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# taz.de -- Analyse zum Saisonstart: Bizarre Bayern, dolle Dortmunder
> Weil die Münchner dem Modernisierungsdruck im Fußball ausweichen, wird
> nicht der Mia-san-mia-Klub Meister, sondern wieder Borussia Dortmund.
Bild: Schwarz-Gelb – Ja bitte! Borussentrainer Jürgen Klopp.
Zunächst zwei Fragen: 1. Kehrt der FC Bayern München wie stets nach
einjähriger Pause auch diesmal zurück auf Platz 1? Nein. Borussia Dortmund
verteidigt seinen Titel.
2. Was wird der Trend der Saison? Der Kopf wird immer wichtiger.
Der Ausgang der 49. Saison unserer geliebten Fußball-Bundesliga ist
Beteiligten, Experten und anteilnehmender Öffentlichkeit weitgehend klar:
Bayern München holt sich den Titel zurück. Borussia Dortmund und Bayer
Leverkusen landen dahinter auf den Champions-League-Plätzen. Der FC
Augsburg steigt ab. Freiburg wohl auch. Weitere Emporkömmlinge der
Vorsaison (Mainz, Nürnberg) stürzen ab. Abgestürzte Ex-Spitzenklubs
(Schalke, Stuttgart, Werder, Wolfsburg, HSV) spielen wieder die
Europa-League-Plätze aus.
Für diese Voraussagen gibt es Gründe. Spezielle Gründe: etwa, dass Mainz
und Nürnberg ihre besten Spieler verloren haben. Grundsätzliche Gründe:
dass mehr Geld langfristig bisher immer besser war als weniger Geld. Die
Voraussagen sind aber auch eindeutig geprägt von einem allgemeinen
antiprogressiven gesellschaftlichen Klima und Verständnis der Welt. Tenor:
So wie es (früher) war, war es schon richtig. Irgendwie.
Damit ignoriert man - ähnlich wie das Insistieren auf zwei rechtmäßige
"Volksparteien" (Union und SPD) oder das Ignorieren des Klimawandels - auf
eine fast schon bizarre Weise die positiven Entwicklungen und
Veränderungen, die das letzte Jahr gebracht hat. Die spektakuläre
Meisterschaft des KVB (Klopp-Verein Borussia), der Aufstieg des FSV Mainz
05, die starken Platzierungen von Hannover, Nürnberg, Kaiserslautern und
Freiburg. Sie speisten sich letztlich alle aus derselben Quelle: der
Erkenntnis, dass der Kopf immer wichtiger wird im Fußball. Das meint ein
ganzheitliches und nachhaltiges Unternehmenskonzept, das sich in seinen
Fundamenten, Konzepten und Werten freimacht vom antirationalen Aktionismus
der Aufregungsindustrie Fußball-Bundesliga. Diese Industrie hat starke
Verfechter.
## Dortmund zurück ins Glied?
Nun ist es nicht so, dass man beim FC Bayern München komplett alles
verschlafen hätte. Es ist aber erstaunlich, mit welcher Nonchalance man die
Erfolgsparameter ignoriert, nach denen nun Jürgen Klopp Borussia Dortmund
umgebaut hat und man in München so tut, als sei es Business as usual, wie
2007 (Stuttgart) und 2009 (Wolfsburg) nun auch Dortmund wieder zurück ins
Glied zu schicken.
Was machen Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge inzwischen traditionell,
wenn sie nicht Meister geworden sind? Sie holen 50 oder 70 Millionen Euro
vom berühmten Festgeldkonto. 2007 holte man Ribéry, Toni und Klose, 2009
Gomez und Robben, diesmal Neuer, Boateng und Rafinha. Die Strategie, wenn
man das so nennen will, ist weiterhin geprägt vom Glauben an Starfußball
und daran, dass man mit den besseren Einzelspielern auch die bessere
Mannschaft haben werde. Im Gegensatz zu Champions-League-Sieger FC
Barcelona, Dortmund, Mainz (auch wenn sie jetzt in der Europa-League-Quali
rausgeflogen sind) oder Freiburg arbeitet der FCB auf Grundlage eines
komplett bedeutungsfreien Mottos ("Mia san mia"). Kontinuität entsteht
durch die Personen und ihr ewiges Hü und Hott. Einen Fußballstil hat man
auch 2011 noch nicht, auf dessen Grundlage die entsprechenden Spieler
verpflichtet würden.
