# taz.de -- Asylpolitik in Australien: Abschiebung nach Malaysia verboten | |
> Asylsuchende dürfen nicht nach Malaysia abgeschoben werden, entschied das | |
> Hohe Gericht Australiens. Das Urteil ist eine Ohrfeige für die | |
> sozialdemokratische Regierung. | |
Bild: Bootsflüchtlinge vor Australien werden von der Marine aufgegriffen. | |
CANBERRA taz | Australiens Immigrationsminister Chris Bowen darf nicht wie | |
geplant zwei Asylsuchende, die als Bootsflüchtlinge ins Land gekommen | |
waren, nach Malaysia abschieben lassen. Dies hat das Hohe Gericht | |
entschieden. Australien könne keine Asylsuchenden in Länder deportieren, | |
deren Gesetze ihren Schutz nicht garantierten, so die Begründung. Malaysia | |
ist kein Unterzeichnerstaat der UNO-Flüchtlingskonvention. | |
Zudem habe Bowen kein Recht, Menschen zu deportieren, deren Gesuch um Asyl | |
von den Behörden noch nicht behandelt worden sei. Schließlich habe der | |
Minister eine gesetzlich vorgeschriebene Pflicht, das Wohl von alleine | |
reisenden, minderjährigen Bootsflüchtlingen zu garantieren. Das Urteil ist | |
eine Ohrfeige für die sozialdemokratische Regierung von Premierministerin | |
Julia Gillard, die mit einer Entscheidung zu ihren Gunsten gerechnet hatte. | |
Überrascht waren am Mittwoch humanitäre Organisationen, die vor zwei Wochen | |
Klage gegen Canberra eingereicht hatten, als schon ein Flugzeug bereit | |
stand, um die ersten Flüchtlinge nach Malaysia zu fliegen. Unter den | |
Abzuschiebenden befinden sich auch alleine reisende Kinder. | |
Australien hatte mit Kuala Lumpur in Monate langen Verhandlungen | |
ausgemacht, ingesamt 800 Bootsflüchtlinge abzuschieben, die papierlos an | |
der australischen Küste gelandet waren. Im Gegenzug hätte Australien 4000 | |
Menschen aufgenommen, die von Malaysia bereits als sogenannt echte | |
Flüchtlinge anerkannt wurden. Ziel des Abkommens wäre es gewesen, weitere | |
Asylsuchende von der Reise nach Downunder abzuhalten. | |
## 6500 Asylsuchende im Jahr | |
Der auf den ersten Blick ungleiche "Tauschhandel" machte für Gillard | |
politisch Sinn: der Großteil der Bevölkerung hat eine Abneigung gegenüber | |
Bootsflüchtlingen. 88 Prozent der Australierinnen und Australier glauben, | |
sie seien eine Bedrohung für die Sicherheit des Landes; und sie würden | |
versuchen, "illegal" einzureisen. Dies, obwohl jeder Mensch das Recht hat, | |
in einem anderen Land Schutz zu suchen. | |
Außerdem hat Australien im Vergleich mit anderen Ländern ein kleines | |
Asylproblem: gerade mal 6500 Asylsuchende pro Jahr landen in Booten in | |
seinen Gewässern. In der Regel sind es Menschen aus Irak, Afghanistan und | |
Sri Lanka, die in Indonesien in kaum seetüchtige Fischerboote steigen und | |
über die Timorsee in australische Gewässer fahren. Wie viele dabei | |
umkommen, ist nicht klar. Wer überlebt wird von australischen Soldaten | |
aufgegriffen und in meist isolierten Internierungslagern hinter | |
Stacheldraht verwahrt – oftmals Jahre lang. | |
Das Urteil dürfte von Malaysia als Interpretation des Gerichtes ausgelegt | |
werden, es behandle Asylsuchende nicht gut. Kuala Lumpur hatte schon im | |
Vorfeld durchblicken lassen, als wichiger Handelspartner Australiens Kritik | |
an seiner Menschenrechtspraxis nicht zu tolerieren. Für Premierministerin | |
Julia Gillard ist die Entscheidung des Gerichts ein weiterer Tiefpunkt: in | |
Meinungsumfragen steht das erste weibliche Regierungsoberhaupt Australiens | |
auf einem Allzeittief. | |
Eine aggressive Kampagne der konservativen Opposition und Teilen der | |
Wirtschaft gegen eine geplante Klimasteuer ist mit ein Grund für den | |
Abwärtstrend. Gillard hat nur noch eine Möglichkeit, ihren Abschiebeplan | |
umzusetzen: sie muss die entsprechenden Gesetze ändern. Doch ein solcher | |
Schritt bedarf der Zustimmung des Parlaments, in dem die Regierung nur mit | |
einem Sitz die Mehrheit hält. | |
31 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Urs Wälterlin | |
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