fossilen Kraftwerken, hin zur Schiene, den | |
erneuerbaren Energien, die bis 2050 einen Anteil von 80 Prozent am | |
Stromverbrauch haben sollen. Wer entsprechende Anlagen errichtet, egal wo, | |
bekommt dafür über 20 Jahre einen staatlich garantierten, fixen Ertrag. | |
Übrigens auch, wenn das Netz den regenerativen Strom nicht aufnehmen kann, | |
weil es überlastet ist. Die Betreiber bekommen dann Geld für den Strom, den | |
sie theoretisch produzieren würden. | |
Diese Wende wird, so begrüßenswert sie auch sein mag, gewaltige Spuren | |
hinterlassen. Neue Stromtrassen müssen gebaut, neue Windräder und | |
Solarfelder aufgestellt werden, der Anbau von Energiepflanzen für Biogas | |
verändert jetzt schon ganze Landstriche und belastet die Natur. | |
Irgendjemand müsste dafür sorgen, dass möglichst wenig dieser Eingriffe | |
nötig werden, dass das System intelligent und bedarfsgerecht installiert | |
wird. Genau das aber geschieht nicht. | |
Stattdessen wird gebaut, wo es gerade Flächen gibt. Die Bundesregierung hat | |
eben die Energiewende beschlossen und prognostiziert einen Ökostromanteil | |
von 35 bis 40 Prozent bis zum Jahr 2020. Keine vier Wochen später stellt | |
die halbstaatliche Deutsche Energie-Agentur nach einer Umfrage in den | |
Bundesländern fest: Vermutlich werden es 30 Gigawatt mehr Windkraft werden, | |
als gedacht. Einfach nur, weil der Staat die Anreize zum Investieren setzt, | |
wachsen also grob gerechnet 10.000 zusätzliche Mühlen aus dem Boden. | |
Hauptsächlich im Norden, was neue Leitungen in den Süden nötig macht, quer | |
durch Deutschland, die noch keiner kalkuliert und geplant hat. | |
Das Land braucht dringend eine Stelle, die den Ausbau erneuerbarer Energien | |
koordiniert. Sonst werden wir, um im Bilde zu bleiben, am Ende mit einem | |
gewaltige Wirrwarr an Gleisen beglückt. | |
18 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Ausbau erneuerbarer Energien: Ökostrom ohne Plan | |
Jedes Bundesland wurstelt beim Ausbau erneuerbarer Energien so vor sich | |
hin. Die Verbraucherzentrale fordert deshalb Absprachen, sonst drohen teure | |
Fehlinvestitionen. | |
Ausbau erneuerbarer Energien: Deutschland vor dem Windradboom | |
Eine Umfrage über geplante Projekte zeigt: Die Ziele der Bundesregierung | |
zum Ausbau erneuerbarer Energien bis 2020 können weit übertroffen werden. | |
Der Netzausbau soll schneller werden: Netzagentur darf Druck machen | |
Bei verschlepptem Netzausbau sollen sich künftig Dritte um Investitionen | |
bewerben können. Der Gesetzgeber setzt damit eine Vorgabe aus Brüssel um. |