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# taz.de -- Hype um "UniOS": Der Traum von einem System
> Wochenlang berichteten Medien über einen Schüler, der ein gemeinsames
> Betriebssystem für Windows, Mac und Linux entwickelt habe. Viel Lärm um
> nichts?
Bild: Komplizierter als Betriebssysteme: Rechner-Hardware.
BERLIN taz | "Schüler erfindet universelles Betriebssystem", "Der
vielleicht schlauste Kopf NRWs" oder "Der westfälische Bill Gates": Wer in
den vergangenen Wochen die Lokalpresse im Westen Deutschlands verfolgte,
hätte meinen können, in Lünen, der größten Stadt im Kreis Unna, habe sich
eine IT-Revolution abgespielt. Der Berufschüler Maik M. nahm die Medien
schnell für sich ein.
Und zwar mit dieser Behauptung: "UniOS", eine Software, die M. zusammen mit
ein paar Kumpels entwickelt hatte, solle es erlauben, unter einem
Betriebssystem Programme für Windows, Mac OS X und Linux auszuführen. Eine
Fernsehmoderatorin jubelte: "Nie wieder neue Software kaufen, wenn der
Rechner gewechselt wird."
Im Internet verbreitete sich die Kunde von "UniOS" schnell, doch mit ihr
auch die Skepsis. Insbesondere die Behauptung M.s, viele technische
Feinheiten im Alleingang gemeistert zu haben, machte stutzig. Schließlich
besuchte [1][ein Fachredakteur des IT-Nachrichtendienstes Golem.de] den
Berufsschüler zu Hause, um sich das "Wunder-OS aus Lünen" näher anzusehen.
Die Vorführung ging nach hinten los.
So startete M. angeblich die Apple-Software "Photo Booth", mit der sich
Schnappschüsse per Webcam anfertigen lassen. Bei näherem Hinsehen zeigte
sich allerdings, dass es sich nur um einen Klon des Programmes handelte.
Die Oberfläche selbst erwies sich als aufgemotztes Linux. Und auch der
Start einiger Windows-Programme mit "UniOS" konnte den Golem.de-Redakteur
nicht überzeugen.
## Virtualisierungssoftware
Mittlerweile ist M. von der Bildfläche verschwunden. Seinen Plan, "UniOS"
demnächst als Betaversion zu veröffentlichen und schließlich für 28 Euro im
Internet zu verkaufen, scheint er aufgegeben oder zumindest verschoben zu
haben. Man werde sich zurückmelden, sobald man fertig sei, hieß es zuletzt.
Viel Lärm um nichts? Technisch gesehen ist ein Universalbetriebssystem, wie
es dem Schüler aus NRW vorschwebte, kein Problem. Das dabei eingesetzte
Verfahren nennt sich Virtualisierung und wird bereits seit Jahren
verwendet. Besonders gut lässt sich die Umsetzung am Beispiel von Apples
Mac-Rechnern erklären, weil diese alle von M. genannten
Einzelbetriebssysteme vertragen. In Apples Computern stecken seit mehr als
fünf Jahren Prozessoren des Herstellers Intel, wie sie auch in jedem
Windows-PC verwendet werden.
Macs laufen üblicherweise unter Mac OS X, einem Teil der "UniOS"-Fantasie.
Installiert man auf diesen Maschinen nun Virtualisierungssoftware, wie sie
kostenpflichtig von Firmen wie VMware oder Parallels oder gratis vom
Open-Source-Projekt [2][VirtualBox] angeboten wird, läuft unter Mac OS X
auch Windows (XP, Vista, 7) und Linux (in den unterschiedlichen Varianten).
Die alternativen Betriebssysteme, die sich auch parallel ausführen lassen,
stecken dabei in sogenannten Virtual Machines. Sie sind vom
Hauptbetriebssystem, in diesem Fall Mac OS X, technisch abgekoppelt, können
aber kontrolliert auf Speicher und Prozessor und Grafikkarte zugreifen. Die
Virtualisierungslösungen, insbesondere die kommerziellen Varianten von
VMware und Parallels, sorgen mit allerlei Tricks dafür, dass die Trennung
nicht so stark auffällt.
So werden Fenster, die zu Windows 7 gehören, auf dem Mac so dargeboten, als
seien sie Teil einer regulären Mac-Anwendung, Windows-Programme tauchen in
der Schnellstartleiste des Rechners auf. Zwischen einzelnen Mac- und
Windows-Fenstern kann man Dateien, Bilder und Textschnipsel per Drag & Drop
austauschen. Windows-Programme können dank Weiterleitung auf die Mac OS
X-Festplatte zugreifen.
## Kompatibilitätsschicht
Ähnlich funktioniert auch die Virtualisierung von Linux, wobei diese nicht
so elegant daherkommt wie die Unterstützung von Windows. Hier muss der
Nutzer schlimmstenfalls mit einem Fenster Vorlieb nehmen, in dem sich das
komplette Betriebssystem befindet. Aber auch hier funktionieren Funktionen
wie Drag & Drop oder der Austausch der Inhalte der Zwischenablage.
Als Alternative zur Virtualisierung existiert noch die sogenannte
Kompatibilitätsschicht. Deren Grundidee soll nach Angaben von M. auch für
"UniOS" verwendet worden sein. Dabei setzt - vereinfacht gesprochen - eine
zwischengeschaltete Spezialsoftware alle Befehle, die für ein
Windows-Betriebssystem gedacht waren, in Anweisungen für Linux oder Mac OS
X um.
Auch diese Technik ist weit entwickelt. Das Open-Source-Projekt Wine und
sein kommerzieller Ableger CrossOver erlauben beispielsweise die Nutzung
von Microsoft Office sowie das Starten einiger populärer Spiele. Der
Anbieter TransGaming nutzt eine davon abstammende Software, um kommerzielle
Titel von Windows auf den Mac zu holen.
30 Aug 2011
## LINKS
[1] http://www.golem.de/1108/85776.html
[2] http://www.virtualbox.org/
## AUTOREN
Ben Schwan
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