# taz.de -- Massaker in Guatemala: Nach 30 Jahren vor Gericht | |
> Zum ersten Mal werden Soldaten in Guatemala wegen Kriegsverbrechen | |
> angeklagt. Sie sollen während des Bürgerkriegs 252 Menschen erschlagen | |
> haben. | |
Bild: Gedenken an die Verschwundenen in Guatemala. | |
BERLIN taz | Eines der grausamsten Massaker des guatemaltekischen | |
Bürgerkriegs (1960 bis 1996) kommt fast dreißig Jahre später vor Gericht. | |
Im Dezember 1982 wurden in dem Dorf Dos Erres im Norden des Landes 252 | |
Menschen erschlagen. Am Montag begann in Guatemala-Stadt ein Prozess gegen | |
vier Militärs, denen vorgeworfen wird, daran beteiligt gewesen zu sein. Der | |
Fall hat für Guatemala historische Bedeutung: Zum ersten Mal stehen | |
Militärs wegen Kriegsverbrechen vor Gericht. | |
Nach dem Bericht einer UNO-Wahrheitskommission waren 58 Soldaten der | |
Eliteeinheit Kaibiles am 7. Dezember 1982 in den frühen Morgenstunden in | |
das Dorf Dos Erres eingedrungen. Sie trugen nicht ihre Uniformen, sondern | |
hatten sich mit olivgrünen T-Shirts und Jeans als Guerilleros verkleidet. | |
"Eventuell Überlebende sollten die Guerilla beschuldigen und nicht die | |
Armee", heißt es in dem Bericht der UNO. | |
Noch in der Nacht holten die Soldaten die Bewohner aus ihren Hütten und | |
sperrten die Frauen und Kinder in zwei Kirchen, die Männer in eine Schule. | |
Um die Mittagszeit begannen sie, zunächst die Kinder mit einem | |
langstieligen Hammer, mit dem man Steine klopft, zu erschlagen. Kleinkinder | |
wurden gegen Wände und Bäume geworfen, bis sie tot waren. Die Mädchen | |
wurden vor ihrem grausamen Tod vergewaltigt. "Die Soldaten stritten sich | |
zum Teil darum, wer ein Mädchen vergewaltigen durfte", berichtete ein | |
Überlebender der Wahrheitskommission. | |
Nach den Kindern wurden die Frauen und schließlich die Männer auf dieselbe | |
Art ermordet. Auch die Frauen wurden vergewaltigt. Schwangeren wurde so | |
lange auf den Bauch geprügelt, bis sie eine Fehlgeburt erlitten. Erst ganz | |
zum Schluss, am Nachmittag des folgenden Tages, waren die Soldaten müde und | |
erschossen ihre letzten Opfer. Die Leichen warfen sie in einen Brunnen, bis | |
dieser überquoll. | |
## "Adoptivkind" Hauptbelastungszeuge | |
Zwei Kinder haben das Massaker überlebt. Eines versteckte sich im Gebüsch, | |
das andere wurde mitgenommen. Oberstleutnant Carlos Antonio Carías ließ es | |
in Guatemala-Stadt als sein eigenes registrieren und zog es auf. Carías | |
steht heute mit drei seiner Untergebenen vor Gericht. Sein "Adoptivkind" | |
ist einer der Hauptbelastungszeugen. 18 der am Massaker beteiligten | |
Elitesoldaten konnten identifiziert werden. Zwei von ihnen sind inzwischen | |
gestorben, acht sind auf der Flucht. Gegen die vier anderen wird demnächst | |
ein zweiter Prozess beginnen. | |
Das jetzt begonnene Verfahren hatte einen langen Vorlauf. Nachdem sich kein | |
guatemaltekischer Staatsanwalt der Sache annehmen wollte, reichten | |
Menschenrechtsorganisationen im Jahr 2000 Klage vor dem interamerikanischen | |
Menschenrechtsgerichtshof ein. Dieser wies die Regierung in einem Urteil | |
an, ein Strafverfahren zu eröffnen. Den Anwälten der Angeklagten gelang es | |
dann, den Prozessbeginn mit einer Flut von Anträgen zu verzögern. | |
Weitere Verfahren wegen Kriegsverbrechen sind schon absehbar: Vor einem | |
Monat wurde Héctor Mario López verhaftet, der Generalstabschef des | |
Militärdiktators Efraín Ríos Montt (1982/83). Der Diktator wird im Bericht | |
der Wahrheitskommission als Völkermörder eingestuft, genießt aber als | |
Parlamentsabgeordneter strafrechtliche Immunität. Erst am Sonntag wurde | |
Pedro García Arredondo, Polizeichef unter Ríos Montt, festgenommen. Ihm | |
wird unter anderem ein Überfall auf die spanische Botschaft vorgeworfen, | |
bei dem über 20 Menschen getötet wurden. Die Polizei schnappte ihn während | |
einer Wahlkampfveranstaltung von General Otto Pérez Molina. Der | |
Rechtspopulist ist haushoher Favorit für die Wahl am 11. September. Auch er | |
wird mit Kriegsverbrechen in Verbindung gebracht. | |
25 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Toni Keppeler | |
## TAGS | |
Guatemala | |
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