# taz.de -- Netzagenturchef über Stromausbau: "Im Vorgarten gibt es keine Mast… | |
> Ob 4.000 Kilometer neue Stromleitungen gebraucht werden, ist noch nicht | |
> entschieden, sagt Netzagentur-Chef Matthias Kurth. Erst mal prüfen, wie | |
> viel Strom wir brauchen. | |
Bild: Man müsse den Stromkonzernen nicht immer glauben, meint Netzagenturchef … | |
taz: Herr Kurth, kein Teil der Energiewende läuft so schleppend wie der Bau | |
neuer Stromleitungen. Wie viel Zeit bleibt noch? | |
Matthias Kurth: Gerade diejenigen, die die Energiewende wollen, müssen uns | |
jetzt beim Ausbau der Netze unterstützen. Wir fördern die Erneuerbaren | |
stark, sowohl die Windenergie als auch die Solarenergie, und dann wollen | |
wir natürlich auch, dass die Erneuerbaren ihren Strom ins Netz liefern. Die | |
Netzagentur stellt aber mit Sorge fest, dass bereits heute in | |
Starkwindzeiten Windräder abgeregelt werden müssen, die ihren Strom nicht | |
einspeisen können. | |
Woran liegt es denn, dass der Netzausbau stockt? | |
Viele Bürger sagen, wir sind für den Kernenergieausstieg, aber wenn es um | |
den Netzausbau vor Ort geht, lässt die Zustimmung deutlich nach. Das geht | |
nicht, wir werden schon zahlreiche weitere Trassen brauchen. | |
Die Energiebranche fordert 4.000 Kilometer neue Leitungen. Ist das | |
übertrieben? | |
Das werden wir noch einmal untersuchen. Wir bereiten im Moment den | |
Netzentwicklungsplan vor, mit dem wir die Grundlagen ermitteln, wo in den | |
nächsten zehn Jahren neue Leitungen gebaut werden. | |
Diese Grundannahmen konnten die Bürger bis Ende August kommentieren … | |
… wobei wir etwa 100 Eingaben bekommen haben. Und ich kann jeden beruhigen: | |
Wir werden auch alle Alternativen zu herkömmlichen | |
Stromübertragungstechniken prüfen - etwa die Gleichstromübertragung, mit | |
der sich über eine Leitung mehr Strom über längere Strecken transportieren | |
lässt. | |
Wenn man den Bürgern erklärt, wozu die Leitungen gut sind, werden sie | |
60-Meter-Masten im Vorgarten dulden? | |
Also im Vorgarten gibt es sowieso keine Masten. Wir müssen die Verhältnisse | |
mal geraderücken: Selbst wenn wir über 3.000 oder 4.000 Kilometer Leitungen | |
reden würden, ginge es ja nur um 10 Prozent des heutigen | |
Übertragungsnetzes. Wir sind ein Industrieland. Wir haben auch zum Beispiel | |
entlang der Autobahnen Freileitungen, die über Jahrzehnte hinweg akzeptiert | |
waren. | |
Kontra bekommen Sie auch von den Betreibern der Netze, deren Renditen Sie | |
festlegen und jetzt kürzen wollen. Die Firmen drohen mit einem Baustopp. | |
Es ist bisher in Deutschland kein einziges Leitungsbauvorhaben an | |
mangelnder Rendite gescheitert. Wir regeln doch, welche Kosten die | |
Netzbetreiber auf den Strompreis umlegen dürfen. Der Netzausbau kommt | |
vielmehr deshalb nicht voran, weil es meist keine Genehmigungen der | |
Planfeststellungsbehörden gibt. Dort, wo Genehmigungen vorliegen, wie bei | |
der Anbindung von Windparks, wird sofort gebaut. | |
Die Stromkonzerne argumentieren, dass Kapital für die Netze in Deutschland | |
fehlen werde. Fondsmanager finanzieren lieber britische oder italienische | |
Leitungen, mit denen sie wohl höhere Renditen erzielen. | |
Ach, man muss nicht immer alles glauben, was behauptet wird. Ein | |
Ärzteversorgungswerk und andere Investoren haben sich gerade erst am Netz | |
von Amprion beteiligt. Für sichere Anlagen gibt es eben etwas weniger | |
Rendite. Für deutsche Staatsanleihen bekommen Sie inzwischen auch nur noch | |
1,4 Prozent Zinsen. Für eine Netzinvestition erhalten die Betreiber über 9 | |
Prozent Rendite auf ihr Kapital, obwohl gerade die Regulierung ein hohes | |
Maß an Sicherheit garantiert. Die Netzagentur ist auch ein Anwalt der | |
Verbraucher. Wir müssen dafür sorgen, dass die Energiewende nicht zu teuer | |
wird und nur effiziente, marktübliche Kosten und Renditen anerkannt werden. | |
29 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Manuel Berkel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kommentar Stromnetzausbau: So kommt der Netzausbau nie | |
Das drängendste Thema der Energiewende fasst die Regierung nur halbherzig | |
an. Bei konkreten Nachfragen ducken sich Wirtschafts- und Umweltminister | |
weg. | |
Streit über Netzausbau: Strom ohne Masten | |
Energiekonzerne wollen das Stromnetz ausbauen. Um Transparenz sind sie | |
durchaus bemüht. Eine breite Allianz wehrt sich trotzdem gegen weitere | |
Hochspannungsmasten. | |
Ausbau des Stromnetzes: Energiekonzern verklagt Niedersachsen | |
Tennet will maximal 20 Kilometer Erdkabel verlegen und pocht auf | |
entsprechenden Plan. Mehr sei unverhältnismäßig teuer. Zudem solle das Land | |
die Verantwortung für das Risiko übernehmen. | |
Der Netzausbau soll schneller werden: Netzagentur darf Druck machen | |
Bei verschlepptem Netzausbau sollen sich künftig Dritte um Investitionen | |
bewerben können. Der Gesetzgeber setzt damit eine Vorgabe aus Brüssel um. |