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# taz.de -- Versäumnisse während der Finanzkrise: Schlechte Politik in Island…
> Islands Ex-Ministerpräsident Geir Haarde drohen wegen Versäumnissen
> während des Finanzcrashs zwei Jahre Haft. Er sieht sich als Opfer
> "politischer Verfolgung"
Bild: Islands Exministerpräsident Geir Haarde.
STOCKHOLM taz | Hat sich der isländische Ex-Ministerpräsident Geir Haarde
strafbar gemacht, weil er sein Land im Herbst 2008 in den Finanzcrash
schlittern ließ? Seit Montag versucht ein speziell einberufenes
"Nationalgericht" in Reykjavík, diese Frage zu beantworten. Haarde und
seine Anwälte erheben formale Bedenken, was den Beginn der eigentlichen
Hauptverhandlung, in der über 50 ZeugInnen gehört werden sollen, verzögern
dürfte. Wird Haarde verurteilt, drohen ihm eine Geldstrafe oder eine
Haftstrafe von bis zu zwei Jahren. Eine Berufung gegen das Urteil des
fünfzehnköpfigen Sondergerichts ist nicht möglich.
Island ist eines der wenigen Länder, in dem PolitkerInnen wegen
Amtsversäumnissen vor Gericht zur Verantwortung gezogen werden können. Die
in der Verfassung von 1905 verankerte Möglichkeit war aber noch nie genutzt
worden, bevor im September 2010 eine Parlamentsmehrheit das Verfahren gegen
Haarde zuließ. Laut der im Mai 2011 erhobenen Anklage soll er grob
fahrlässig versäumt haben, den Umfang des Finanzcrashs in Island vor drei
Jahren zumindest abzumildern. Damals waren binnen weniger Tage die drei
größten Banken des Landes zusammengebrochen, Island geriet an den Rand des
Staatsbankrotts. Der konkrete Vorwurf gegen Haarde: Er habe mehrere Monate
vorher von der Zentralbank Informationen erhalten, die ihn zum Handeln
hätten veranlassen müssen. Tatsächlich habe er noch nicht einmal das
Kabinett informiert.
Haarde wirft der linken Parlamentsmehrheit vor, sie veranstalte ein
politisches Schauspiel. Sie hatte mit 33 gegen 30 Stimmen für das
Gerichtsverfahren votiert. Klage man ihn an, müsse das auch für die
verantwortlichen MinisterInnen der Sozialdemokraten gelten, die damals
seiner Regierungskoalition angehört hatten. Dafür hatten auch die
Abgeordneten der jetzt zur Regierung gehörenden Grün-Linken gestimmt,
darunter Finanzminister Steingrímur J. Sigfússon. Doch die Mehrheit der
sozialdemokratischen Fraktion wollte die eigenen GenossInnen nicht vor
Gericht sehen.
Islands Bankencrash wird für die Bevölkerung teuer, aber womöglich nicht
ganz so teuer wie befürchtet. Die Konkursmasse der pleite gegangenen
Icesave-Bank decke aufgrund günstiger Entwicklung des verbliebenen
Aktienbesitzes mittlerweile den größten Teil der niederländischen und
britischen Forderungen aus ehemaligen Sparguthaben, erklärte jetzt die
isländische Notenbank. Die IsländerInnen hätten recht gehabt, als sie in
zwei Volksabstimmungen eine Haftung der Staatskasse für die privaten
Icesave-Schulden abgelehnt hatten, kommentierte Islands Staatspräsident
Ólafur Ragnar Grímsson.
5 Sep 2011
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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