# taz.de -- 20 Jahre World Wide Web: Huch, sind wir schon so lange drin? | |
> Der Start des WWW vor 20 Jahren war der Beginn des Internets für alle. | |
> Welche Fakten kann man bei einem Gespräch zum Jubiläum kenntnisreich | |
> nennen? | |
Bild: Ist grade mal aus der Pubertät raus: das World Wide Web. | |
"A memex is a device in which an individual stores all his books, records, | |
and communications, and which is mechanized so that it may be consulted | |
with exceeding speed and flexibility. It is an enlarged intimate supplement | |
to his memory." | |
Vannevar Bush träumte bereits im Jahre 1945 in seinem Artikel "As we may | |
think" für die Zeitschrift Atlantic Monthly von einem maschinellen System, | |
welches das menschliche Wissen managen könnte. Bush war einer der Pioniere | |
in der Entwicklung des Radars und eine der zentralen Personen für das | |
US-Verteidigungsministerium im Zweiten Weltkrieg. Sein Begriff "Memex" | |
stand für "Memory Extender" - es sollte das menschliche Gedächtnis | |
unterstützen. Den Gedanken von einem "mechanischen Gedächtnis" hatten aber | |
auch schon andere. | |
So etwa der belgische Bibliothekar Paul Otlet. Auch er träumte 1934 von | |
einem "universellen Netzwerk, das die Verbreitung von Wissen ohne | |
Beschränkung erlaubt". Beide Visionen blieben Utopie - technisch war die | |
Umsetzung nicht möglich. Aber für all jene, die Bushs Traum in den | |
folgenden Jahren teilen sollten, war das "Memex" wichtige Inspiration. So | |
auch für Theodore Holm Nelson, kurz Ted Nelson. Mit seiner Idee "Xanadu" | |
prägte er, was noch einmal mehr als zwei Jahrzehnte später erst Tim | |
Berners-Lee in seinen Experimenten rund um das World Wide Web technisch | |
umzusetzen wusste: die Begrifflichkeit der Hypertext-Verlinkung. | |
Als Vorläufer des Internets, als erste technisch mögliche Vernetzung von | |
Rechnern, gilt das so genannte Arpanet von 1969. Das Arpanet (Arpa=Advanced | |
Research Projects Agency) verband erstmals Rechner in den Universitäten in | |
den USA, die im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums forschten. Für den | |
alltäglichen Gebrauch war das Internet allerdings nicht zugänglich. | |
Ein wichtiger Schritt, dies zu ändern, war die Erfindung des "Usenet" durch | |
amerikanische Informatikstudenten; ein praktisches Informationssystem für | |
den Austausch untereinander. Was im kleinen Kreis anfing, wurde bald zu | |
einem Treff- und Sammelpunkt von Netz-Träumern und -Visionären. Auch Tim | |
Berners-Lee, der Erfinder des World Wide Web, tauschte sich regelmäßig über | |
die Diskussionsgruppen im "Usenet" aus - dort öffnete er das erste | |
WWW-Netzwerk für die Welt. | |
## Und der Herr Berners-Lee schrieb, es werde Web | |
Am Anfang war das Wort. Ein Aufsatz des Physikers Tim Berners-Lee mit dem | |
unspektakulären Titel "Informationsmanagement: Ein Vorschlag" aus dem Jahr | |
1989 gilt als der Start zum World Wide Web. | |
Berners-Lee regte ein System an, mithilfe dessen im Internet einfacher auf | |
Daten zugegriffen werden kann: über sogenannte Hypertexte. Ziel sollte es | |
sein, dass auf jede Information im Internet ein Link gesetzt werden kann, | |
mithilfe dessen eine Information abgerufen werden kann. Tim Berners-Lee | |
wollte damit zunächst nur die tägliche Arbeit im Forschungszentrum Cern - | |
genau, das mit den Teilchenbeschleunigern in der Schweiz - erleichtern. | |
Dort wurde ein solches Netzwerk dann auch geschaffen. | |
Vielleicht wäre diese Idee für immer hinter den festen Mauern des Cern | |
verschwunden, hätte es Nari Kannan nicht gegeben. Der fragte nämlich am 2. | |
August 1991 in einer Usenet-Gruppe, die dem Austausch unter | |
