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# taz.de -- "News of the World"-Journalist über Abhören: "Rebekah hat ein Pok…
> Die "News of the World" sei eine großartige Zeitung gewesen, sagt James
> Alan Anslow. Er arbeitete bei dem kürzlich eingestellten Boulevardblatt
> und fühlt sich heute stigmatisiert.
Bild: Hatte sich den Spitznamen "Königin der Boulevardblätter" erarbeitet: Re…
taz: Herr Anslow, Sie haben früher bei der nun eingestellten News of the
World (NotW) geschrieben.
James Alan Anslow: Und ich bin immer noch stolz darauf.
Obwohl Ihre früheren Kollegen Anrufbeantworter abhörten?
Um das klarzustellen: Es finde es schrecklich, was geschehen ist. Aber ich
höre jetzt immer, dass es weit verbreitet gewesen sein soll. Das glaube ich
nicht. Es waren vielleicht zwei oder drei Reporter, der Rest waren
Privatdetektive. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass es nach dem ersten
Skandal von 2007 jemand gewagt hätte, weiterhin Handy-Anrufbeantworter
abzuhören. Das wäre doch Karriere-Selbstmord gewesen.
Sie sprechen vom Skandal um Clive Goodman, den früheren Hofreporter der
NotW, der die Anrufbeantworter von Prinz Williams Mitarbeitern abhörte und
dafür 2007 für vier Monate ins Gefängnis ging.
Genau. Clive ist ein guter Freund von mir.
Viele glauben, dass er nur ein Bauernopfer war, um zu vertuschen, dass auch
andere Journalisten Anrufbeantworter abgehört haben und die Konzernoberen
davon gewusst haben.
Ich habe lange nicht mehr mit ihm gesprochen, und er muss sich vermutlich
an Schweigeklauseln halten. Aber ich kann mir vorstellen, dass er es so
sieht, wie Sie sagen - dass er für andere den Kopf hingehalten hat.
In der Redaktion wurde nie über die Abhörmaßnahmen gesprochen?
Nein, nicht bevor die Sache mit Clive herauskam. Mir hat man überhaupt erst
einmal erklären müssen, wie man einen Handy-Anrufbeantworter knackt. Es hat
wohl damit zu tun, dass sie früher mit voreingestellten PIN-Nummern
geschützt waren - 1234 oder 0000. Wenn eine Person den PIN-Code nicht
geändert hatte, war es ein Leichtes, sie zu knacken.
Glauben Sie, dass die Chefredaktion eingeweiht war? Rebekah Brooks etwa,
die zeitweise die NotW leitete und als einflussreiche Medienfrau gilt?
Als Rebekah vor den Parlamentsausschuss geladen wurde, hat sie sinngemäß
ausgesagt, dass sie einem respektierten Kollegen vertraut, wenn er ihr
sagt, dass er Beweise für eine Geschichte hat. Und ich bin mir sicher, dass
das auch stimmt. Aber es gibt unterschiedliche Reporter mit
unterschiedlichen Geschichten. Und ich weiß, dass jeder Chefredakteur eines
Boulevardblattes zwei Fragen stellt, wenn ein Reporter mit einer Geschichte
ankommt: Erstens - was kostet sie? Und zweitens - wo sind die Beweise?
Der jetzige Abhörskandal entzündet sich vor allem an der Tatsache, dass
Milly Dowlers Mailbox abgehört worden ist, eines Mädchens, das 2002
ermordet wurde. Rebekah Brooks war in dieser Zeit die Chefredakteurin der
NotW. Hätte sie bei der Milly-Dowler-Geschichte nachgefragt, welche Beweise
vorliegen?
Das ist die 64.000-Euro-Frage, nicht wahr? Ich kann nur sagen, dass ich es
für wahrscheinlich halte. Rebekah hat sich oft in Geschichten eingemischt.
Sie war keine Chefredakteurin, die um sechs Uhr Schluss macht und in
irgendein schickes Restaurant geht. Sie hat sich ums Tagesgeschäft
gekümmert und in Artikel reingefuchst. Ich habe gehört, wie sie bei anderen
Geschichten nachgehakt hat: Woher haben wir diesen Fakt? Wie können wir es
beweisen?
Sie haben mit Rebekah Brooks früher zusammengearbeitet - was ist sie für
ein Mensch?
Ich habe sie kennen gelernt, als sie noch eine junge Reporterin war. Ich
habe die Blattmacherabteilung geleitet, und eines Tages kam eine Gruppe
junger Journalisten zu uns und hat sich erklären lassen, wie wir arbeiten.
