# taz.de -- Piratenpartei räumt in Berlin ab: Fette Beute für die Piraten | |
> Großer Jubel über den Einzug ins Parlament, die genaue Zahl ist fast | |
> egal. Auch 9,8 Prozent würde kein Mehr an Abgeordneten bringen - die | |
> Landesliste endet mit Platz 15. | |
Bild: Die Piratenfeier in Kreuzberg | |
Als er tatsächlich erscheint, der Balken, der orangefarbene, will der Jubel | |
auf der Wahlparty der Piratenpartei im Kreuzberger Club Ritter Butzke gar | |
nicht mehr aufhören. Auch wenn da noch keine Zahl darüber steht, wenn noch | |
nicht klar ist, wie viele Kandidaten der Landesliste des tatsächlich ins | |
Abgeordnetenhaus schaffen. Egal. Der Balken ist da, man steht nicht mehr | |
unter "Sonstige", sondern ist im Parlament. | |
Auf der Party wirkt es ein bisschen wie zur Grünen-Anfangszeit. Frische und | |
selbst geschmierte Brote gibt es, Äpfel und Kekse, in den Partyräumen | |
stehen alte Sofas, überall liegen leere Bierflaschen. Jemand dreht sich | |
einen Joint, es riecht nach Rauch und Bier, staubige Lichtkegel gleiten | |
durch den Raum, aus den Boxen kommt sehr basslastige elektronische Musik. | |
Nicht einmal annähernd ein Vergleich mit den aufgeräumten Partys anderer | |
Parteien. Doch Vergleiche mit den Grünen hören die Piraten ohnehin nicht | |
gern. Man sei ganz anders, schon was das Programm angehe und überhaupt. | |
Ja, es sind vor allem 18- bis 24-Jährige hier auf der Wahlparty, die, die | |
laut Wahlforschern die Kernzielgruppe der Piratenpartei sind. Und ja, es | |
sind merkbar mehr Männer als Frauen auf der Party. Wobei nicht alle | |
Anwesenden auch Mitglieder sind. Eine junge Frau ist zum ersten Mal bei | |
einer Veranstaltung der Piratenpartei, sie überlege einzutreten. | |
"Vielleicht bin ich bald dabei." | |
Die gute Laune auf der Wahlparty lässt auch nicht nach, als der Balken | |
zwischendurch etwas kürzer wird. Von 8,5 geht es runter auf 7,7. Dann | |
missversteht jemand die "Hochrechnung Ost", glaubt, dass die 9,8 Prozent | |
für ganz Berlin gelten würden, und bricht in lauten Jubel aus - allein. | |
Dabei würden auch 9,8 Prozent nicht ein Mehr an Abgeordneten bringen - die | |
Landesliste endet mit Platz 15, Nachnominierungen ausgeschlossen. | |
"Als wir damals die Liste aufgestellt haben, dachten wir, boah wär das | |
geil, wenn wir 5 Prozent kriegen", erklärt Simon Kowalewski, Vorletzter auf | |
der Landesliste. Er muss noch zittern am Wahlabend, je nach Hochrechnung | |
bekommt er einen Sitz im Abgeordnetenhaus oder nicht. Ein historischer | |
Moment sei das, wie auch immer es für ihn ausgehe. "Jetzt zeigt sich, dass | |
sich die ganze Plackerei tatsächlich gelohnt hat", sagt Julia Schramm, die | |
seit zwei Jahren dabei ist. | |
Müde, fertig, glücklich - das sind die Kommentare der Piraten. Die meisten | |
wirken ein bisschen, als könnten sie gar nicht glauben, was passiert, als | |
wäre der Abend ein Traum, und morgen würden sie aufwachen und wahlkämpfen | |
und in den Umfragen bei 3,5 Prozent liegen. Nur ab und zu, wenn jemand für | |
einen kurzen Moment begreift, was hier eigentlich gerade passiert ist, ruft | |
jemand: "So geil" oder "Ich kann nicht mehr." | |
Mittlerweile projiziert jemand die Ergebnisse aus den Bezirken auf die | |
Wand. Menschentrauben bilden sich davor, es herrscht Empörung. "Die haben | |
uns einfach in ,Sonstige' reingesteckt", beschwert sich ein Pirat. Der | |
Balken liegt dafür bei teilweise 20 Prozent. Grau, nicht orange. In | |
Lichtenberg habe man in mehreren Lokalen CDU und Grüne geschlagen, erzählt | |
ein anderer, man debattiert über die ganzen Leute, die sich auf einmal | |
melden, wenn man Erfolg hat. Da kommt gerade das neueste Ergebnis rein: 9 | |
Prozent. | |
"Die Zahlen sind das eine, jetzt müssen wir auch liefern", sagt Manuela | |
Schauerhammer, einst stellvertretende Vorsitzende der Partei. "Wir müssen | |
uns in die Debatte einbringen und so viel Druck wie möglich aufbauen." Klar | |
sei: Man werde in fünf Jahren nicht die kompletten parlamentarischen | |
Abläufe umkrempeln können. "Aber wenn 50 Prozent der jetzt nicht | |
öffentlichen Sitzungen dann öffentlich wären, das wäre ein Erfolg." | |
18 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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