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# taz.de -- Schauspieler Beyer über Studentenfilme: "Ich lasse schwere Ausbeut…
> Hermann Beyer ist ein erfolgreicher Schauspieler. Immer wieder wirkt er
> auch in Studentenfilmen mit. Warum er nicht ungeduldig wird, selbst wenn
> das Badewasser schon kühl ist.
Bild: Hermann Beyer spielt den demenzkranken Klaus in "Vergiss dein Ende".
taz: Herr Beyer, Sie sind immer wieder in Studentenfilmen zu sehen. Ist das
Nostalgie, ein Sehnen nach der Jugend?
Hermann Beyer: Das hat damit, glaube ich, nichts zu tun. Als ich vor etwa
20 Jahren mit Studentenfilmen angefangen habe, ein bisschen auch schon vor
1989, haben mich die jungen Leute interessiert - wenn das Buch gut war. Da
bin ich auch mal reingefallen, habe aber in all den Jahren auch ein paar
Filme gemacht, die ich für ziemlich ordentlich halte. Einer davon hat sogar
den First Steps gewonnen, "Über Wasser" von Kirsten Peters, im Jahr 2001
war das.
Auch in "Novemberkind" von Christian Schwochow waren Sie dabei, ebenfalls
ein Diplomfilm. Was ist Ihre Motivation dabei? Abschlussfilme sind
Low-Budget-Produktionen, die längst nicht immer den Weg ins Kino finden.
Ich muss sagen, dass ich damals nicht gerade verwöhnt war mit Angeboten und
Studentenfilme mir als gute Möglichkeit erschienen, mit jungen Regisseuren
in Kontakt zu kommen, die später mal große Filme drehen und mich dafür
vielleicht wieder besetzen (lacht dreckig).
Wie kann ein junger Regisseur Sie für sich gewinnen?
Bei "Vergiss dein Ende" war nicht viel Überzeugungsarbeit nötig. Ich mochte
das Drehbuch und fast noch mehr reizte mich die Gelegenheit, mit meinem
Sohn Eugen und Renate Krößner vor der Kamera zu stehen. Mit Renate hatte
ich das letzte Mal vor fünf oder sechs Jahren im Funk zu tun. Umso mehr hat
es mich gefreut, dass Eugen mich dem Regisseur Andreas Kannengießer für die
Rolle des Alten vorgeschlagen hat.
Sie hätten die Rolle also auch bei einem schlechteren Drehbuch angenommen?
Ich vermute schon, so sehr habe ich mich auf die Dreharbeiten gefreut -
auch wenn ich vor meiner Rolle ziemlichen Schiss hatte.
Sie spielen in "Vergiss dein Ende" einen dementen Mann, dessen Krankheit
auch seine Familie sehr mitnimmt. Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?
Möglichst wenig. Ich wollte in der Darstellung der Krankheit keinesfalls
"besser" sein als echte Kranke. Auch wenn ich kein besonders religiöser
Mensch bin, hatte ich trotzdem manchmal das Gefühl, dass ich mich
versündige, dass die Krankheit mich deswegen auch bald trifft.
Sie haben mit vielen berühmten Regisseuren zusammengearbeitet, darunter
Frank Castorf, Oskar Roehler und Ihr verstorbener Bruder Frank Beyer.
Begegnen Sie Nachwuchsregisseuren anders als gestandenen Kollegen?
Ich glaube nicht, nein. Ich fürchte mich vor dem ersten Drehtag bei einem
Abschlussfilm genauso sehr wie vor einem Film, mit dem ich Geld verdiene.
Der einzige Unterschied ist vielleicht, dass ich Studenten gegenüber ein
bisschen langmütiger bin.
Wie meinen Sie das?
Ich lasse auch schwere Ausbeutung zu. Die Studenten haben die Tendenz, vom
Morgengrauen bis zum Sonnenuntergang zu drehen. Und ich bin gern bereit,
das mitzumachen, weil die nie wieder so viel Zeit für eine Szene haben
werden wie in ihrer Studentenzeit. Nie wieder. Und weil ich das weiß, werde
ich möglichst nicht ungeduldig, wenn es mal wieder länger dauert und das
Badewasser schon längst nicht mehr richtig warm ist. Umso schöner ist es,
wenn ich bei einem Regisseur eine Entwicklung sehe wie bei Christian
Schwochow, mit dem ich in seinem zweiten Studienjahr schon mal
zusammengearbeitet hatte. Zwei Jahre später bei "Novemberkind" war er von
großer Souveränität, sicher und vorsichtig im Umgang mit den Schauspielern
und dem viel größer gewordenen Apparat.
