# taz.de -- SPD und Grüne vor der Berlin-Wahl: Die Angst, über die CDU zu red… | |
> Gut möglich, dass die CDU nach dem 18. September in den Berliner Senat | |
> kommt. Bei SPD und Grünen spricht man über eventuelle Koalitionen mit der | |
> Union nur hinter vorgehaltener Hand. | |
Bild: Der Kandidat und sein Plakat: Der CDU-Landesvorsitzende Frank Henkel | |
## Rot-Schwarz? | |
Eigentlich kann sich die SPD freuen. Die letzte Emnid-Umfrage sah die | |
Partei bei 32 Prozent, die Grünen liegen fast 10 Prozentpunkte dahinter. | |
Das Duell Klaus Wowereit gegen Renate Künast scheint entschieden - und | |
dennoch ist die sozialdemokratische Welt nicht in Ordnung. "Die meisten | |
Schnittstellen haben wir mit den Grünen und der Linken", sagt ein SPD-Mann | |
aus dem Abgeordnetenhaus. Doch nicht jede Schnittstelle mündet am Ende in | |
ein Regierungsbündnis. Deshalb sagt der SPDler: "Eine Koalition mit der CDU | |
kann ich nicht ausschließen." | |
Zehn Jahre nach dem Ende der großen Koalition feiern die Christdemokraten | |
ihr Comeback. Allerdings hat es Spitzenkandidat Frank Henkel nicht | |
geschafft, die Wählergunst zu steigern. Seine Partei dümpelt bei 20 Prozent | |
vor sich hin. | |
Doch die Gunst der anderen Parteien ist Henkel sicher. Bleibt es erstens | |
bei der SPD als Nummer eins und den Grünen als Nummer zwei und reicht es | |
zweitens nicht für eine Fortsetzung von Rot-Rot, kommt Henkel die Rolle des | |
Königsmachers zu. Seine CDU könnte dann den Ausschlag dafür geben, ob Klaus | |
Wowereit Regierender Bürgermeister bleibt. Oder ob nach Winfried | |
Kretschmann mit Renate Künast eine zweite Grüne zur Landeschefin in | |
Deutschland gewählt wird. | |
Der SPD-Abgeordnete will zu diesem Thema nicht mit Namen zitiert werden - | |
so wie viele Sozialdemokraten und Grüne. Zu heiß ist das Thema. Also | |
versucht er es mit Vorwärtsverteidigung: "Nicht wir entscheiden darüber, ob | |
die CDU an der Regierung beteiligt wird, sondern die Grünen. Schließlich | |
ist die CDU die einzige Chance für Künast, Regierungschefin zu werden." | |
Was er verschweigt: Auch für Klaus Wowereit kann die CDU die letzte Chance | |
sein. Zumindest eine Sprachregelung haben sie bei der SPD dafür schon | |
gefunden. " ,Große Koalition' heißt das dann auf keinen Fall. Schließlich | |
haben wir dann deutlich mehr Stimmen als die CDU." Die Botschaft ist klar: | |
Große Koalition, das war unter Eberhard Diepgen, mit der CDU als Koch und | |
der SPD als Kellner. Sollte es jetzt zu Rot-Schwarz kommen, wären die | |
Rollen anders verteilt. | |
Das linke Gewissen der Berliner SPD sitzt in Kreuzberg. Dort haben sie die | |
größten Bauchschmerzen, wenn es um Rot-Schwarz geht. "Für uns wäre das | |
keine gute Wahl", sagt ein führendes Mitglied der Parteilinken. "Wir | |
sollten uns kein Rennen mit den Grünen um die CDU liefern." | |
Die Parteilinken in der SPD setzen deshalb auf Einsicht bei Renate Künast. | |
"Für die Grünen ist Rot-Grün doch auch attraktiver als Grün-Schwarz." Oder | |
aber sie appellieren an die eigenen Genossen. "Wenn Künast wirklich | |
Grün-Schwarz will, soll sie es haben. Dann soll sie sehen, wie ihr der | |
