# taz.de -- Präsidentschaftswahlen in Abchasien: Erstaunlich freie Bedingungen | |
> Drei Jahre nach dem russisch-georgischen Krieg wählt die abtrünnige | |
> Republik Abchasien einen neuen Präsidenten. Der alte Konflikt schlägt | |
> immer noch durch. | |
Bild: Diesmal hält sich Putin zurück: Wahlwerbung in Abchasien. | |
MOSKAU taz | Die von Georgien abtrünnige Republik Abchasien wählt am | |
Freitag einen neuen Präsidenten. Es ist zugleich der dritte Jahrestag der | |
Unabhängigkeit der Schwarzmeerrepublik. Nach dem russisch-georgischen Krieg | |
im August 2008 erkannte Moskau die georgischen Teilrepubliken, Abchasien | |
und Südossetien als selbständige Staaten an. | |
Venezuela, Nicaragua und zwei pazifische Inselstaaten folgten dem | |
russischen Beispiel. Ansonsten hält sich die internationale Gemeinschaft | |
jedoch zurück. Die Präsidentschaftswahlen wurden vorgezogen, nachdem der | |
amtierende Präsident Sergei Bagapsch im Frühsommer einem Herzleiden erlag. | |
Bagapsch war 2004 gegen den Widerstand Moskaus ins Amt gewählt worden. | |
Der russische Versuch, die Wahlen zu manipulieren, endeten damals mit einer | |
Schlappe für Wladimir Putin. Aus diesen Erfahrungen habe der Kreml wohl | |
gelernt, meint Inal Chadschig, Chefredakteur der unabhängigen Tschegemer | |
Prawda in Suchumi. Offene Parteinahme vermeidet Russland im Wahlkampf. | |
Vielleicht erübrigt sich das auch, da Abchasien durch die Anerkennung | |
ohnehin vom großen Nachbarn noch abhängiger geworden ist. | |
Rund 70 Prozent des Haushalts wird von Russland bestritten. Mit einem | |
Stationierungsabkommen - russische Truppen auf 49 Jahre - sicherte Moskau | |
sich vor Kurzem auch die militärische Präsenz. Zwischen 3.800 und 5.000 | |
Soldaten sollen an der Schwarzmeerküste kaserniert werden. Der Ambivalenz | |
russischer Sicherheitshilfe ist man sich in Suchumi durchaus bewusst. | |
## Angst vor Übergriff Georgiens | |
Die Befürchtung vor einem militärischen Übergriff Georgiens wiegt | |
unterdessen zurzeit noch schwerer als die schleichende Landnahme Russlands. | |
Das Lavieren zwischen den Forderungen des Gönners und der politischen | |
Selbstbehauptung gleicht einer Gratwanderung. So stellen die drei | |
Kandidaten für das Präsidentenamt die dominante Rolle Russlands auch nicht | |
infrage. Unterschiede liegen im Detail. | |
Ein öffentlich leidenschaftlich diskutiertes Thema ist der Erwerb von | |
Immobilien durch Ausländer. Die Abchasen befürchten, dass sich der | |
finanzstarke Nachbar die touristischen Filetstücke der Sonnenrepublik unter | |
den Nagel reißen könnte. In Suchumi wird offen debattiert. Es gibt eine | |
rege Zivilgesellschaft, eine freie Presse und ein Mehrparteiensystem. Der | |
Ausgang von Parlaments- und Präsidentschaftswahlen steht nicht schon vorher | |
fest. Für den postsowjetischen Raum stellt der subtropische Sonnenflecken | |
damit fast eine Ausnahme dar. Moskau behagt das gar nicht. Die | |
Gemeinsamkeit der ungleichen Bündnispartner beschränkt sich auf den | |
alttestamentarischen Hass gegenüber Georgien. | |
Seit dem russisch-georgischen Krieg sind zwischen Suchumi und Tiflis alle | |
Verbindungen gekappt. Nicht einmal eigene Korrespondenten sind vor Ort. Die | |
Abchasen erfahren über Georgien fast ausschließlich aus den russischen | |
TV-Kanälen. Und diese Berichterstattung ist meist Propaganda, die vom | |
persönlichen Groll Wladimir Putins auf den georgischen Präsidenten Michail | |
Saakaschwili durchwirkt ist. Von den erfolgreichen Reformmaßnahmen bei | |
Polizei, Bürokratie oder dem Kampf gegen Korruption erfährt die | |
Öffentlichkeit nichts. Auch die Kontakte zwischen Russland und Georgien | |
liegen auf Eis. Beide Seiten haben ihre diplomatischen Vertretungen | |
geschlossen. | |
Den offiziellen Stellungnahmen anlässlich des Kriegsjubiläums lässt sich | |
entnehmen, dass Moskau an einem Tauwetter auch nicht gelegen ist. Der Kreml | |
ist - nicht zu Unrecht - davon überzeugt, dass der Krieg Georgien | |
international geschadet und das Land weiter isoliert hat. Das Feindbild | |
Saakaschwili hat in den politischen Kreisen eine geradezu titanische | |
Dimension angenommen, die die Bedeutung des einstigen Rosenrevolutionärs | |
maßlos überschätzt. Moskau wird erst zur Ruhe kommen, wenn Michail | |
Saakaschwili die politische Bühne verlässt. | |
26 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Klaus-Helge Donath | |
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