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# taz.de -- Zustand der FDP: Röslers heißer Ritt über die Klippen
> FDP-Chef Rösler will mit Euroskepsis punkten, ohne damit die Koalition in
> Gefahr zu bringen. Die Frage ist allerdings: Wie weit folgt ihm die
> Basis?
Bild: "Du darfst alles sagen, was du denkst."
BERLIN taz | "Du darfst alles sagen, was du denkst", sagt FDP-Chef Philipp
Rösler. Kunstpause. "… wenn du denkst." Lacher, Applaus, Stimmung! Rösler
ist erstaunlich gelassen, als er am Donnerstagabend in der Berliner
FDP-Zentrale versucht, Christoph Meyer, dem Spitzenkandidaten seiner Partei
bei der Wahl in Berlin, noch einen letzten Wahlkampfschubs zu verpassen.
Zu der "geordneten Insolvenz" Griechenlands sagt er nun: "Wir wollen alle,
dass Griechenland im Euroraum verbleibt." Aber er als Wirtschaftsminister
sei geradezu verpflichtet, sich laut darüber Gedanken zu machen, "wie die
Leistungsfähigkeit aller Staaten in Europa erhalten bleiben kann".
Nach diesem Auftritt des FDP-Parteivorsitzenden Philipp Rösler ist klar:
Die Liberalen bemühen sich derzeit um Schadensbegrenzung und darum,
zugleich das Gesicht zu wahren. Basisdemokratie im Eurostreit - ja. Aber
auch Zuverlässigkeit als Partner in einer bedenklich wankenden Koalition,
was der Parteivorsitzende mit den Worten, die FDP werde "immer eine
proeuropäische Partei bleiben", unter Beweis zu stellen versucht.
Die FDP-Spitze um Philipp Rösler steckt in einem Dilemma. Einerseits will
sie den Unmut über die Griechenlandhilfen nutzen, um es in Berlin über die
Fünfprozenthürde zu schaffen und ihr Profil als Euroskeptiker zu schärfen.
Andererseits will sie nicht riskieren, dass die Regierung daran zerbricht.
Ein waghalsiger Balanceakt. Der Mitgliederentscheid, den der
FDP-Hinterbänkler und Euro-"Rebell" Frank Schäffler vorantreibt, ist für
sie dabei Fluch und Segen zugleich.
## Mitgliederentscheid wird nicht bindend sein
Mehr als die Hälfte der rund 3.300 Unterschriften, die er dafür braucht,
hat er schon zusammen. Dass sein Antrag gegen einen dauerhaften Euroschirm
ESM eine Mehrheit findet, will die Parteispitze aber verhindern. Darum
arbeitet sie bereits an einem eigenen Antrag, den sie den Mitgliedern
vorlegen will, um den "Eurorebellen" den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Die FDP-Landesverbände sind ebenfalls in der Zwickmühle. Einige, etwa
Bayern und Nordrhein-Westfalen, haben sich gegen einen Mitgliederentscheid
ausgesprochen. Andere begrüßen ihn, ohne sich damit auch für den Antrag der
"Eurorebellen" auszusprechen. "Wenn die FDP-Mitglieder ein Thema für so
wichtig erachten, dass in einem Mitgliederentscheid darüber abgestimmt
werden soll, ist das in Ordnung", meint etwa der Hamburger
Landesvorsitzende Rolf Salo.
Auch Veit Wolpert, der FDP-Landeschef in Sachsen-Anhalt, begrüßt das Votum,
um "alternative Handlungsoptionen" zu eröffnen und die "Risikoverteilung zu
überdenken". Er findet aber nicht, dass der Rettungsschirm verhindert
werden muss. Und er sagt: "Der Mitgliederentscheid zwingt keinen
Bundestagsabgeordneten, so abzustimmen, wie es die Mehrheit will."
Schon Fraktionschef Rainer Brüderle und der sächsische Parteichef und
FDP-Vizevorsitzende Holger Zastrow hatten angedeutet, dass die FDP-Führung
das Ergebnis der Befragung zwar zur Kenntnis nehmen, im Grunde aber auch
ignorieren könne. "Es gibt keine unmittelbaren Weisungen", sagte Brüderle
dem Deutschlandfunk, "auch nicht durch Mitgliederentscheid."
## "Es grummelt überall."
An der Basis kommen solche Ansagen, das Mitgliedervotum notfalls einfach
übergehen zu wollen, nicht so gut an. "Das kann sich keine Partei
erlauben", meint Jürgen Neureuther, FDP-Kreisvorsitzender in Worms. Der
Mitgliederentscheid habe "die Partei in Fahrt gebracht und sie aus ihrer
zweijährigen Lethargie gerissen". Seine Beobachtung: "Es grummelt überall."
Gerade erst wurde die Abstimmung über den permanenten Eurorettungsfonds ESM
auf Anfang des kommenden Jahres verschoben, um der Koalition mehr Zeit zu
lassen, zu einer gemeinsamen Position zu finden. Doch wenn die FDP dann mit
Nein stimmt und Angela Merkel auf die SPD zugehen müsste, um sich eine
Mehrheit für das Projekt zu sichern, könnte dies das Ende der Koalition
bedeuten.
"Das ist uns bewusst", sagt Christoph Hübner, Vorsitzender der
Jungliberalen in Sachsen, die sich zu den "Eurorebellen" bekennen. In
seinem Bundesland sei die schwarz-gelbe Regierung erfolgreich, "weil sich
die Koalitionspartner gegenseitig Erfolge gönnen", so Hübner. Im Bund
dagegen habe man sich "bis zur Bedeutungslosigkeit" untergeordnet. Sein
Fazit: "Mit diesem Koalitionsparter sind keine weiteren Erfolge mehr zu
erzielen."
Schon einmal gab es in der FDP einen Mitgliederentscheid, der die
Parteiführung ins Wanken brachte. Als sich eine Mehrheit für den "großen
Lauschangriff" aussprach, trat 1995 die damalige Justizministerin
Leutheuser-Schnarrenberger zurück. Diesmal aber könnte sogar die Koalition
mit der CDU platzen.
16 Sep 2011
## AUTOREN
Daniel Bax
Anja Maier
## TAGS
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
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