# taz.de -- DDR-Vergangenheit: "Nichts worauf man stolz sein muss" | |
> Die "Bild" hält dem Chefredakteur einer großen Tageszeitung vor, er habe | |
> die Stasi unterstützt. Der gibt das auch zu, aber warum erscheint die | |
> Geschichte gerade jetzt? | |
Bild: Von der Bild mit Stasi-Vorwürfen konfrontiert: Chefredakteur Frank Mange… | |
"Brandenburger Chefredakteur war Stasi-Helfer" - schlagzeilte die | |
Berlin-Brandenburger Ausgabe der Bild wenige Tage vor dem 50. Jahrestag. | |
Der so betitelte heißt Frank Mangelsdorf und ist seit 2002 Chefredakteur | |
der Märkischen Oderzeitung in Frankfurt/Oder. Mit einer Auflage von etwa | |
90.000 gehört das im Brandenburger Osten erscheinende ehemalige | |
SED-Bezirksblatt zu den drei größten Zeitungen des Landes. | |
Das klingt nach einer knalligen Geschichte. Eigentlich aber sind es zwei | |
Geschichten und die sind nicht so übersichtlich wie die Bild-Zeile. | |
Zum einen ist da die persönliche Geschichte von Frank Mangelsdorf: Der | |
Journalist lebte Mitte der 80er für die Dauer von eineinhalb Jahren in | |
einer Wohnung, die vom Ministerium für Staatssicherheit als konspirativer | |
Treffpunkt mit genutzt wurde. Dies bestätigte Mangelsdorf gegenüber der taz | |
und erklärt, dass es aus einer Notlage heraus zu der Vereinbarung mit der | |
Stasi kam. | |
Seine Frau Birgit, damals Redakteurin beim Rundfunk, lebte mit der | |
gemeinsamen Tochter in einer feuchten Einzimmerwohnung. Das Kind litt an | |
Bronchitis. Mangelsdorf sagt, ein Kollege habe seine Frau eines Tages | |
angesprochen und ihr eine neue Wohnung angeboten – unter der Bedingung, | |
dass sie der Stasi ein Zimmer zu konspirativen Zwecken zur Verfügung | |
stelle. Sie nahm an. | |
## Zu unsicher für die Stasi | |
Als Frank Mangelsdorf 1985 zu Frau und Kind zog, erfuhr er von der | |
Vereinbarung und unterzeichnete eine Verschwiegenheitserklärung. Die Stasi | |
habe die Wohnung in Abwesenheit der Mieter noch weitere eineinhalb Jahre | |
genutzt, so Mangelsdorf. Dann habe man sich die Legende einfallen lassen, | |
die Großmutter müsse nach der Geburt des zweiten Kindes in die gemeinsam | |
Wohnung einziehen – es gebe zu wenige Krippenplätze. Der Stasi sei die | |
Wohnung zu unsicher geworden und habe die Nutzung 1987 eingestellt. | |
"Es ist nichts, worauf man stolz sein muss." Aber er habe sich auch für | |
nichts zu entschuldigen, sagt Mangelsdorf. "Denn ich habe dem MfS zu keiner | |
Zeit, weder schriftlich noch mündlich, berichtet." Im Gegenteil: Er selbst | |
sei vom MfS überprüft worden. | |
Das bestätigt Johannes Weberling, Anwalt der Märkischen Oderzeitung. 2006 | |
prüfte Weberling Mangelsdorfs Akten. "Er hat sich damals sehr konsistent | |
und transparent erklärt", sagt Weberling. Mangelsdorf habe nie aktiv für | |
die Stasi gearbeitet. "Da wurde im Sinne des Kindswohl gehandelt. Das | |
Verhältnis wurde so schnell wie möglich beendet. Für uns ist keine | |
Stasi-Verstrickung ersichtlich", sagt auch Bodo Almert, Geschäftsführer des | |
Märkischen Verlags- und Druckhauses. | |
Die Einschätzungen, wo eine aktive Unterstützung des diktatorischen Systems | |
der DDR beginnt, variieren. Für Rüdiger Sielaff von der | |
Stasi-Unterlagen-Behörde in Frankfurt/Oder steht fest, dass das System ohne | |
all jene, die eine Wohnung zu konspirativen Zwecken zu Verfügung stellten, | |
nicht funktioniert hätte. | |
Zwar müsse man die jeweilige individuelle Situation in die Beurteilung mit | |
einbeziehen – aber auch eine komplizierte Ausgangslage entbinde den | |
einzelnen nicht von der Verantwortung, nicht Nein gesagt zu haben. Eine | |
Bewertung zu Einzelfällen will Sielaff nicht geben. Das müsse auf Seiten | |
der Arbeitgeber geschehen – und zuletzt durch die Öffentlichkeit. | |
Die allerdings wurde bislang aus dem Thema herausgehalten. Weil es kein | |
Thema von allgemeinem Interesse sei, sagt Mangelsdorf. Er habe ja auch | |
nicht öffentlich von seiner Opferakte gesprochen. Und auch Almert meint: | |
„Das ist nichts, womit man offensiv umgehen muss.“ | |
## Warum jetzt? | |
Mit dem Bericht der Bild aber ist die Angelegenheit aus dem privaten Raum | |
in die öffentliche Sphäre gedrungen. Und das ist die zweite Geschichte. | |
Denn offensichtlich bewertet der Springer-Verlag den Stasi-Aspekt in | |
Mangelsdorfs Vergangenheit als Thema von öffentlichem Interesse. Es stellt | |
sich allerdings die Frage: Warum ausgerechnet jetzt? | |
Denn bereits 2006 hat sich der Springer-Verlag mit der Vergangenheit | |
leitender ostdeutscher Journalisten beschäftigt. Dabei sei der Verlag auch | |
auf seine Akten gestoßen, sagt Mangelsdorf. Erst in diesem Kontext habe | |
sein Arbeitgeber den Juristen Weberling damit beauftragt, die Akten zu | |
begutachten. | |
Nun, fünf Jahre später, verkauft die Bild die Informationen zu Mangelsdorf | |
als Skandal. Pünktlich zum 50. Jahrestag der Mauer? Oder weil sich im Land | |
Brandenburg gerade ohnehin eine Enquete-Kommission mit der Geschichte der | |
DDR auseinandersetzt? Beim Springer-Verlag heißt es, man äußere sich | |
grundsätzlich nicht zu redaktionsinternen Entscheidungen. | |
16 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Anna Stommel | |
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