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# taz.de -- Serbien kooperiert mit dem Haager Tribunal: Gegenleistung für den …
> Nach der Festnahme des mutmaßlichen Kriegsverbrechers wollen die
> Menschen, die unter einer hohen Inflation und Arbeitslosigkeit leiden,
> dass Europa sie belohnt.
Bild: Goran Hadzic. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 1993.
BELGRAD taz | Wenn es sich ein Staatspräsident nicht nehmen lässt, eine
Pressekonferenz einzuberufen, um die Verhaftung eines weltweit relativ
unbekannten Mannes mitzuteilen, handelt es sich aus seiner Sicht um ein
Ereignis von politischer Bedeutung. Boris Tadic trat am Mittwoch allein vor
die schreibende Zunft und teilte mit, dass der letzte vom Haager
Kriegsverbrechertribunal gesuchte Serbe, Goran Hadzic, verhaftet worden
sei: "Damit hat Serbien seine internationale Verpflichtung und seine
moralische Pflicht erfüllt. Eine schwierige und sehr finstere Seite unserer
Geschichte ist abgeschlossen."
Tadic betonte, Serbien habe keineswegs auf Druck gehandelt, "unser Staat
beugt sich vor keinem Druck", er habe versprochen, "dieses Geschäft zu
beenden", und das habe er getan.
Sowohl in Serbien, als auch weltweit, gab und gibt es Erwartungen, weil nun
die Zusammenarbeit zwischen Belgrad und dem Kriegsverbrechertribunal
positiv beendet sei, könne Serbien auf schnellere und günstigere Behandlung
seiner Beitrittswünsche in die EU hoffen. Der Präsident warnte jedoch, die
Verhaftung sei nicht deshalb erfolgt, sondern "wegen der Opfer, der
Versöhnung und der Glaubwürdigkeitaller Staaten des Westbalkans, wegen eine
Veränderung der Wertsysteme."
Tatsächlich war Goran Hadzic kein bedeutender Akteur der Tragödie im
ehemaligen Jugoslawiens. Trotz seines Titels eines "Präsidenten der
serbischen Krajina" hatte er auf dem Gebiet, das ihm formal unterstand,
wenig zu sagen, er durfte Schmuggelgeschäfte betreiben. Die Befehlsgewalt
hatten der Bandenführer Zeljko Raznatovic, genannt Arkan, und der serbische
Polizeichef Radovan Stojicic, genannt Badza. Beide wurden, weil unbequem
geworden, unter rätselhaften Bedingungen in Serbien erschossen. Hadzic wird
in Haag versuchen zu beweisen, dass er von den ihm zur Last gelegten
Kriegsverbrechen wenig oder gar nichts wusste. Demzufolge ist seine
Auslieferung vor allem ein symbolischer Akt.
## Erwartung: Europa müsse belohnt werden
Der Präsident Kroatins, Ivo Josipovic begrüßte die spektakuläre Verhaftung
des mutmaßlichen Kriegsverbrechers, der in Kroatien geboren wurde und seine
Taten in Kroatien verübt hat, als "gut für die gutnachbarlichen
Beziehungen" Serbiens und Kroatiens und erklärte, "dass sich Serbien
endlich zu einer kompletten Zusammenarbeit mit dem Tribunal" entschlossen
habe, Ratko Mladic und Goran Hadzic hätten sich über all die Jahre in
Serbien versteckt gehalten.
Boris Tadic mag beschwichtigen, aber in Serbien wurde die Erwartung
geweckt, jetzt müsse man von Europa belohnt werden. Die Serben, die unter
extrem hoher Inflation und steigender Arbeitslosigkeit leiden, interessiert
nur eines: ob man Aussichten auf Erleichterungen hat. Anders als General
Mladic, ist der ehemalige Lagerarbeiter Hadzic fast jedem egal.
Trotzdem schreien die nationalistischen Oppositionsparteien, vor allem die
Radikalen, deren Führer, Vojislav Seselj, längst in Haag einsitzt, wieder
sei ein Serbe Europa geopfert worden. Das glaubt ein Teil der Masse, will
aber eine Belohnung dafür. Die liberale Opposition um Cedomir Jovanovic
begrüsst die Verhaftung, aber die Art und Weise, wie sie durchgeführt
wurde, nennt sie ein unwürdiges Spektakel.
Freilich gibt es Kreise in Serbien und Kroatien, die besorgt sind und
schweigen. Wenn Hadzic Doppelagent war, der auf Wunsch von Slobodan
Milosevic und Franjo Tudjman den Bürgerkrieg mitzuschüren half, könnte er
in Haag auspacken. Dazu befragt schmunzelt der Belgrader Staranwalt Toma
Fila geheimnisvoll. Er vertritt nicht nur Hadzic, sondern in
Vermögensfragen auch Titos Witwe Jovanka.
21 Jul 2011
## AUTOREN
Ivan Ivanji
## TAGS
Den Haag
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