Sie begreifen Ihr Engagement also als Entwicklungshilfe?
Ja, so würde ich das sehen. Ich schenke den Studenten meine Zeit und mein
Können.
Und Ihr Vertrauen.
Stimmt, ohne Vertrauen hat eine Zusammenarbeit keinen Sinn. Als klar war,
dass ich in "Vergiss dein Ende" nackt durchs Bild laufe und in der
Badewanne von meinen Fäkalien gesäubert werde, hat mir der Regisseur
Andreas Kannengießer versichert, dass ich nicht beschädigt werde. Darauf
musste ich mich verlassen.
Hätten Sie sich trotzdem in Studentenfilmen manchmal einen Regisseur mit
mehr Erfahrung gewünscht, der besser weiß, was Sie als Schauspieler
brauchen?
Das hat sich mir nicht vorrangig bei Studentenfilmen eingeprägt. Es gibt
auch Leute, die x Filme gemacht haben und man sich fragt, wie das geklappt
hat. Das sind die Filme, wo man nach dem ersten Drehtag denkt: Das wird ne
schwere Zeit, das hättest du lieber bleiben lassen sollen. Dieses Gefühl
kennt jeder Schauspieler.
Wie konnten Sie Andreas Kannengießer bei "Vergiss dein Ende" helfen?
Gar nicht. Ich konnte nur sagen: Ich habe kein Problem damit, dass das hier
jetzt noch zwei Stunden länger dauert.
Ihr Rat als erfahrener Schauspieler war also gar nicht gefragt?
Nein, damit wäre ihm auch nicht gedient gewesen. Ich kenne mich mit dem
ganzen Drumherum nicht aus, kann nur spielen. Das Inszenieren überlasse ich
anderen.
Wer profitiert in der Zusammenarbeit mit Filmstudenten von wem?
Wenn es gut läuft, profitiert der Schauspieler davon, dass er neue Leute
kennengelernt hat, die den schwierigen Weg eingeschlagen haben, mit Filmen
erfolgreich sein zu wollen. Und wovon die Studenten profitieren - da muss
man sie selbst fragen. Meistens werde ich nach einem Dreh freundlich
verabschiedet - aber was die wirklich über mich denken, weiß ich nicht,
werde ich nie erfahren.
Ist es angesichts der Hoffnungen, die Sie mit jungen Regisseuren verbinden,
nicht frustrierend, dass viele von denen nie einen zweiten Film machen
werden?
Kirsten Peters, die hochbegabte Regisseurin des First-Steps-Preisträgers
"Über Wasser", hat sogar noch einen zweiten Film gemacht, bei dem ihr
offenbar so massiv reingeredet wurde, dass das Ergebnis relativ langweilig
war. Anders kann ich mir das nicht erklären. Das ist schade, ein gewisser
Schwund liegt aber - so zynisch das klingen mag - in der Natur dieser
Berufe. Bernd Stegemann, der Mann von Renate Krößner, hat mir gesagt, dass
aus seinem Studienjahr außer ihm kein einziger mehr Schauspieler ist. Die
Gründe sind sehr unterschiedlich: Den einen mangelt es an Talent und
Hingabe, andere haben davon genug, aber bringen die notwendige Mischung aus
Sensibilität und dickem Fell nicht mit, die man in diesen Berufen braucht.
Wie zufrieden sind Sie mit "Vergiss dein Ende"?
Ich bin zufrieden. Leider sind einige schöne Szenen dem Schnitt zum Opfer
gefallen.
Das klingt nach Schulnote 3.
Wenn das für Sie so klingt, wäre das ein falscher Eindruck. Ich mag den
Film, frage mich allerdings, wie viele Leute sich freiwillig einen Film zu
diesem schweren Thema anschauen.
Aber ist es bei einem Abschlussfilm nicht schon ein Wert an sich, dass er
überhaupt gemacht wurde, und gar nicht so wichtig, ob und wie erfolgreich
er im Kino läuft?
Ja, das ist der Hauptwert, aber schön wäre es natürlich schon, wenn der
Film, in den man so viel Energie gesteckt hat, dann auch noch kommerziell
erfolgreich wäre.
Das wäre dann die Zugabe.
Ja, das wäre die Zugabe. Aber die Zugabe ist bei einem Konzert ja meistens
der Höhepunkt.
23 Aug 2011
## AUTOREN
David Denk
David Denk
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