Laden um die Ohren fliegt. Besser, es zerreißt die Grünen als uns." | |
Und hat nicht Hamburg gezeigt, dass der SPD ein bisschen Opposition gegen | |
Schwarz und Grün guttut? Eine andere SPD-Linke sagt: "Rot-Schwarz ist für | |
manchen sicher Anlass, das Parteibuch zurückzugeben." | |
Es gibt auch andere Stimmen. In Neukölln zum Beispiel. Dort, wo Heinz | |
Buschkowsky, der Parteirechte, das Sagen hat. "Politik heißt, Verantwortung | |
zu übernehmen", heißt es dort. "Sein Heil in der Opposition zu suchen ist | |
keine Lösung". Das passende Argument dafür lautet Richtlinienkompetenz: | |
Laut Verfassung hat der Regierende Bürgermeister das letzte Wort in einer | |
Koalition. Auch in einer mit der CDU. In Neukölln, sagt die Stimme, müsse | |
man dafür nicht werben. "Ich weiß aber nicht, ob wir dafür im Landesverband | |
eine Mehrheit bekommen würden." | |
"Sie kennen doch unsere Partei", sagt ein Sozialdemokrat, der weiß, wie die | |
Berliner SPD tickt. Und die CDU. "Das ist doch nicht nur Frank Henkel, da | |
gibt es doch immer auch noch die Michael Brauns oder Kurt Wansners." | |
Die alte Westberliner CDU ist für viele Sozialdemokraten immer noch ein | |
rotes Tuch. Und mit denen soll man nach zehn Jahren wieder im selben Boot | |
sitzen? "Schwer vorstellbar", sagt der Sozialdemokrat. Aber eben auch | |
"nicht auszuschließen." | |
In einem aber sind sich alle einig: "Für uns Sozialdemokraten würde die CDU | |
zu einer größeren Zerreißprobe werden als bei den Grünen." | |
## Grün-Schwarz? | |
Grüne und CDU? Reflexe ruft das vor allem in Kreuzberg hervor, da, wo die | |
Grünen noch Turnschuhe tragen und Christian Ströbele den roten Schal | |
umwickelt. "Nein", sagt einer, der das mit den Turnschuhen so schnell nicht | |
ändern möchte, "eine Koalition mit der CDU kann ich mir nicht vorstellen." | |
Dann schiebt er hinterher: "Was ich mir viel eher vorstellen könnte, wäre | |
eine Koalition mit der Linkspartei." | |
So sind sie also, die Kreuzberger Grünen. Und doch weht auch bei ihnen ein | |
anderer Wind. "Grün-Schwarz ist was anderes als Schwarz-Grün", hatte schon | |
zu Beginn des Wahlkampfs einer der ihren gesagt. Auch mit dem Verweis auf | |
die Richtlinienkompetenz der Regierungschefin. Die Front bröckelt also. | |
Einer, der diese Front ohnehin nie aufgebaut hat, sitzt im | |
Abgeordnetenhaus. Dort, sagt er, habe er einen tiefen Einblick in die | |
politische Kultur der SPD bekommen. "Der Sumpf ist größer, als ich anfangs | |
glauben mochte", sagt er. Und weil wer A sagt, auch B sagen muss, fügt er | |
hinzu: "So groß ist der Sumpf, dass man ihn gar nicht mit der SPD | |
austrocknen kann, sondern nur gegen sie." Also nicht Rot-Grün, sondern | |
Grün-Schwarz. Und der Sumpf bei der CDU? "In ihren zehn Jahren Opposition", | |
sagt der Abgeordnete, der seinen Namen nicht gedruckt wissen will, sei die | |
CDU trockener gelegt als die Regierungspartei SPD. | |
Grün-Schwarz also. Bleibt es bei den Umfragen, dann ist das die einzige | |
Koalition, mit der Renate Künast ihr Wahlziel einlösen kann, Regierende | |
Bürgermeisterin von Berlin zu werden. Was aber würde das für die Basis | |
bedeuten. Wie erklärt man den Kreuzbergern, dass am 1. Mai bald vielleicht | |
