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# taz.de -- Datenclouds an Schulen: Lernen über die Wolken
> In einigen Schulen gibt es das Prinzip der allgegenwärtigen Infowolke
> schon. Eine Reise zu den Versprechen und Gefahren der Datenclouds über
> den Schulen.
Bild: Daten rein, Daten raus: die Datencloud.
Was Apple-Gott Steve Jobs seit Wochen als neu anpreist, ist für Yannick
Bell längst Alltag. Hausaufgaben, Gruppenarbeiten und E-Mails – auf all das
greift der 16-jährige Schüler zu: Im Unterricht, zu Hause, vom Smartphone
aus. "Für mich ist die Cloud nichts Neues", sagt Bell. Er lernt über die
Datenwolken.
Bell gehört zu einer der acht Notebook-Klassen der Integrierten
Gesamtschule (IGS) Roderbruch in Hannover. Von der Schule bekommen er und
seine KlassenkameradInnen einen virtuellen Arbeitsplatz, der auf dem
schuleigenen Rechenzentrum liegt. Hier können sie auf alle Programme
zugreifen, die sie für die Arbeit an der Schule brauchen. Die Verwaltung
des Systems ist ausgelagert: Die im 70 Kilometer entfernten Braunschweig
ansässige Firma IServ kümmert sich um die Cloud.
Die Gesamtschule ist Teil der im Jahr 2000 von der Landesregierung
Niedersachsen ins Leben gerufenen Initiative "mobiles lernen-21".
Ursprünglich als öffentlich-private Partnerschaft zur Ausstattung der
Schulen mit Laptops geplant, braut sich die Initiative zu einer Cloud
zusammen. Von 1.300 allgemeinbildenden Schulen haben sich bisher mehr als
300 dem Projekt angeschlossen. "Wir machen nichts anderes als
Cloudcomputing", meint Herbert Jancke, der Projektleiter von "mobiles
lernen-21".
Andreas Breiter sieht das anders. Der Bildungsforscher vom Institut für
Informationsmanagement in Bremen hält n-21 für eine rein politische Nummer,
als Plattform für Projekte und Partnerschaften mit Unternehmen. Das sei
"keine Initiative zum Betrieb einer Cloud", sagt Breiter. Wenn es bei der
Umsetzung von "Bildungsclouds" überhaupt ein gutes Beispiel für ein Land
gebe, dann Baden-Württemberg mit seiner Musterlösung für Schulen und dem
dahinter stehenden Support oder Rheinland-Pfalz mit seinen zentralen
Angeboten. Eine standardisierte Cloud gibt es in Niedersachsen nicht. Es
braucht engagierte und kenntnisreiche IT-Pioniere wie Hagen Heinrich.
Heinrich ist seit 1973 Lehrer an der IGS Roderbruch und hat die
schulinterne Cloud 2008 eigenhändig aufgebaut.
## Die Cloud als Definition
Unzweifelhaft dagegen ist das Potenzial des Cloudcomputing. In Zeiten
knapper Kassen besticht die Idee, die oft veralteten und störanfälligen
Computerkabinette in die Cloud auszulagern. Schulträger, in der Regel die
Gemeinden, müssen sich so nicht mehr um die Beschaffung der Hardware
sorgen, die bringen die Schüler selber mit. "Die Realität holt uns ein",
sagt Heinrich. "In spätestens fünf Jahren wird jedes Kind in der Schule ein
iPad oder ein ähnliches Gerät haben."
Er rechnet vor: Man habe zunächst zwar 100.000 Euro in WLAN-Netze für die
ersten Klassenräume investieren müssen, die würden sich aber schnell
amortisieren. Denn für die 112 Computer der Gesamtschule muss für 60.000
Euro alle drei bis fünf Jahre, dann, wenn die Technik längst wieder
veraltet ist, Ersatz her. Bis das Computerkabinett der Schule abgebaut ist,
vergeht wohl noch eine Weile. Nach den Ferien sollen 17 von 73 Klassen mit
Notebooks auf die Datenwolke zugreifen können.
