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# taz.de -- Klage wegen Diskriminierung: Rassismus ohne Folgen
> Der Deutschtogolese David G. wurde wegen seiner Hautfarbe nicht in eine
> Reutlinger Disco gelassen. Das müsse er hinnehmen, sagte ein Richter.
> Jetzt geht G. in Berufung.
Bild: Es seien schon genug Schwarze in der Disco, meinte der Türsteher.
BERLIN taz | Erstmals soll ein Fall von Diskriminierung an einer Discotür
vor einem Oberlandesgericht (OLG) verhandelt werden. Der Anwalt des
Deutschtogolesen David G. will dies am Donnerstag durch Einleiten eines
Berufungsverfahrens beim OLG Stuttgart erreichen. Sein damals 17-jähriger
Mandant durfte im November 2010 nicht in die Reutlinger Discothek "M-Park".
Nach Aussagen des Türstehers seien schon genug Schwarze drin.
"Zweifellos eine Demütigung", urteilte in einem ersten Prozess der Richter
des Landgerichts Tübingens, Tilman Gruber, Ende Juli. Allerdings
überschreite dies "nicht das Maß gewissermaßen täglichen Unrechts oder
persönlicher Kränkung, die jedem Menschen alltäglich widerfahren können",
so Gruber. Die geforderte Entschädigung in Höhe von 5.000 Euro lehnte er
daher ab.
Das sei zweifellos ein Fehlurteil, ist sich der Potsdamer Juraprofessor
Detlev W. Belling sicher. "Eine Demütigung wiegt schwerer als eine
persönliche Kränkung und muss nicht entschädigungslos hingenommen werden."
Dem Revisionsantrag räumt Belling daher gute Chancen ein. Er ist auch
optimistisch, dass ein Urteil des OLG den Schutz vor Diskriminierung
stärken könnte.
"Es geht nicht um verletzte Eitelkeiten, wenn jemand wegen seiner Hautfarbe
öffentlich herabgesetzt wird, sondern um die Verletzung seiner
Menschenwürde", sagt er. Und fordert, dass die Justiz durch abschreckende
und wirksame Sanktionen ein Zeichen setzt. So, wie es die europarechtlichen
Vorgaben verlangen würden.
## Vier vergleichbare Gerichtsprozesse
Bislang galten derartige Fälle eher als juristische Banalitäten. Sie wurden
geradezu provinziell vor Amts- oder Landgerichten verhandelt und mit
geringfügigen Entschädigungen von wenigen hundert Euro abgeschlossen - wenn
es überhaupt zu einer Verhandlung kam. "Die wenigsten Betroffenen kennen
ihre Rechte. Und die, die das Gesetz kennen, scheuen aus Angst vor den
Kosten oder aus Scham ein Gerichtsverfahren", sagt Vera Egenberger,
Geschäftsführerin des Berliner Büros zur Umsetzung von Gleichbehandlung
(BUG). Gerade einmal vier vergleichbare Gerichtsprozesse hat es laut
Egenberger bisher in Deutschland gegeben.
"Viele Discobetreiber lassen arabischstämmige oder dunkelhäutige
Jugendliche nicht rein, weil sie der Meinung sind, dass von diesen ein
erhöhtes Aggressionspotenzial ausgeht", sagt Egenberger. Die
Antidiskriminierungsbüros erhielten häufig Hinweise zu solchen Vorfällen.
Die Verabschiedung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) vor fünf
Jahren habe daran wenig geändert. "Das Gesetz findet bislang zu wenig
Anwendung. Und selbst wenn es zu einem Verfahren kommt, ist die
Ausstrahlungskraft ziemlich gering", sagt Egenberger.
Der in Deutschland aufgewachsene David G. ist vom Urteilsspruch des
Tübinger Richters enttäuscht und fühlt sich ein zweites Mal gedemütigt.
"Ich hatte das Gefühl, der Richter wollte erst gar nicht verstehen, was es
bedeutet, wegen seiner Hautfarbe herabgesetzt und ausgegrenzt zu werden",
sagt er. Gegen rassistische Anspielungen und dumme Witze habe er sich zwar
mittlerweile ein "dickes Fell" wachsen lassen.
Die Aufforderung des Richters, diese als tägliches Unrecht ohne Weiteres
hinnehmen zu müssen, bagatellisiere jedoch Rassismus. Vom OLG Stuttgart
erhofft sich David G. mehr. Zumal sich, nachdem was er von ebenfalls
dunkelhäutigen Freunden erfahren habe, an der Praxis des "M-Park" in
Reutlingen nichts geändert haben soll.
24 Aug 2011
## AUTOREN
Alexander Budweg
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
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