Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Geißler im Deutschlandfunk: "Läuft das jetzt live?"
> Der Deutschlandfunk fragt Heiner Geißler, warum er vor einem "totalen
> Krieg" in Stuttgart warnt. Daraus entwickelt sich ein Lehrstück über
> allzu gerechte Empörung.
Bild: Kohls Ex-Scharfmacher und spät berufener Attac-Held hat viel Unsinn gere…
BERLIN taz | Natürlich könnte man jetzt endlich mal wieder Witze über zu
viel Doppelherz und andere Seniorenwässerchen machen. Keine Ahnung, was
Heiner Geißler genommen hat, aber da warnte der alte Herr am vergangenen
Freitag munter vorm "totalen Krieg", der drohe, weil sich die Lager in
Sachen Stuttgart 21 weiter höchst unversöhnlich gegenüberstehen.
Geißler ist immer für Erregung gut, Deutschland erregte sich denn auch am
Wochenende mit großer Begeisterung – [1][und dann kam der Deutschlandfunk
(DLF).] Am Dienstag, kurz vor halb neun, Deutschland putzte sich gerade die
Zähne. Und zunächst plänkelte ein für DLF-Verhältnisse überraschend harsch
nachfragender Journalist mit dem Stuttgart-21-Schlichter über die nicht
gerade eurphorische Reaktion auf dessen Plan B.
Den hatte Geißler an eben jenem Freitag überraschend aus dem Hut gezogen,
als gut entstaubte Variante eines 15 Jahre alten Vorschlags, eine
Kombination aus Kopf- und Tiefbahnhof in der schwäbischen Hauptstadt zu
bauen. Nein, grantelte Geißler, er sei nicht enttäuscht, dass die breite
Reaktion darauf bislang eher negativ ausfiel. Das könne man auch "nicht
erwarten, wenn die Schnelldenker das Sagen haben". Jetzt gelte es erst mal
abzuwarten, bis die "kompetente Seite" Zeit gefunden habe, sich das alles
genauer anzusehen.
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) konnte damit nicht gemeint
sein, schließlich hatte der Geißlers Anregung schon am Wochenende
verworfen. Doch hier hakte der DLF-Mann auch nicht so richtig nach,
vielleicht weil Geißler anhob, vollumfänglich Presseschelte zu betreiben –
und darauf stehen wir Medienprofis nun mal nicht so: Das "Hauptproblem sind
auch Ihre Kollegen", musste sich der Mann vom Deutschlandfunk anhören, es
gebe "Leute, die reden einfach drauf los – das ist die Presselage".
## Den Ball ein bisschen flacher halten
Deswegen redete die Presse auch längst – über Geißlers "totalen Krieg",
auch dieser Beitrag macht's nicht anders, und natürlich war und ist diese
Wortwahl daneben. Aber weil selbst ein Willy Brandt einen wie Heiner
Geißler mal als "schlimmsten Hetzer seit Goebbels" bezeichnet hat, könnte
man den Ball einfach ein bisschen flacher halten. Denn was Geißler meint,
hat er im Radiointerview nochmals eindeutig ausgeführt: Er wolle "klar
machen, was in Stuttgart los ist" – und wohl auch, was künftig los sein
wird, wenn dort weiterhin die Quadratur des Kreises versucht wird.
"Ich habe es benutzt, um die Situation klar zu machen. Waren Sie schon mal
in Stuttgart?", fragte Geißler, denn dort sei schon Krieg, "da gibt es
hunderte Verletzte, ein Mensch ist erblindet" – und er habe die "Absicht,
deutlich zu machen, dass wir Frieden brauchen". Allein kann niemand in
Deutschland vom totalen Krieg reden – auch wenn der Begriff nicht von
Goebbels, sondern vom Rechtsaußen-General Erich Ludendorff stammt und wie
so vieles in Sachen Krieg in Deutschland auf Clausewitz zurückgeht – ohne
die gerechte Strafe zu empfangen.
Das geht auch in Ordnung, und wenn Geißler wieder mehr auf Zack ist als in
der letzten Phase des Interviews mit dem Deutschlandfunk ("Läuft das jetzt
live über den Sender?"), dürfte er es selbst nicht so viel anders sehen.
