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# taz.de -- Rechte Foren nach dem Attentat in Oslo: "Wir haben ein Problem"
> Distanzierung und Selbstkritik, Verschwörungstheorien und Sympathie – wie
> rechte Kleinparteien und islamfeindliche Internetforen auf das Massaker
> reagieren.
Bild: Gegendemonstranten in Berlin während einer Mahnwache der rechtspopulisti…
BERLIN taz | Manfred Rouhs trägt einen dunklen Anzug, in den Händen hält er
zwei weiße Rosen und ein Wahlkampfplakat: "Hauptstadt der Angst? Nicht mit
uns!" Nur wenige Meter neben der norwegischen Botschaft in Berlin steht der
55-jährige Verleger am Montagmorgen zu einer Mahnwache der "Bürgerbewegung
Pro Deutschland".
Die Anschläge in Norwegen zeigten, in welcher Gefahr sich Europa befinde,
verkündet der Spitzenkandidat der rechtspopulistischen Partei. Heute könne
es Oslo treffen, morgen die deutsche Hauptstadt, warnt er: "Auch in Berlin
ist es ja bereits zur akzeptierten Normalität geworden, dass jede Nacht
Autos angezündet werden, dass die Polizei um Leib und Leben fürchten muss
und dass sich viele Bürger in bestimmte Stadtviertel gar nicht mehr
getrauen." Nicht nur die rund 25 Gegendemonstranten halten das für eine
Verhöhnung der Opfer von Oslo.
Die Bluttat von Anders Behring Breivik hat die rechtspopulistische und
islamfeindliche Szene in Deutschland arg in die Bredouille gebracht. Ihr
ist bewusst, dass die allzu offensichtliche ideologische Nähe des
Attentäters geeignet ist, sie und ihre "Islamkritik" vollends zu
diskreditieren. Daher überbieten sich Parteien wie "Pro Deutschland" oder
"Die Freiheit" mit Abscheubekundungen.
Rouhs ist darin bereits geübt: Als im Jahr 2003 ein vormaliger Aktivist der
"Deutschen Liga für Volk und Heimat", für die Rouhs vor seinem
"Pro"-Engagement aktiv war, im rheinischen Overath drei Menschen mit einer
Pumpgun erschoss, versicherte er, schon Jahre zuvor jede Verbindung zum
Täter abgebrochen zu haben.
## Bärendienst, cui bono?
Auch in den islamfeindlichen Internetforen herrscht helle Aufregung. Der
größte Blog der Islamhasser, "Politically Incorrect" (PI), sah sich sogar
genötigt, dem Gerücht entgegenzutreten, Breivik sei identisch mit dem
szenebekannten Blogger Fjordman.
Auf PI ist man sich nur darüber einig, dass nun, wie es ein Kommentator
formuliert, "dunkele Zeiten für uns Islamkritiker kommen" werden. Ansonsten
gehen die Einordnungen des Massakers auseinander. Nachdem man noch
Freitagabend unter dem Titel "Warum bombt Islam ausgerechnet in Oslo?"
munter über die vermeintlichen Hintergründe debattierte ("Grund: Einsatz in
Afghanistan und Mohammed-Karikaturen"), wird Breivik inzwischen in einem
redaktionellen Beitrag als "größter Feind der Islamkritik" bezeichnet. An
anderer Stelle ist nunmehr von "einer konservativen Katastrophe" die Rede.
Breivik habe der "Islamkritik" einen "Bärendienst erwiesen.
In einigen Kommentaren klingt auch ungewohnte Selbstkritik an: Es sei
"wichtig zu bemerken, dass die ,Bösen' nicht immer nur andere sind". Andere
Kommentatoren geben sich unverdrossen: "Man stelle sich mal vor, in Kanada
erschlagen radikale Tierfreunde eine Gruppe Robbenjäger. Kein Mensch würde
deshalb den weltweiten Umweltschutz verdammen." Manche üben sich auch in
Verschwörungstheorien: "Die Frage, die man sich immer wieder stellen
sollte, wenn so etwas passiert, ist: Cui bono?"
Aber manche sympathisieren auch mit Breivik. Er gebe "sein persönliches
Leben dafür hin, mit überlegt kriegerischem Verhalten dem Erhalt seines
Volkes und seiner Kultur eine, wenn auch kleine, Chance zu geben", schreibt
ein Kommentator. "So grausam, wie die Wahrheit ist, ich kann daran nicht
unmittelbar einen Gedankenfehler erkennen."
Ein anderer kritisiert nur das Anschlagsziel: "Warum hält der sich nicht an
das was er schreibt, sondern macht sich zum meistgehassten Kindermörder
Europas, anstatt zum Helden im Kampf gegen das Gutmenschentum?" Wieder
andere beweisen auf ihre Art ihre Unverdrossenheit: "Schade", meint einer,
"dass es in Norwegen keine Todesstrafe gibt."
25 Jul 2011
## AUTOREN
P. Beucker
K. Litschko
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