# taz.de -- Doku über Stuttgart 21: Kopflose Bewegung | |
> In ihrem Stuttgart-21-Film "Alarm am Hauptbahnhof" verzichten Wiltrud | |
> Baier und Sigrun Köhler auf wiederkehrende Helden - und setzen viel | |
> voraus. | |
Bild: Auf den Straßen von S 21: Sigrun Köhler und Wiltrud Baier. | |
Die Dokumentarfilmerinnen Wiltrud Baier und Sigrun Köhler wollten | |
eigentlich weg aus Stuttgart. Weil das Leben dort zwar gut war, sich aber | |
nicht entsprechend gut anfühlte. Und andernorts wurde man als Stuttgarter | |
ja traditionell auch belächelt. Wegen Kehrwoche und so weiter. Dann aber | |
nahm im vergangenen Sommer die Bürgerbewegung gegen und in geringerem Maß | |
auch für das Verkehrs- und Immobilienprojekt Stuttgart 21 Fahrt auf. Und | |
Stuttgart war innerhalb weniger Wochen der Nabel der Welt, in der medialen | |
und dann auch in der Selbstwahrnehmung. Also blieben sie und drehten den | |
Dokumentarfilm "Alarm am Hauptbahnhof". | |
Wir sehen: die Bagger am Bahnhof, die Demos, die Wasserwerfer vom 30. | |
September 2010 im Schlossgarten, die Butterbrezeln bei der Schlichtung. | |
CDU-Kanzlerin Merkel sagt ihren legendären Satz, die Landtagswahl werde | |
über Stuttgart 21 entschieden. Und später im Wahlkampf in Stuttgart einen | |
weniger bekannten, noch spektakuläreren: "Seien Sie glücklich, dass Sie in | |
einem Land leben, in dem Sie in Ruhe schreien können." | |
Das Interesse der Filmemacherinnen gilt kleinen, großen Themen, wie man | |
seit ihrem wunderbaren Film "Schotter wie Heu" weiß - über den Chef einer | |
Einmannbank und deren soziale Bedeutung für das hohenlohische Dorf | |
Gammesfeld. Entsprechend konzentrieren sie sich nicht auf Merkel oder | |
S-21-Stars wie Heiner Geißler, Boris Palmer und Tanja Gönner, sondern auf | |
Bürger, die Anti-S-21-Aufkleber ankleben, und Bürger, die sie wieder | |
abkratzen. Auf Diskurse an der Straßenecke, wo die Rhetorik der Empörung | |
sich entwickelt und der Streit zwischen Gegnern und Befürwortern binnen | |
Sekunden eskalieren kann, wenn es um die Zahl der Gleise ("Acht isch wenigr | |
wie sächzehn") und andere Sachfragen geht. | |
## "Halt mol dei Gosch" | |
Gerade sagt einer noch bruddelig: "Ja, ja, des isch jetzt Ihre Version." | |
Zehn Sekunden später schreit er: "Jetzt will i dir mol was saga, halt mol | |
dei Gosch." Private Beziehungen zerbrechen, der alternative Sender | |
[1][fluegel.tv] fängt zu senden an und so weiter. Am Ende hat sich | |
Stuttgart durch den Streit objektiv verändert, für die einen zum | |
Schlechteren, für die anderen zum Besseren. Der Interims-Ministerpräsident | |
Mappus beklagt beleidigt, wie man mit ihm umspringt, und ruft trutzig, er | |
wolle, dass Baden-Württemberg "oben bleibt", aber da ist er auch schon | |
abgewählt und mit ihm nach 57 Jahren die CDU. | |
Historisch gesehen war wirklich was los in Stuttgart. Aber dieser Film | |
macht kein großes Kino draus, und das ist ihm einerseits hoch anzurechnen, | |
aber er führt andererseits auch dazu, dass ihm etwas abgeht, was diese | |
Bewegung befeuert hat: die großen Emotionen. Der Verzicht auf | |
wiederkehrende Protagonisten, eine auch nur dezente Analyseebene und eine | |
komponierte Dramaturgie gehören erkennbar zum Prinzip und dem Willen, der | |
Komplexität und Bewegung und Realität gerecht zu werden. | |
Das aber heißt, dass man schon viele Vorkenntnisse über das Bauvorhaben, | |
den Protest und über Stuttgart jenseits der Klischees haben muss, um die | |
heterogenen Aphorismen selbst zusammenzubinden und die historisch zu | |
nennende Entwicklung zu verstehen oder von ihr ergriffen zu werden. | |
Andererseits: Weiß ja nun praktisch jeder über Stuttgart 21 Bescheid oder | |
denkt es zumindest. Das Ende ist übrigens offen. Die Leute sind immer noch | |
auf der Straße. Über ihrem Bahnhof leuchtet der Mercedes-Stern. | |
Dienstag, 23. August, 22.45 Uhr, ARD | |
23 Aug 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://fluegel.tv | |
## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
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