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# taz.de -- Flüchtilingspolitik in der EU: Europa schottet sich weiter ab
> Um die Einreise illegaler Migranten zu verhindern, sollen Grenzkontrollen
> im Schengen-Raum legal werden. Und Frontex bekommt mehr Geld.
Bild: Wieder eingeführte Kontrolle an der deutsch-dänischen Grenze. Das könn…
BRÜSSEL taz | Die Europäische Union rüstet auf gegen Flüchtlinge:
Grenzkontrollen im Schengen-Raum sollen erlaubt werden, um die Weiterreise
von illegalen Einwanderern und Asylbewerbern zu verhindern. Das geht aus
einem Gesetzesentwurf hervor, den die EU-Kommission in dieser Woche
veröffentlichen will. Das Papier liegt der taz vor.
Damit legitimiert die Behörde das Vorgehen Frankreichs und Dänemarks. Paris
hatte im April zeitweise Kontrollen an der Grenze zu Italien eingeführt.
Damals waren rund 25.000 Flüchtlinge aus Nordafrika über Italien in die
Europäische Union eingereist. Ein Großteil von ihnen wollte weiter nach
Frankreich, und Italien hatte eine entsprechende Aufenthaltserlaubnis
ausgestellt. Dagegen setzte sich Frankreich zur Wehr. Auch die
rechtspopulistische Volkspartei in Kopenhagen hatte die Abwehr von
Flüchtlingen als Grund angegeben, um die Grenzkontrollen Anfang Juli zu
verschärfen.
"Diese neue Regelung ist fatal. Sie bestraft die Länder, die Flüchtlinge
aus humanitären oder politischen Gründen einreisen lassen. Diese müssen
befürchten, dafür zeitweise aus dem Schengen-Raum ausgeschlossen zu
werden", sagt Ska Keller, EU-Abgeordnete der Grünen. Sie befürchtet, dass
Griechenland, Italien und Spanien in Zukunft drastischere Mittel anwenden
werden, um die Einreise von Flüchtlingen, etwa aus Nordafrika, zu
unterbinden. "Die Europäische Union schottet sich weiter ab und verliert
ihre humanitäre Verpflichtung völlig aus den Augen."
Gleichzeitig soll nämlich die Grenzschutzagentur Frontex gestärkt werden.
Sie soll mehr Geld bekommen und den Mitgliedsstaaten unter die Arme
greifen, wenn diese aus eigenen Mitteln die EU-Außengrenzen nicht sichern
können. Bereits jetzt patrouilliert Frontex mit Schiffen im Mittelmeer, um
illegale Einwanderung aus Nordafrika zu unterbinden. Ein Gremium soll
künftig überprüfen, dass es bei diesen Einsätzen nicht zu
Menschenrechtsverletzungen kommt. Allerdings ist noch unklar, wie mögliche
Verstöße geahndet werden. "Bisher sind Klagen oft im Sand verlaufen, weil
sich die Vorwürfe nicht beweisen ließen. Das wird wohl auch so bleiben",
befürchtet Ska Keller.
## Deutliches Signal an Rumänien & Bulgarien
Die neuen Schengen-Regeln betreffen aber nicht nur die Flüchtlinge aus
Drittstaaten. Auch für Rumänien und Bulgarien ist der Gesetzesentwurf ein
eindeutiges Signal: Auch sie können nach ihrem Schengen-Beitritt zeitweise
wieder ausgeschlossen werden, sollten die übrigen Mitgliedsstaaten der
Meinung sein, ihre Außengrenzen seien nicht sicher genug.
Der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich hat im Mai signalisiert,
dass Deutschland mit einer solchen Regelung einverstanden wäre. Wenn ein
Mitgliedsstaat seine Außengrenzen nicht ausreichend schützen kann, seien
Kontrollen an Binnengrenzen angebracht, erklärte er damals.
Anders als bisher soll aber die Entscheidung über die Einführung von
Grenzkontrollen nicht mehr ein Mitgliedsstaat allein treffen können. Er
muss sein Anliegen der EU-Kommission vortragen und die legt den Antrag
allen anderen Ländern vor. Sie müssen mit qualifizierter Mehrheit dafür
stimmen.
Die EU-Abgeordnete Ska Keller glaubt aber nicht, dass dieses Vorgehen einen
großen Unterschied macht: "Wenn Frankreich seine Grenzen dichtmachen will,
weil zu viele Flüchtlinge kommen, wird Deutschland garantiert nicht Nein
sagen." Dem Vorschlag der Europäischen Kommission müssen noch die
Mitgliedsstaaten und das Europäische Parlament zustimmen.
11 Sep 2011
## AUTOREN
Ruth Reichstein
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