Aber so ging es im Restgespräch um den "totalen Krieg" der Nazis – und
Deutschland war wach. Doch was taugt es, Geißler dafür zu verhaften, dass
er die Nazis "verharmlosen" wolle? Kohls Exscharfmacher und spät berufener
Attac-Held hat in seinem Leben viel Unsinn geredet. Aber eine Verharmlosung
der Nazis war nie dabei (die Verunglimpfung von Pazifisten bekanntermaßen
schon).
Allein, es half nichts. Denn Deutschland war bereits empört und lässt sich
dabei nur ungern stören. Also hakte der Interviewer weiter nach und grub
sich hübsch die Grube selbst: Auch wenn das alles nicht so gemeint sei: Was
Geißler denn zur Empörung vieler Leute ob seiner Ausfälligkeit sage, wollte
er wissen. "Viele Leute – wer ist das?", fragte Geißler, der Fuchs.
Interviewer: "Die Hörer des Deutschlandfunks zum Beispiel." Geißler: "Ach
so. Das sind aber nicht viele Leute." Womit Geißler recht hat – was der
Frage, wie man Stuttgart 21 in den Griff kriegen will, aber auch nicht
wirklich weiterhilft.
2 Aug 2011
## LINKS
[1] http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2011/08/02/dlf_20110802_0814_c388…
## AUTOREN
Steffen Grimberg
## TAGS
Schwerpunkt Stuttgart 21
Schwerpunkt Stuttgart 21
Schwerpunkt Stuttgart 21
Schwerpunkt Stuttgart 21
Schwerpunkt Stuttgart 21
Schwerpunkt Stuttgart 21
Schwerpunkt Stuttgart 21
Schwerpunkt Stuttgart 21
## ARTIKEL ZUM THEMA
Streit um Stuttgart 21: Das Ländle will den Kompromiss
Geißlers Vorschlag zu Stuttgart 21 wurde allseitig belächelt. Jetzt zeigt
eine Studie: 69 Prozent der Baden-Württemberger wollen, dass der
Kombibahnhof ernsthaft verhandelt wird.
Kommentar zu Stuttgart 21: Wollt ihr den totalen Geißler?
Der Streit um den Bahnhof in Stuttgart geht schon viel zu lange. Für keine
Seite hat die Debatte bisher Nennenswertes gebracht.
Streit um Stuttgart 21: Attacke gegen den Schlichter
Heiner Geißlers Kompromissvorschlag, einen Mix aus Kopf- und Tiefbahnhof zu
bauen, verfehlt seinen Zweck. Die SPD wird persönlich, die Grünen zeigen
sich wohlwollend.
Kommentar Geißlers Spruch: Magisches Denken
Geißlers Kritiker tun so, als würde bestimmten Wörtern per se etwas Böses
innewohnen - weshalb man sie nie aussprechen sollte. Doch ist das Denken
dahinter entscheidend.
Geißler benutzt Goebbels-Spruch: "Keine Sprechweise der Nazis"
"Wollt Ihr den totalen Krieg?", fragte S21-Schlichter Geißler am Freitag.
Nun streitet er ab, dass er damit die Sprechweise der Nazis verharmlose –
doch das Zitat stammt von Goebbels.
"Stuttgart 21"-Kompromiss: Alter Vorschlag in neuem Licht
Heiner Geißler schlägt vor, nur Teile des Bahnhofs in Stuttgart zu
untertunneln. Die Idee wurde schon vor 14 Jahren mit gezinkten Zahlen
verworfen.
Streit um "Stuttgart 21": Der Griff nach dem letzten Strohhalm
Nur die Gegner des Tiefbahnhofs wollen den Kompromiss von Schlichter Heiner
Geißler überhaupt prüfen. Inzwischen vergibt die Bahn weitere
millionenschwere Bauaufträge.
Kommentar Schlichtung "Stuttgart 21": Schlichtung, völlig falsch verstanden
Wie ein Flugzeug mit einem Flügel. Mit Geißlers Kombibahnhof hätte
Deutschland ein bizarres Mahnmal für eine total falsch verstandene
Schlichtungspraxis.
Stuttgart 21-Kompromiss abgelehnt: Bahn vergibt neue Bauaufträge
Geißlers Kombilösung aus Kopf- und Durchgangsbahnhof findet bei der Bahn
keine Zustimmung. Sie hält an ihren Plänen fest. Die Landesregierung will
dagegen den Kompromiss ernsthaft prüfen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.