# taz.de -- Ausbau des Stromnetzes: Energiekonzern verklagt Niedersachsen | |
> Tennet will maximal 20 Kilometer Erdkabel verlegen und pocht auf | |
> entsprechenden Plan. Mehr sei unverhältnismäßig teuer. Zudem solle das | |
> Land die Verantwortung für das Risiko übernehmen. | |
Bild: Dürfen nicht weniger Abstand als 200 Metern zu Einzelhäuser haben: Übe… | |
HAMBURG taz | Ein Streit um wenige Kilometer Erdkabel behindert den Ausbau | |
des Stromnetzes in Niedersachsen. Der Stromnetzbetreiber Tennet klagt beim | |
Bundesverwaltungsgericht darauf, dass das Planfeststellungsverfahren für | |
eine Hochspannungsleitung zwischen Ganderkesee und St. Hülfe endlich | |
eröffnet werde. Das Land verweigert dies, weil Tennet die Leitung nicht im | |
geforderten Umfang unter die Erde legen will. Dahinter verbirgt sich ein | |
Konflikt um die Kosten und Risiken der Erdverkabelung. | |
Um Deutschlands Stromproduktion von Atom und Kohle auf Erneuerbare Energien | |
umstellen zu können, hält die Deutsche Energie-Agentur (Dena) bis 2020 den | |
Bau von 2.000 bis 4.000 Kilometern neuer | |
380-Kilovolt-Hochspannungsleitungen für notwendig. Ein großer Teil davon | |
muss in Niedersachsen errichtet werden, um den Windstrom aus der Nordsee | |
und der Norddeutschen Tiefebene in die Ballungszentren Süddeutschlands | |
leiten zu können. | |
Diejenige der drei langen Leitungen durch Niedersachsen, deren Planung am | |
weitesten fortgeschritten ist, führt über 60 Kilometer von Ganderkesee bei | |
Delmenhorst nach St. Hülfe bei Diepholz. Die grobe Planung der Trasse stand | |
bereits 2007 fest. Dann wechselte das Stromnetz und damit die Zuständigkeit | |
für dessen Ausbau von Eon zu Tennet. Im März 2010 stellte Tennet einen | |
ersten Antrag auf Planfeststellung, überarbeitete diesen und reichte | |
schließlich im Dezember 2010 den aktuellen Plan für die Überlandleitung | |
ein. | |
Bewegt hat sich trotzdem nichts. Die eingereichten Unterlagen seien nach | |
wie vor unvollständig, bemängelt das niedersächsischen Umweltministerium. | |
"Es wurde nachgebessert, aber nicht an dem, was wir bemängelten", sagt die | |
Ministeriumssprecherin Inka Burow. Konkret gehe es um die Zahl der | |
Erdverkabelungsabschnitte auf der Strecke. Nach Ansicht des Ministeriums | |
müsste die Leitung an sieben Stellen - insgesamt 28 Kilometer - unter die | |
Erde, Tennet hat jedoch nur an zwei Stellen Erdkabel beantragt. | |
Das Ministerium beruft sich auf das Energieleitungsausbaugesetz, nach dem | |
Hochspannungsleitungen, die näher als 400 Meter an Siedlungen und näher als | |
200 Meter an Einzelhäusern vorbei führen, erdverkabelt werden müssen. Im | |
Gesetz steht allerdings "auf Verlangen der für die Zulassung zuständigen | |
Behörde" - und darauf beruft sich nun Tennet. | |
Die eingereichten Planunterlagen enthielten Varianten mit weiteren | |
Erdkabeln. Auf dieser Basis könne das Ministerium Tennet zwingen, auch an | |
den übrigen fünf Abschnitten Erdkabel zu verlegen, sagt Tennet-Sprecher | |
Markus Meyer. "Es ist die Frage: Will die Behörde, dass wir das beantragen | |
oder will die Behörde uns das auferlegen?" | |
Tennet halte mehr als die vorgeschlagenen Erdkabel für "technisch und | |
wirtschaftlich nicht sinnvoll". Nur weil die Leitungen wenige Meter näher | |
als 200 Meter an frei stehende Häuser heran rückten, müssten im Schnitt elf | |
Millionen Euro pro Abschnitt zusätzlich aufgewendet werden. | |
Nach Ansicht des Übertragungsnetzbetreibers wäre es überdies nicht zu | |
vertreten, mehr als 20 Kilometer Erdkabel zu verlegen, "weil darüber hinaus | |
die Sicherheit nicht mehr gewährleistet ist", wie Meyer sagt. | |
Ministeriumssprecherin Burow mag dem nicht folgen: "Aus unserer Sicht ist | |
das willkürlich." | |
Meyer argumentiert, wegen des hohen Gewichts der Erdkabel - 45 Kilogramm | |
pro Meter - könnten von Lastwagen aus nur 900 Meter am Stück verlegt | |
werden. Die Stücke müssten in technisch heikler Weise mit Muffen verbunden | |
werden. Alles in allem handele es sich bei der Erdverkabelung um eine nicht | |
eingeführte Technik, die erst erforscht werden müsse. Deshalb sei die | |
Trasse Ganderkesee - St. Hülfe ja auch als Pilotprojekt eingestuft. | |
Die hohen Kosten wie das erhöhte Betriebsrisiko vertrügen sich nicht mit | |
den Aufgaben und Pflichten eines Übertragungsnetzbetreibers, wie sie im | |
Energiewirtschaftsgesetz niedergelegt seien. "Wir würden uns freuen, wenn | |
es im Laufe des Verfahrens zu einer Einigung käme, um Rechtssicherheit zu | |
haben", sagt Meyer. | |
17 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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