# taz.de -- El Salvador: Kriegsverbrecher in der Kaserne | |
> 9 ranghohe salvadorianische Militärs suchen Zuflucht im Schoß der Armee. | |
> In Spanien sollen sie wegen eines Massakers an Jesuiten vor Gericht | |
> gestellt werden. | |
Bild: Die Angeklagten 1989: Rafael Humberto Larias (2. v. links), Inocente Orla… | |
BERLIN taz | In ihrer Not flohen sie zu den Waffenbrüdern: Neun ehemals | |
hochrangige salvadorianische Militärs schlichen sich übers Wochenende in | |
eine Kaserne in San Salvador, um dem Zugriff der Polizei zu entgehen. Der | |
spanische Untersuchungsrichter Eloy Velasco hatte Ende Juli internationale | |
Haftbefehle gegen sie erwirkt, um sie in Madrid vor Gericht zu stellen. Er | |
beschuldigt sie, am 16. November 1989 ein Massaker an der Führungsriege der | |
von Jesuiten geleiteten Zentralamerikanischen Universität (UCA) angeordnet | |
zu haben. Ob sie mit ihrer Flucht die Auslieferung verhindern können, ist | |
noch offen. | |
Mit dem Massaker an der UCA hatte die Armee versucht, mitten in einer | |
Großoffensive der linken Guerilla der FMLN die einzige unabhängige | |
kritische Stimme im Bürgerkrieg (1980 bis 1992) auszuschalten. Rektor | |
Ignacio Ellacuría hatte sich für Verhandlungen zwischen den Aufständischen | |
und der ultrarechten Regierung eingesetzt. Die Armee betrachtete deshalb | |
seine Universität als Tarnorganisation der Rebellen. | |
Ebendeshalb habe der damalige Generalstabschef Emilio Ponce, | |
Verteidigungsminister Rafael Humberto Larios und dessen Stellvertreter Juan | |
Orlando Zepeda zusammen mit anderen Mitgliedern des Generalstabs das | |
Massaker angeordnet. Ellacuría, fünf weitere Professoren und zwei | |
Hausangestellte wurden im Morgengrauen aus den Betten gerissen und | |
erschossen. Fünf der Opfer waren spanische Staatsbürger. | |
Das Massaker war ein Wendepunkt im Bürgerkrieg. Die USA, die vorher die | |
Armee logistisch und finanziell unterstützt hatten, drängten nun auf eine | |
Verhandlungslösung. Trotzdem konnten sich die Militärs, die den Massenmord | |
angeordnet hatten, sicher fühlen. Bei einem Prozess 1991 wurden lediglich | |
zwei rangniedrige Soldaten verurteilt, die zusammen mit einem | |
Spezialkommando auf das Gelände der UCA geschickt worden waren. | |
Die Generalstaatsanwaltschaft hatte ausdrücklich verboten, auch gegen die | |
Hintermänner zu ermitteln. Die zwei mit dem Fall betrauten Staatsanwälte | |
waren deshalb zurückgetreten. 1993 erließ dann das rechts dominierte | |
Parlament eine Generalamnestie für alle Kriegsverbrechen. Die beiden | |
verurteilten Soldaten kamen in diesem Zusammenhang wieder frei. | |
## Rechtlicher Status unklar | |
Nachdem auch die seit 2009 erstmals regierende FMLN dieses Amnestiegesetz | |
nicht antasten will, wandten sich Angehörige der Opfer an die spanische | |
Justiz. Einzig Generalstab Ponce kann Richter Velasco nicht mehr erwischen: | |
Der starb am 2. Mai an Krebs. | |
Der rechtliche Status der anderen neun ist derzeit völlig unklar. Präsident | |
Mauricio Funes ließ eine Erklärung veröffentlichen, nach der | |
Verteidigungsminister David Munguía Payes die Militärs der Justiz zur | |
Verfügung gestellt habe. Tatsächlich besuchte am Montag ein | |
Untersuchungsrichter die Kaserne und erstattete danach dem Obersten | |
Gerichtshof Bericht. Der muss nun entscheiden, ob die neun vorläufig in | |
Haft genommen werden. Spanien hat dann zwei Monate Zeit für einen formellen | |
Auslieferungsantrag. | |
Ein Anwalt der Militärs aber ließ bereits durchblicken, dass jede | |
Entscheidung des Obersten Gerichts keine Rechtsgrundlage habe und deshalb | |
angefochten werde. Das Gesetz nämlich sehe vor, dass Personen, die mit | |
internationalem Haftbefehl gesucht werden, von der Polizei verhaftet und | |
von dieser den Justizbehörden übergeben werden. Eine Rolle des Militärs sei | |
nicht vorgesehen. | |
Die Flucht in die Kaserne könnte also der Trick eines Winkeladvokaten sein, | |
der damit eine Auslieferung unmöglich machen will. Die Militärs berufen | |
sich auf das Amnestiegesetz von 1993. In einer Erklärung fordern sie von | |
Präsident Funes eine "scharfe Verurteilung der Regierung Spaniens wegen | |
dieses Angriffs auf die nationale Souveränität". Und General Mauricio | |
Vargas, ein Kamerad der Flüchtigen aus demselben Jahrgang der | |
Militärakademie, sieht im Fall einer Auslieferung gar den 1992 | |
geschlossenen Friedensvertrag in Gefahr und warnt vor einem "Tsunami, der | |
alles wegfegen wird". | |
9 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
C. Romero | |
T. Keppeler | |
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