Wissenschaftlern diente: "Weiß jemand etwas über die Entwicklung | |
qualifizierter Hypertext-Links?" Tim Berners-Lee antwortete vier Tage | |
später und endete mit den Worten: "Das WWW-Projekt wurde gestartet, um es | |
Teilchenphysikern zu ermöglichen, ihre Daten, Neuigkeiten und Dokumente | |
auszutauschen. Wir sind sehr daran interessiert, das Web auf andere | |
Bereiche auszuweiten und weitere Server an unser Netz anzuschließen, die | |
für andere Daten sorgen. Alle, die mitarbeiten wollen, sind willkommen!" | |
Das war der Startschuss für ein leichter zu benutzendes Internet für alle. | |
Am 6. August 1991 wurde das World Wide Web erstmals für andere öffentlich | |
zugänglich. Berners-Lees Computer, ein sogenannter "NeXT Cube", wurde zum | |
ersten Webserver der Welt - die erste Webpage-Adresse lautete | |
[1][info.cern.ch/hypertext/WWW/TheProject.html]. | |
Was folgte, ist Internetgeschichte. 1993 erschien der erste Browser namens | |
Mosaic auf dem Markt, der das World Wide Web auch Benutzern von PCs und | |
Macs zugänglich machte. | |
## "Sogenannte Hot Links" | |
Einige Jahre später kam das WWW auch in Deutschland an: "Rund vier | |
Millionen Computer, verschaltet im Internet, revolutionieren das Lesen. Das | |
'World Wide Web' macht es noch einfacher, sich ins Gewebe der | |
Weltbibliothek einzuspeisen." (taz, 12. 5. 1995) | |
"Das World Wide Web gibt einen Vorgeschmack auf die Zukunft. Die | |
notwendigen Rechneroptionen laufen verdeckt im Hintergrund ab so wie die | |
digitale Vermittlung bei einem Übersee-Telefonat. […] Wenn der | |
Informationssucher in diesem 'Hypertext' mit der Computermaus bestimmte | |
Stellen anklickt, sogenannte Hot Links ('heiße Querverweise'), wird er | |
augenblicklich zu weiteren Rechnern durchgestellt." (Spiegel, 21. 3. 1994) | |
"Mit der bequemen Art, im Internet herumzusurfen […] und den zugehörigen | |
Programmen wie ,Mosaic' oder ,Netscape', tauchen nicht mehr verworrene | |
Buchstabenschlangen auf dem Bildschirm auf, sondern einfach zu bedienende | |
Grafiken und leicht lesbare Texte. Die Auflage der Papiertaz wird | |
allerdings kaum von der digitalen überrundet werden - dafür reicht einfach | |
die Computerkapazität am Rechenzentrum nicht aus." (taz, ebenfalls 12. 5. | |
1995) | |
## Auf der Schatzinsel | |
Für den Erfinder des World Wide Web sind Offenheit und unbeschränkte | |
Verknüpfung von Informationen wesentliche Grundsätze seiner Innovation, die | |
heute aus dem Internet nicht mehr wegzudenken ist. Seine Idee ließ Tim | |
Berners-Lee nicht patentieren. So konnte sich das WWW erfolgreich | |
durchsetzen und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. | |
Hätte er seine Erfindung damals lizensieren lassen, wäre das Netz heute | |
kein globales Dorf, sondern eher eine Insellandschaft. Finanziell hat der | |
Wissenschaftler aber kaum profitiert. | |
Andere nutzten das WWW als Goldgrube: Die Google-Gründer Larry Page und | |
Sergei Brin sind die Topverdiener 2010 unter den Online-Unternehmern mit | |
einem Jahresumsatz von rund 19 Milliarden US-Dollar. Ein weiterer | |
Nutznießer des unpatentierten WWW ist AOL mit rund 4 Milliarden. | |
Immer-noch-Jungunternehmer Mark Zuckerberg ist Multimilliardär, sein | |
soziales Netzwerk Facebook hat einen Jahresumsatz von 1,9 Milliarden Dollar | |
- und wird von Berners-Lee scharf kritisiert. Facebook sei dabei, eine | |
geschlossene Insel zu schaffen, indem Inhalte vom Rest des Netzes | |
abgeschottet werden, warnte er. | |
5 Aug 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://info.cern.ch/hypertext/WWW/TheProject.html | |
## AUTOREN | |
A. Stommel | |
L. Yertek | |
## TAGS | |
Internet | |
Schwerpunkt Überwachung | |
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