| # taz.de -- Piratenpartei konstant bei 4,5 Prozent: Freibeuter auf Stimmenfang | |
| > Frischer Wind fürs Parlament: Die Piratenpartei hat nach aktuellen | |
| > Umfragen realistische Chancen auf den Einzug ins Abgeordnetenhaus - und | |
| > glaubt nun selbst dran. | |
| Bild: Auf Kurs | |
| Eric und Fabian kommen noch einmal zurück zum U-Bahnhof Turmstraße. In den | |
| Flyern der Piratenpartei, die ihnen dort vor einer halbe Stunde in die Hand | |
| gedrückt wurden, haben sie einzelne Abschnitte unterstrichen oder durch | |
| Fragezeichen markiert. Jetzt wollen sie Antworten von den Wahlkämpfern, | |
| denn die Partei stehe bei ihnen bereits im "engeren Kreis", sagen die | |
| beiden Studenten. | |
| Die Piratenpartei hat in den vergangenen zwei Wochen einen rasanten Schub | |
| bekommen. Am Mittwoch dieser Woche sah mit Infratest dimap bereits das | |
| dritte Forschungsinstitut die Partei in Umfragen bei 4,5 Prozent. Die | |
| Piraten können sich realistische Hoffnungen auf den Einzug ins | |
| Abgeordnetenhaus machen. "Wir sind inzwischen optimistisch, dass wir es | |
| schaffen", sagt Martin Delius, Landeslistenplatz 4, an der Turmstraße. Vor | |
| einem Monat sei das noch ein "träumerischer Gedanke" gewesen. | |
| Mit der rechten Hand hält er einen Stapel der Parteizeitung Kaperbriefe, in | |
| der linken eine orangefarbene Fahne der Piraten, die hinter seinem Kopf im | |
| Wind weht. Man dürfe sich von den Umfrageergebnissen nicht zu sehr | |
| beeindrucken lassen, sagt Delius weiter, "die heiße Phase des Wahlkampfs" | |
| fange jetzt erst an und seine Partei müsse noch bekannter werden. Dazu sei | |
| der direkte Kontakt zu den Bürgern notwendig. | |
| Nils Diederich, Professor am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität, | |
| findet den Zuwachs in den Umfragen "erstaunlich". Es sei denkbar, dass die | |
| Partei Zuspruch von "jungen und Wählern mittleren Alters" bekomme. Die | |
| großen Parteien seien beim Thema Internet noch immer sehr schlecht | |
| aufgestellt, die Piratenpartei spreche hier Wähler an. Ob es die Piraten am | |
| Ende tatsächlich ins Parlament schaffen, hänge von der Wahlbeteiligung ab: | |
| Je höher diese sei, desto geringer die Chancen für die Piraten. | |
| An der Treppe zur U-Bahn sprechen die Wahlkämpfer Passanten an: "Was zu | |
| lesen?", "Wahlinfo?" Einige bleiben stehen. Lars Dietrich aus Moabit | |
| unterhält sich eine Viertelstunde mit Delius über das Europaparlament, die | |
| Situation des Mittelstandes und Steuerpolitik. "Ich wähle aber die SPD", | |
| sagt Dietrich im Anschluss. Die sei "thematisch gut aufgestellt" und bei | |
| den Piraten frage er sich immer noch: "Was können die eigentlich leisten?" | |
| Manche ihrer Ansätze und Ideen unterstütze er, sagt Dietrich. Es sei jedoch | |
| ein langer Prozess, bis eine Partei eine solide Basis habe. Die | |
| Umfrageergebnisse kennt der 29-Jährige nicht und meint: "Umfragen müssen | |
| nichts sagen." | |
| Delius verteilt fleißig seine Flyer. Einige Leute würden die Piraten nur | |
| als Spaßpartei wahrnehmen, sagt er. Deren Name und selbst auferlegte | |
| Wortspielereien wie "Kaperbrief" oder "Dein Haken zum Ändern!" begünstigten | |
| das, aber: "Ich kann einfach nicht mehr im Piratenkostüm auf einem Floß | |
| rumfahren, wenn ich womöglich demnächst im Abgeordnetenhaus sitze und | |
| ernsthaft Politik machen möchte", sagt Delius. Die Aussicht auf politische | |
| Verantwortung erfordert Seriosität. | |
| "Ich wähle eine der alternativen Parteien", sagt eine Frau mit Kinderwagen. | |
| Eigentlich habe sie bisher die Grünen gewählt, aber ihr gefalle nicht, wie | |
| das bei denen gerade ablaufe. Was genau sie meint, sagt sie nicht. | |
| Nach einer Stunde Diskussion mit den Piraten Simon Weiß und Merle von | |
| Wittich ziehen Eric und Fabian ein Fazit: Sie seien "sehr überrascht", dass | |
| die ihnen zu allen Punkten Rede und Antwort stehen konnten. Für Eric kommt | |
| es nicht in Frage, eine der großen Parteien zu wählen. Er wolle seine | |
| Stimme "nicht verschenken". Mit den Piraten hingegen könne man vielleicht | |
| ein Signal setzen, anstatt die Machtverhältnisse der großen Parteien | |
| einfach nur umzuverteilen. | |
| 31 Aug 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Benjamin Quiring | |
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