# taz.de -- Portrait des Faschisten Sándor Képíró: Freispruch für Alt-Nazi | |
> Sándor Képíró soll im Zweiten Weltkrieg in Serbien ein Massaker | |
> angeordnet haben. Nun wurde der Ungar freigesprochen. Die Anwälte | |
> bezahlte eine faschistische Partei. | |
Bild: Sándor Képíró im Mai 2011 vor einem Budapester Gericht. | |
BERLIN taz | Sándor Képíró muss den Rest seiner Tage nicht im Gefängnis | |
verbringen. Ein ungarisches Gericht sprach den 97-jährigen Greis am Montag | |
vom Vorwurf frei, 1942 in Novi Sad im heutigen Serbien ein Massaker | |
angeordnet zu haben. Er selbst hatte immer seine Schuldlosigkeit beteuert. | |
Zu Prozessauftakt im Mai hatte er angegeben, er sei zwar bei dem tagelangen | |
Massaker der ungarischen Besatzer als hoher Offizier der ungarischen | |
Gendarmerie "in Pflichterfüllung" anwesend gewesen. Getötet habe er aber | |
niemanden, ja nicht einmal ein Gewehr benutzt. Zum Politikum wurde der | |
Prozeß weil sich die faschistische Jobbik-Partei mittels einer "Nationalen | |
Rechtsstiftung" der Verteidigung annahm. Im Gerichtssaal überwogen | |
Sympathisanten des Angeklagten. | |
Mehr als 1.200 mehrheitlich ungarische Juden und Roma sowie serbische | |
Zivilisten wurden in den klirrend kalten Januartagen 1942 von der | |
ungarischen Gendarmerie zusammengetrieben und erschossen. Die Ermordung von | |
36 Opfern soll Képíró persönlich angeordnet haben. Vier habe er selbst | |
ermordet, so die Anklageschrift. Die Leichen warf man in die zugefrorene | |
Donau. Képíró wurde dafür noch während des Krieges in Ungarn zu zweimal | |
zehn Jahren verurteilt aber nach der deutschen Besetzung Ungarns 1944 auf | |
freien Fuß gesetzt. | |
Nach dem Zweiten Weltkrieg tauchte der Jurist und Ex-Offizier zunächst in | |
Österreich ab und wurde 1946 neuerlich verurteilt: in Abwesenheit zu 14 | |
Jahren. In Jugoslawien erwartete ihn ein Todesurteil. Deswegen schiffte er | |
sich 1948 mit zahlreichen Nazigrößen nach Argentinien ein. Dort verlor sich | |
seine Spur weil er eine neue Identität annahm und heiratete.Képíró stand | |
auf der Liste gesuchter Kriegsverbrecher des Wiesenthal-Zentrums in Los | |
Angeles an dritter Stelle. Vor ihm nur der Ukrainer John Demjanjuk, der | |
jüngst in München zu fünf Jahren verurteilt wurde, und der Österreicher | |
Aribert Heim, von dem ungewiß ist, ob er noch lebt. | |
## Wohung gegenüber einer Synagoge | |
Nach fast 50 Jahren in Südamerika schien Képíró das Heimweh eingeholt zu | |
haben. Er fragte in Budapest diskret nach, ob gegen ihn etwas vorliege. | |
Obwohl Kriegsverbrechen nicht verjähren, ließ man ihn 1996 ins Land. | |
Tatsächlich konnte er dann 15 Jahre unbehelligt unter seinem echten Namen | |
in Budapest leben. Zuletzt wohnte er gegenüber einer Synagoge, als ihn der | |
Nazijäger Efraim Zuroff, Leiter des Wiesenthal-Zentrums, aufspürte. | |
Als Képíró auf Drängen Zuroffs neuerlich vor Gericht gestellt werden | |
sollte, plädierte dieser auf geistige Unzurechnungsfähigkeit. Der Prozeß | |
konnte nach einer Serie psychiatrischer Gutachten erst im vergangenen Mai | |
beginnen. Die Verlesung der Urteilsbegründung dauert zwei Tage, da sich der | |
Angeklagte wegen seiner Gebrechlichkeit nur 45 Minuten konzentrieren kann. | |
Der Freispruch, der wahrscheinlich mangels schlüssiger Beweise erfolgte, | |
ist noch nicht rechtskräftig. Für Ungarns Rechte ist das Urteil jedenfalls | |
ein Triumph. | |
19 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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