Als die anderen gegangen sind, ist eine Frau da geblieben und hat weiter
Fragen gestellt - das war Rebekah. Sie ist nicht die talentierteste
Schreiberin, aber sie ist charmant, energiegeladen, ehrgeizig und eine
perfekte Netzwerkerin. Und sie hat ein Pokerface. Ich konnte nie
einschätzen, was sie gerade denkt.
Wie sieht es mit den Murdochs aus? Was haben sie vom Skandal gewusst?
Rupert Murdoch hat vor einem britischen Parlamentsausschuss erklärt, dass
die NotW noch nicht einmal 1 Prozent seines Umsatzes ausmacht und er sich
deswegen nicht darum gekümmert hat. Das kann ich nachvollziehen.
Und sein Sohn James, der das Europageschäft von NewsCorp leitet und als
Nachfolger aufgebaut werden soll?
Er hat vor dem Ausschuss sinngemäß ausgesagt, dass er über das Ausmaß der
Abhörmaßnahmen nicht informiert gewesen war, weil ihn seine Mitarbeiter
nicht eingeweiht hatten. Letzte Woche haben Colin Myler, der letzte
Chefredakteur der NotW, und Tom Crone, der Medienanwalt des Blattes, ihm
öffentlich widersprochen. Und James Murdoch hat seine Aussage noch einmal
bekräftigt.
Wem glauben Sie - James Murdoch oder den beiden?
Ich kenne Colin Myler nicht gut, aber ich habe jahrelang mit Tom
zusammengearbeitet und ich halte ihn für einen fantastischen
Zeitungsanwalt. Wenn er sagt, dass James Murdoch eingeweiht gewesen ist,
dann glaube ich ihm.
Warum sind die beiden an die Presse gegangen?
Ich vermute, dass sie ihre Namen reinwaschen wollten. Sie haben wohl Angst,
dass der Eindruck entsteht, dass sie allein für die Vertuschung
verantwortlich waren. Außerdem ist Tom gefeuert worden. Rebekah hat vor dem
Parlament gesagt, dass sie keine Zukunft mehr für ihn im Unternehmen sieht
- obwohl er nicht nur für die eingestellte NotW, sondern auch für die Sun
gearbeitet hat und der beste Zeitungsanwalt ist, den ich kenne. Und so
jemand soll keine Zukunft mehr im Unternehmen haben? Das ist doch absurd.
Hat James Murdoch eine Zukunft bei NewsCorp?
Ich habe gelesen, dass die Aktionäre zu ihm halten. Aber die Affäre hat
NewsCorp sehr geschadet. Der Konzern war gerade dabei, den Fernsehkonzern
BSkyB vollständig zu übernehmen, als der Skandal ausbrach. Ich kann mir nur
schwer vorstellen, dass die Regierung die Übernahme jetzt genehmigt,
solange die Murdochs bei NewsCorp an der Macht bleiben. Früher sind
Politiker bei ihnen aus und ein gegangen. Jetzt kann sich niemand mehr mit
ihnen sehen lassen.
Also hat der Skandal auch Gutes bewirkt?
Für Großbritannien als Ganzes wird er heilsam sein. Politiker und
Medienbosse werden wieder etwas mehr Abstand zueinander halten. Die Polizei
wird ihre Aufgabe wieder besser erledigen. Die Kehrseite ist, dass eine
große Zeitung, die einst für ihre Investigativrecherchen bekannt war, nun
verschwunden ist - und das in einer Zeit, in der es den Printmedien ohnehin
schon schlecht geht.
Was ist mit Ihren ehemaligen Kollegen? Schämen die sich heute, bei der NotW
gearbeitet zu haben?
Viele haben jetzt das Gefühl, dass ihnen ein Stigma anhaftet. Ein
ehemaliger Kollege hat sich vor Kurzem bei einem neuen Job beworben. Als er
ins Büro getreten ist, hatte er das Gefühl, dass ihn alle vorwurfsvoll
anstarren. Viele sind besorgt, dass sie keine Stelle mehr finden.
Und Sie persönlich?
Ich habe fast mein gesamtes Arbeitsleben dort verbracht. Rebekah hat mir
ein schmeichelhaftes Zeugnis geschrieben. Das alles ist jetzt beschmutzt
worden, zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung. Aber wissen Sie was -
wenn ich die Leute auf der Straße frage, dann höre ich oft den Satz, dass
sie die NotW vermissen. Ich glaube, es war eine großartige Zeitung.
1 Aug 2011
## AUTOREN
Serge Debrebant
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