Frank Henkel als Innensenator das Feld beherrscht. Was ist am Ende | |
wichtiger: die Karriere von Renate Künast - oder die inhaltliche | |
Übereinstimmung mit der SPD, wenn schon nicht bei der Stadtentwicklung, so | |
doch in der Schulpolitik, der Integration, der Innenpolitik? | |
"Diesen Gegensatz gibt es nicht", sagt ein Realo aus dem Abgeordnetenhaus. | |
"Von Beginn an haben Renate Künast und der grüne Landesverband mit einer | |
Stimme gesprochen." Das werde so bleiben, verspricht der Abgeordnete. Und | |
wenn die Sondierungen mit der CDU scheitern? "Wenn es nicht geht, wird | |
Renate Künast die Letzte sein, die das nicht akzeptiert." | |
Für viel spannender als über einen Konflikt zwischen Spitzenkandidatin und | |
Parteiseele zu räsonnieren hält es der Realo, darüber nachzudenken, wie man | |
möglichst viel Grün in einer Koalition mit der Union erreicht: "Wenn wir | |
mit der CDU die A 100 nicht bauen, soll doch Klaus Wowereit einmal sehen, | |
ob er lieber mit der CDU die A 100 baut." | |
Hinter dieser sibyllinischen Formel steckt nicht nur die Feststellung, dass | |
der Stopp der Stadtautobahn A 100 ein mehr als symbolischer Erfolg für die | |
Grünen wäre. Sie deutet auch an, was die Präferenz beim möglichen | |
Königsmacher Frank Henkel sein könnte. Für den CDU-Spitzenkandidaten wäre | |
Grün-Schwarz, das Neue, womöglich reizvoller als die Neuauflage der großen | |
Koalition, diesmal aber mit der CDU als Juniorpartner. Und dann ist da auch | |
noch die Kanzlerin, die sich bestimmt über eine neue Option über die | |
Bundestagswahl 2013 hinaus freuen würde. | |
So groß das Grummeln in Friedrichshain-Kreuzberg über Grün-Schwarz sein | |
mag, im Parlament löst dieser Gedanke längst keine Reflexe mehr aus. "Wir | |
sind angetreten, die Regierungschefin zu stellen", sagt ein grüner | |
Pragmatiker. "Wenn das nur mit der CDU geht, dann geht es nur mit der CDU. | |
Oder soll Renate Künast dann plötzlich sagen, dass sie ihr Wahlkampfziel | |
nicht mehr ernst nimmt?" Sorge, dass die Basis dem ein Bein stellt, hat er | |
nicht. "Da wird auf der Landesdelegiertenkonferenz kein Einziger gegen | |
seine eigene Spitzenkandidatin stimmen. Schließlich sind wir erst mit ihr | |
so weit gekommen. Ohne sie hätten wir nie den Anspruch formuliert, ins Rote | |
Rathaus zu ziehen." | |
Entscheidend ist, was rauskommt. Darauf können sich alle verständigen, von | |
Kreuzberg bis Pankow, von Zehlendorf bis Neukölln. Einer sagt es so: "Wenn | |
wir aus den Koalitionsverhandlungen mit der CDU nur auf einer Arschbacke | |
grün rauskommen, können wir es bleiben lassen." Dann, meint ein anderer | |
Abgeordneter, müsse man aber den Preis für eine Koalition mit der SPD | |
hochtreiben. "Nur die Linken ersetzen, die immer nur alles abnicken, ist | |
Quatsch. Wir müssen an die Schlüsselressorts ran." | |
Auch wenn die Grünen in Umfragen hinter der SPD liegen - ihr | |
Selbstbewusstsein hat keine Federn gelassen. Eine Zerreißprobe wie bei der | |
SPD scheint das Thema CDU bei ihnen nicht zu sein. | |
1 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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