Und auch keinen bei der Verabschiedung von Trainern. Speziell Präsident Uli
Hoeneß engagiert sich leidenschaftlich als Exorzist der Van-Gaal-Zeit. So
wie er es auch schon bei Jürgen Klinsmann getan hat. Es ist sicher nicht
so, dass die beiden keine Fehler gemacht hätten. Aber die Überzogenheit und
Unsouveränität ist schon erstaunlich, mit der man den einen als angeblichen
fachlichen Nichtskönner desavouierte und nun den anderen als verbohrten
Egozentriker. Van Gaal soll an allem schuld gewesen sein - so wie weiland
Klinsmann.
## Heynckes "weil er die Mechanismen hier kennt"
Wenn auch der Niederländer ungleich erfolgreicher war, so ist doch beiden
gemein, dass sie Strukturen aufbauen wollten und einen Fußballstil
einführen. Ha! Davon ist man geheilt. Der "neue" Trainer Jupp Heynckes
(1987 zum ersten Mal in München) wurde geholt, "weil er die Mechanismen
hier kennt", wie Rummenigge sagt - also, um sie zu ehren und zu bewahren.
Das alte Bayern-Denken wird von Jürgen Klopp herausgefordert, der explizit
darauf besteht, nun nicht "in einem anderen Regal und teuer" einkaufen zu
müssen, selbst wenn die Belastung der Champions League dazukommt.
Selbstverständlich wird eine wichtige Frage sein, wer oder wie man den
herausragenden Nuri Sahin (Real Madrid) ersetzen kann. Aber im Gegensatz zu
dem darwinistischen Star-Auslesewettbewerb der Bayern basiert Klopps Denken
grundsätzlich auf der Qualität des Mannschaftsspiels, erzeugt durch
Strategie und Spirit. Er setzt auf die Kraft eines sozialen Verbundes.
Bayern wird indes besser, wenn bessere Spieler bei Bayern spielen. Bei
Dortmund werden die Spieler besser, wenn sie für Dortmund spielen. Das ist
grundsätzlich nicht neu, aber sehr wohl in der Qualität des BVB und der
Quantität in der Liga.
## Großartige Fußballer
Nun ist es nicht so, dass es keinen Sinn für die Bayern machen würde, ihre
Abwehr verstärken zu wollen – im Gegenteil. Und man muss auch sagen, dass
beim FCB großartige Fußballer spielen. Neuzugang Manuel Neuer,
Schweinsteiger, Müller, Lahm und Kroos sind alles sozialkompetente, moderne
Profis jenseits überkommenen Starverständnisses. Sie könnten womöglich auch
beim FC Barcelona spielen. Robben hat zumindest 2010 gezeigt, was
Starfußball und Individualismus immer noch können. Gomez schießt - wie auch
immer - so viele Tore wie sonst kaum jemand. Wenn es also Jupp Heynckes
gelingt, die Abwehr zu stabilisieren und mit seiner
Elder-Statesman-Gelassenheit auch Klub- und Umfeldlabilitäten in den Griff
zu bekommen, dann … ja, dann könnte Bayern doch wieder Meister werden. Doch
es wäre das falsche Signal, denn es würde so gedeutet, dass letztlich doch
alles so bleibt, wie es ist. Das ist es aber schon jetzt nicht mehr. Wenn
aber Dortmund erneut Meister wird, müssten es auch die Münchner kapieren?
Indirekt. Sie werden dann mit großem Getöse Jürgen Klopp verpflichten
wollen. Damit sie so bleiben können, wie sie sind. Dann würde es wirklich
interessant.
5 Aug 2011
## AUTOREN
Peter Unfried
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