# taz.de -- Punks wollen Polizei anzeigen: Szenen eines Viehtransports | |
> Eine Gruppe Husumer Punks wurde in Neumünster aus dem Zug geholt. 15 von | |
> ihnen wollen Anzeige erstatten: Sie seien geschlagen und in einem Abteil | |
> voll Pfefferspray nach Hamburg verfrachtet worden. | |
Bild: Die Punks sind schon im Zug verschwunden - und die Polizei passt auf, das… | |
HUSUM taz | Die Meldung der Bundespolizei klang wie ein Bericht von einem | |
Schlachtfeld: 200 betrunkene und grölende Punker randalieren in einem | |
Regionalexpress, bewerfen einen Schaffner mit Flaschen und brennenden | |
Zigaretten, so dass der Zug in Neumünster stoppen und die Polizei ihn | |
räumen muss, wobei es zu Ausschreitungen kommt. Resultat: vier verletzte | |
Polizisten, vier Ingewahrsamnahmen. Doch war es alles wirklich so? Oder hat | |
die Polizei überzogen? 15 verletzte Punks haben der taz angekündigt, | |
Strafanzeigen gegen die Polizei zu erstatten. | |
Husum eine Woche später: Eileen nimmt Platz am Ende des Tisches auf der | |
Terrasse des "Husum Pub". Die zierliche Heranwachsende ist 15 Jahre alt, | |
trägt ein dunkles Kapuzen-Sweatshirt und hat gepflegte lange, dunkle Haare. | |
Nur drei dezente lila und grüne Strähnen und ihre rosa gefärbten | |
Leoparden-Leggings lassen erahnen, dass sie zur nordfriesischen Punkszene | |
gehört. "Ich stand da einfach nur rum, da bekam ich plötzlich von links | |
voll einen Knüppelschlag auf die Nase", erinnert sie sich entsetzt. | |
Auch ihre BegleiterInnen, die alle nicht wie klassische Punks aussehen, | |
sind fassungslos über das Vorgehen der Polizei am vorletzten Samstag im | |
Bahnhof von Neumünster. "Das ist doch alles gelogen, was in der Presse | |
steht", sagt die 21-jährige Sarah. | |
Die Gruppe aus Husum hatte sich an jenem Samstag in Hamburg mit anderen | |
Punks über Facebook verabredet, um gemeinsam zum Konzert nach Flensburg zu | |
fahren. "Wir waren höchstens 80 Leute", sagt Sarah. Ihre jüngere | |
Namenschwester räumt ein, dass sie schon im Zug geraucht, Bier getrunken | |
und Musik gehört haben. "Wir haben eine Passagierin gefragt, ob wir | |
stören", berichtet Sarah. "Die hat gesagt: Feiert nur weiter." | |
Der Schaffner sei zu keiner Zeit attackiert worden. "Wir haben den | |
Schaffner gar nicht im Waggon gesehen", sagt Sarah. Und: "Warum sollten wir | |
ihm was tun, wir hatten doch alle Tickets", ergänzt Matthies, der mit 34 | |
Jahren der Älteste der Gruppe ist. Der "Getränkeschieber", der mit einem | |
Rollwagen durch den Waggon gezogen war, habe sie allerdings vor der Polizei | |
gewarnt, sagt Sarah. "Er sagte, der Schaffner sei von der Rolle." | |
Dennoch hätten sie nicht gerafft, warum der Zug in Neumünster so lange | |
hielt. "Das waren eineinhalb Stunden - über Lautsprecher wurde angesagt, | |
die Lok sei kaputt", sagt Matthies. Tatsächlich war die Festnahmeeinheit | |
der Bundespolizei aus Flensburg auf dem Weg. | |
Nach deren Eintreffen seien alle Passagiere aufgefordert worden, den Zug zu | |
wechseln. Auf dem Bahnsteig sei ihre Gruppe festgesetzt worden, "um die | |
normalen Leute rauszuholen", sagen die Husumer Punks. Danach sollten sie zu | |
einem anderen "Sonderzug" (O-Ton Bundespolizei) Richtung Hamburg gebracht | |
werden, was Unmut auslöste. "Wir würden sie ja weiterfahren lassen, die | |
Bahn besteht darauf", habe ein Polizist gesagt. Dann habe das Gedrängel | |
begonnen und es sei eine Flasche geflogen. | |
Die Beamten hätten Schlagstöcke eingesetzt. Eileens aufgebrachter Freund | |
mit dem Spitznamen Honecker, der zuvor den Schlag auf die 15-Jährige | |
gesehen hatte, sei von fünf Polizisten mit Knüppeln zu Boden geprügelt | |
worden, wodurch er eine Kopfplatzwunde erlitt. | |
Der 17-jährige Marvin, der wie er selbst sagt "Polizisten angepöbelt hat", | |
die gerade die 21-jährige Sarah "vor sich her schubsten", sei ebenfalls von | |
Polizisten überwältigt und zu Boden gebracht worden. Die Gruppe sei rabiat | |
zum anderen Bahnsteig gedrängt worden. | |
"Die haben uns wie Vieh getrieben", berichtet ein Punk mit dem Spitznahme | |
Wolle. Immer wieder seien die Punks mit dem Knüppel auf den Rücken | |
geschlagen und mit Pfefferspray besprüht worden. Dann sollten sie einen | |
Doppeldecker-Waggon besteigen. "Wir sind da reingeprügelt worden", sagt | |
Sarah. | |
Zum Schluss sei noch mal die Tür einen Spalt weit aufgemacht worden, sagt | |
Sarah, "um minutenlang aus einem Schlauch Pfefferspray zu sprühen". Einer | |
aus der Gruppe habe versucht, eine Scheibe einzuschlagen, um Luft zu | |
bekommen. Die Polizisten, die sie begleiteten, hätten Gasmasken gehabt. | |
"Wir mussten die ganze Zeit mit dem Pfefferspray im Zug zum Hamburger | |
Dammtor-Bahnhof fahren, das war echt krass", erzählt Sarah. | |
Zu den Vorwürfen der Punks könne die Bundespolizei Flensburg zurzeit keine | |
Stellungnahme abgeben, sagt deren Sprecher Bernd Schindler. "Die | |
Herrschaften wollten in die anderen Richtung und sperrten sich." Der | |
schleswig-holsteinische Linkspartei-Landtagsabgeordnete Heinz-Werner | |
Jezewski hat eine parlamentarische Anfrage angekündigt. | |
18 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
Kai von Appen | |
## TAGS | |
Tierschutz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Vorläufiger Erlass in Schleswig-Holstein: Tierexport außerhalb der EU gestoppt | |
Nach Bayern verbietet auch Schleswig-Holstein vorläufig Viehexporte etwa in | |
den Libanon. Medien hatten über Tierquälerei berichtet. | |
Kommentar Polizeigewalt gegen Punks: Maßlos und rechtswidrig | |
Auch Punks haben ein Grundrecht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit. | |
Das Vorgehen der Polizei in Neumünster ist verfassungsrechtlich äußerst | |
zweifelhaft. |