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# taz.de -- Revisionismus in Rumänien: Präsident nennt Ex-König "Verräter"
> Traian Basescu bezeichnet den früheren Monarchen Mihai als
> "Russenknecht". Beobachter rätseln: Historische Unkenntnis oder gezielte
> politische Provokation?
Bild: Vom Präsidenten angegriffen: Rumäniens früherer Monarch Mihai.
BERLIN taz | Rumäniens Staatspräsident Traian Basescu hat einen Sturm der
Entrüstung ausgelöst, nachdem er im Fernsehen den früheren König Mihai als
einen "Verräter" und "Russenknecht" bezeichnet hatte. In einer
TV-Gesprächsrunde äußerte der Staatschef seine Meinung über den am 30.
Dezember 1947 erfolgten Rücktritt des Königs.
Dieser wurde von den Sowjets und der damaligen Regierung gezwungen seine
Abdankungsurkunde zu unterzeichnen. Danach wurde Rumänien in eine
"volksdemokratische" Republik nach sowjetischem Modell verwandelt, das
parlamentarische Mehrparteiensystem abgeschafft und das bürgerliche
Grundgesetz durch eine stalinistische Verfassung ersetzt.
Für den König begann ein mehr als vier Jahrzehnte dauerndes Exil. Erst nach
der Revolution von 1989 durfte der in der Schweiz lebende Ex-Monarch Anfang
der 1990er Jahre wieder seine alte Heimat besuchen. Inzwischen erhielt er
die rumänische Staatsbürgerschaft zurück, eben so einige seiner früheren
Besitztümer. Seither lebt der 90-Jährige Ex-Monarch in Bukarest.
Beobachter der rumänischen Politszene rätseln nun darüber, wie dieser
unerwartete Angriff auf den früheren König seitens des Präsidenten zu
bewerten sei. Eine vor fünf Jahren, ausgerechnet von Basescu berufene
Expertenkommission, die sich mit den Auswirkungen der kommunistischen
Diktatur beschäftigte, würdigte die historische Rolle des Ex-Königs
insbesondere im Zusammenhang mit der Verhaftung des faschistischen
Militärdiktators und Hitlerverbründeten Ion Antonescu am 23. August 1944.
Der König stellte sich an die Spitze einer aus Vertretern von vier
verbotenen Parteien gebildeten Gruppe, die den Sturz Antonescus
vorbereitete und erfolgreich durchführte. Rumänien, das bis dahin zu den
Achsenmächten gehörte und sich mit Nazideutschland am Überfall auf die
Sowjetunion beteiligt hatte, wechselte die Fronten und schloss sich den
Alliierten an.
## Basescu setzte noch einen drauf
Für seine Rolle bei dieser Kehrtwende wurde Mihai mit einem Sowjetorden
ausgezeichnet, was ihm nun den Vorwurf eines "Russenknechts" einbrachte.
Präsident Basescu setzte aber noch einen drauf und erklärte den König zum
Mitschuldigen am Holocaust. Dabei hatte bereits 2004 eine internationale
Kommission unter der Leitung des Friedensnobelpreisträgers Elie Wiesel
ausschließlich das Antonescu-Regime für die Ermordung von etwa 400.000
rumänischen und ukrainischen Juden sowie fast 20.000 Roma verantwortlich
gemacht. Der Bericht der Kommission unterstreicht, dass außer Deutschland
kein Land in einem solchen Ausmaß in Massaker an Juden involviert gewesen
sei wie das von Antonescu regierte Rumänien.
Revisionistische Kreise, vor allem die postkommunistischen Sympathisanten
des früheren militärfaschistischen Diktators und Antisemiten Antonescu
sowie die Anhänger neofaschistischer und ultranationalistischer
Gruppierungen bezichtigten den Ex-König des Verrats an den Idealen der
rumänischen Nation. Sie erhoben den unbegründeten Vorwurf, durch den Sturz
Antonescus, habe er willfährig die Souveränität des Landes zugunsten der
Sowjets aufgegeben.
Ob Basescu mit seinen skandalösen Aussagen sich das Wohlwollen der
Revisionisten erkaufen wollte oder nur eine Unkenntnis der Geschichte an
den Tag legte, beschäftigt rumänische Medien, Bürgerrechtsgruppen und
Minderheitenorganisationen. Auch Rücktrittsforderungen wurden bereits laut.
Der Präsidialpalast hüllt sich in Schweigen. Ein Bruder des Präsidenten
jedoch erklärte der Presse, der jetzige Staatschef würde nie unter Zwang
sein Amt aufgeben, sondern den Tod durch eine Kugel vorziehen.
5 Jul 2011
## AUTOREN
William Totok
## TAGS
taz.lab 2011 „Die Revolution haben wir uns anders vorgestellt“
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