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# taz.de -- Sklaverei in Mauretanien: Kein Pardon für Kritik
> Sklaverei ist zwar verboten in Mauretanien – aber nicht vorbei. Ein
> Aktivist prangerte den Fall eines zehnjährigen Mädchens an und kommt
> dafür ins Gefängnis.
Bild: 600.000 der über 3 Millionen Mauretanier sollen Schätzungen zufolge als…
BERLIN taz | Sklaverei ist verboten – auch in Mauretanien, wo historisch
die schwarzafrikanische Bevölkerung gegenüber der maurisch-arabischen Elite
benachteiligt ist und von dieser traditionell in Leibeigenschaft genommen
wird. Das offizielle Verbot der Sklaverei wurde erst 2007 durch ein neues
Gesetz bekräftigt. Seitdem geht die mauretanische Regierung hart gegen
jeden vor, der sagt, es gebe Sklaven.
Am Montag verurteilte ein Gericht in der Hauptstadt Nouakchott den
Antisklavereiaktivisten Bulkhair Ould Cheikh Dieng zu drei Monaten
Gefängnis. Die Beschuldigung: subversive Tätigkeit und Mitgliedschaft in
einer illegalen Organisation. Cheikh Dieng war mit acht weiteren Aktivisten
von IRA-Mauritanie (Initiative zum Wiederaufleben des Abolitionismus in
Mauretanien), die für die Anwendung der Sklavereigesetze eintritt, am 9.
August verhaftet worden.
Grund war der Streit um ein mutmaßlich versklavtes Mädchen. Oueichetou Mint
Hamadi, 10 Jahre alt, lebe als Sklavin im Haushalt von Aicha Mint Saibot,
hatte die IRA herausgefunden und am 31. Juli Anzeige wegen Versklavung
erstattet. Die Polizei habe die Frau danach festgenommen, sie aber dann
wieder freigelassen, ohne das bei ihr lebende Mädchen in Sicherheit zu
bringen, warfen die Aktivisten den Behörden vor und organisierten am 4.
August eine Sitzblockade vor der Polizeiwache. Bei der gewaltsamen Räumung
wurde IRA-Präsident Biram Ould Dah Ould Abeid krankenhausreif geprügelt,
die anderen IRA-Aktivisten kamen in Haft.
Staatspräsident Mohamed Ould Abdel Aziz übte scharfe Kritik an IRA und
sagte, es gebe keine Sklaverei in Mauretanien. Doch Mauretaniens führende
Antisklavereiorganisation SOS-Esclaves widersprach: Schätzungen zufolge
leben bis zu 600.000 der über 3 Millionen Mauretanier als Leibeigene. Die
IRA, die sich als breite Bürgerrechtsbewegung versteht, hat mehrmals
mächtige Einzelpersonen in Nouakchott der Sklavenhaltung bezichtigt. Nach
eigenen Angaben wird ihr die Legalisierung verweigert.
## Demokratisierung nach zwei Putschen
Hinter der Kontroverse steckt die Frage, ob die Demokratisierung
Mauretaniens nach den beiden Militärputschen von 2005 und 2008 festgefahren
ist. Der erste Putsch hatte Langzeitdiktator Maaouiya Ould Taya gestürzt
und erstmals freie Wahlen in Mauretanien ermöglicht; diese Zeit der Öffnung
endete allerdings mit dem zweiten Putsch 2008, dessen Urheber sich danach
zum Präsidenten wählen ließ und das Land bis heute regiert.
Unter Präsident Abdel Aziz ist Mauretanien führend im Kampf gegen die
radikalen Islamisten der Al-Qaida im Islamischen Maghreb geworden, deren
Basen im Norden Malis mehrfach von der mauretanischen Armee angegriffen
worden sind. Das Primat der Terrorbekämpfung heißt zugleich, dass die
innenpolitische Öffnung vernachlässigt wird. In den ersten Monaten 2011 kam
es mehrmals zu Demonstrationen gegen die Regierung nach nordafrikanischem
Muster.
Für besonderen Ärger sorgt derzeit die laufende Volkszählung, als deren
Ergebnis jeder, der nicht registriert wird, die mauretanische
Staatsbürgerschaft verlieren soll. Dies betrifft die zahlreichen
schwarzafrikanischen Exilmauretanier im Senegal, aber auch andere Schwarze,
wenn sie nicht beweisen können, dass sie in Mauretanien geboren wurden -
was für viele ehemalige Sklaven schwierig ist.
IRA-Präsident Biram sieht in der Volkszählung eine Form von "Rassismus" und
vergleicht Staatschef Abdel Aziz mit dem ehemaligen ivorischen Präsidenten
Laurent Gbagbo, der ebenfalls weiten Bevölkerungsteilen die Nationalität
absprach und damit die Elfenbeinküste in den Bürgerkrieg stürzte. Die
Staatsmacht sieht in solchen Vergleichen den Beweis, dass ihre radikalen
Gegner das Land destabilisieren wollen, und geht deswegen besonders hart
vor.
25 Aug 2011
## AUTOREN
Dominic Johnson
Dominic Johnson
## TAGS
Moderne Sklaverei
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