Was in dieser Rechnung noch nicht auftaucht: Instandhaltung und Verwaltung
der Geräte. Der Zweckverband Kommunale Informationsverarbeitung
Baden-Franken, der gerade an dem vom Bund geförderten Pilotprojekt
"CloudCycle" arbeitet, schätzt, dass die Schulen jährlich 1.000 Euro
Administrationskosten pro Computer ausgeben. 25 bis 50 Prozent dieser
Kosten könnten durch eine Cloud eingespart werden. Bei einer vorsichtigen
Schätzung ergibt sich so pro Schule ein Einsparungspotenzial von 15.625
Euro im Jahr. Angenommen, alle 30.000 deutschen Schulen partizipierten an
einer Cloud, ähnlich der der IGS Roderbruch, dann könnten die Schulträger
beinahe eine halbe Milliarde Euro im Jahr sparen. Die Crux: Im Säckel der
Gemeinden tauchen diese Einsparungen voraussichtlich nicht auf, weil die
Schulen aus Geldnot bisher nicht auf IT-Fachleute setzten. "Noch immer
übernehmen völlig überforderte Lehrer diese Aufgaben in ihrer Freizeit",
sagt Heinrich.
## Die Cloud fürs neue Lernen
Dies wirft dann auch eine zweite Frage auf: Die Qualität des Unterrichts,
das neue Lernen. Die Cloud könnte schaffen, was Jahrzehnte der
Computerpools nicht konnten - Web2.0-Medien tatsächlich für den Unterricht
fruchtbar zu machen.
"Was die Nutzung von Computern im Unterricht angeht, hat sich Deutschland
verbessert - liegt aber weiterhin klar unter dem OECD-Durchschnitt", sagt
Andreas Schleicher, Leiter der OECD-Abteilung für Indikatoren und Analysen
und "Mister Pisa", im Gespräch mit der taz. Zu diesem Ergebnis kommt die
Studie "Students Online". Sozioökonomische Unterschiede bei der Nutzung von
Computern hätten direkte Auswirkungen auf die schulischen Leistungen, so
Schleicher. Schulen könnten dazu beitragen, Unterschiede auszugleichen. Im
asiatischen Raum, Australien, Neuseeland sowie Island und Schweden
funktioniere das besser als in Deutschland.
Eine "neue" zweite digitale Kluft - zwischen den Schülern, die über die
richtigen Kompetenzen und Fähigkeiten verfügen, um von der Computernutzung
zu profitieren, und denjenigen, die diese nicht mitbringen -, was hat die
Cloud damit zu tun? "Wie im Bereich der Medienkompetenz wird auch die
,Bildungscloud' unterschiedlich gut umgesetzt werden und die digitale Kluft
verstärken", sagt Bildungswissenschaftler Breiter. Reiche Städte wie
München könnten viel Geld in den Ausbau der schulischen IT-Infrastruktur
investieren. Während arme Städte und vor allem ländliche Strukturen oft
noch nicht einmal breitbandige DSL-Anschlüsse hätten.
Damit die Cloud nicht zum bildungspolitischen Luftschloss wird, müssten die
Länder mehr tun, sagt Breiter: Geld beisteuern und IT-Strukturen aufbauen.
"Ein Land, eine Cloud - das wäre der Idealzustand."
Yannick Bell indes kann sich glücklich schätzen, einen Platz in einer der
wenigen deutschen Datenwolken sicher zu haben. "Hier lebt keiner mehr
hinter dem Mond", sagt er zufrieden.
Noch heute Abend setzt er sich vor seinen Laptop und schaut in die Cloud.
Sollte morgen eine Stunde ausfallen, erfährt er es hier. Allerdings gibt es
das Arbeitsmaterial des verhinderten Lehrers dann gleich dazu.
27 Jul 2011
## AUTOREN
Lukas Ondreka
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