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# taz.de -- Bremer Staatsgerichtshof sieht ungeschriebenes Verfassungsrecht: Ge…
> Der Bremer Landeshaushalt für 2011 ist in Ordnung, sagt der
> Staatsgerichtshof - weil das Land "nur eingeschränkt handlungsfähig" sei,
> dürfe es mehr Schulden machen - aber nur bis 2020.
Bild: Es sieht aus wie ein Runder Tisch, Kläger rechts, Gericht links. Aber da…
Nach nordrhein-westfälischem Vorbild wollten Bremens Oppositionsparteien
CDU und FDP den Bremer Landeshaushalt 2011 kippen. Das ist ihnen nicht
gelungen: Der Bremische Staatsgerichtshof lehnte gestern ihre Klage ab.
Politisch war der Vorstoß, der in die Wahlkampf-Zeit fiel, schon
gescheitert: Die CDU hatte mit ihrer Polemik gegen das Haushaltsgebaren der
rot-grünen Koalition nichts gewonnen und die FDP scheiterte an der
Fünf-Prozent-Hürde.
431 Millionen Euro an Neuschulden hat das Land Bremen über seine
Investitionsquote hinaus aufgenommen, stellten die Richter fest - und gab
im juristischen Detail den Klägern Recht in deren Kritik, dass der Senat
nicht förmlich die "Haushaltsnotlage" festgestellt hatte, nach der diese
Überschreitung zur "Wiederherstellung des gesamtwirtschaftlichen
Gleichgewichtes" verfassungsrechlich erlaubt wäre. Diese Rechtsfigur von
1969, die in der Bremischen Landesverfassung noch steht, ist im Grundgesetz
gestrichen und durch das absolute Schuldenverbot ersetzt, das ab dem Jahr
2020 gelten soll. Die Bremer Haushaltspolitiker hätten sich also nicht auf
diese Rechtsfigur beziehen dürfen, die CDU und FDP im Auge hatte. Der
Bremer Senat hatte sich noch mit der Erklärung, jeder wisse um den
Bremischen Haushaltsnotstand, man habe das nicht mehr ausdrücklich sagen
müssen, herausreden wollen.
Aber, so die Richter, Bremen steckt so tief in der Haushaltsnotlage, dass
mit staatlichem fiskalischen Handeln das gesamtwirtschaftliche
Gleichgewicht sowieso nicht "stabilisiert" werden kann, weder
Wirtschaftswachstum noch Abbau der Arbeitslosigkeit seien dem Bremer Senat
möglich. Seit 20 Jahren steckt Bremen in der Finanzkrise, "aufgrund seiner
finanziellen Leistungsschwäche" habe das Bundesland "nur eine sehr
eingeschränkte Handlungsfähigkeit", attestierten die Richter. Bremen habe
die "Fähigkeit zu konjunktursteuerndem Handeln" längst verloren.
Trotzdem war die hohe Kreditaufnahme legitim, erklärte der Präsident des
Gerichtshofes, Alfred Rinken: Da es einen unlösbaren Verfassungskonflikt
gebe zwischen der Erfüllung der verfassungsmäßigen Aufgaben des Lands und
den Vorgaben an die Haushaltsführung, ließe sich eine "ungeschriebene
Ausnahmebefugnis" verfassungsrechtlich herleiten, nach der die
Kreditobergrenzen ausgedehnt werden dürften. Die Bedingungen formulierte
Rinken gleich mit: Die Überschreitung müsse "befristet" sein, der Vorgang
müsse "kontrolliert" sein und "effektiv". Die drei Kriterien seien mit den
Vorgaben des Stabilitätsrates erfüllt, erklärte Rinken. Die Einführung der
"ungeschriebenen Ausnahmebefugnis" habe mit der Urteilsverkündung
Gesetzeskraft, erklärte der Richter. Das bedeutet: In die Verfassung
eingefügt werden muss diese Konstruktion nicht mehr - sie gilt.
Der CDU-Landesvorsitzende Thomas Röwekamp zeigte sich enttäuscht über das
Urteil und meinte, die Richter hätten dem Senat zwar nicht die "rote", aber
doch die "gelbe Karte" gezeigt. Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne)
sieht das Urteil als Unterstützung für ihren Kurs. Finanz-Staatsrat Dieter
Mützelburg sagte, das Urteil beziehe sich nur auf das Haushaltsgesetz 2011:
"Das Gericht hat keinerlei Auflagen für die Zukunft gemacht."
Das allerdings ist so nicht richtig. Das Gericht hat ausdrücklich auf die
Vorgaben des Konsolidierungspaktes verwiesen: Die "ungeschriebene
Ausnahmebefugnis" ist daran gebunden, dass das Ziel erreichbar ist. Das
bedeutet: Die Neuverschuldung - für Land und Kommunen zusammen 1,1
Milliarden in 2011 - muss jedes Jahr um 122 Millionen Euro verringert
werden. Während die rot-grüne Koalition das unter die Bedingung stellt,
dass die Einnahmen sich planmäßig entwickeln und dass in Berlin keine
Steuersenkungen beschlossen werden, gilt es laut Richterspruch ohne jede
Bedingung.
25 Aug 2011
## AUTOREN
Klaus Wolschner
## TAGS
Grüne Bremen
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