# taz.de -- Ver.di-Bundeskongress in Leipzig: Warnung vor dem ganz großen Crash | |
> Der frisch gewählte Gewerkschaftschhef Frank Bsirske fürchtet das | |
> Auseinanderfallen der Eurozone. Er mahnt die rasche Einführung von | |
> Eurobonds an. | |
Bild: Frank Bsirske: "Eurobonds sind überfällig!" | |
LEIPZIG taz | Verdis frisch wieder gewählter Chef Frank Bsirske hat die | |
Politik eindringlich dazu aufgefordert, rasch gemeinsame europäische | |
Staatanleihen, sogenannte Eurobonds, einzuführen. In Leipzig sagte Bsirske | |
vor den rund 1.000 Delegierten der Dienstleistungsgewerkschaft in seiner | |
Grundsatzrede: "Ich halte die Ausgabe von Eurobonds für richtig. Und halte | |
es für überfällig, dass der Bundestag entsprechende Beschlüsse fasst." | |
Nur Eurobonds könnten die Spekulation gegen die Staaten stoppen, so | |
Bsirske. "Sobald es gemeinsame Anleihen aller Eurostaaten gibt, macht es | |
keinen Sinn mehr, auf die Pleite einzelner Staaten zu spekulieren." | |
Da das Risiko eines Zahlungsverzuges oder Staatsbankrotts mit Eurobonds in | |
der gesamten Eurozone gegen Null gehe, gebe es auch keinen Grund, warum die | |
Zinsen für Eurobonds wesentlich höher sein sollten als in Länder wie | |
Deutschland oder Frankreich, erklärte Bsirske. "Und in jedem Fall dürften | |
die Kosten für Deutschland weitaus geringer ausfallen als die Kosten, die | |
ein Zusammenbruch der Eurozone für die deutsche Wirtschaft nach sich zöge." | |
Es ist das Horrorszenario, das die Gewerkschaft fürchtet: Dass die | |
Konjunktur in den USA nicht richtig anspringt und die Eurozone | |
auseinanderfliegt: "Ein Zusammenbruch der Eurozone wäre für die deutsche | |
Exportwirtschaft der Gau", warnte Bsirske. Mehrfach ging er die Liberalen | |
scharf an: "Wahltaktik darf nicht wichtiger sein als die Zukunft der | |
Europäischen Union und die unserer Volkswirtschaft - das an die Adresse von | |
Herrn Rösler und seiner Truppe." | |
Der Vorsitzende der Liberalen hatte in den vergangenen Tagen einer | |
geordneten Insolvenz Griechenlands das Wort geredet und das Ausscheiden des | |
Landes aus der Eurozone als Möglichkeit beschrieben. Damit aber würde nach | |
Expertenmeinung die gesamte Eurozone auseinanderfallen, weil sich mit | |
diesem Signal die Spekulation postwendend auch gegen Länder wie Spanien, | |
Italien und Frankreich richten würde. | |
## Gemeinsame Wirtschafts-, Währungs- und Steuerpolitik | |
Bsirske forderte hingegen eine deutliche Ausweitung der europäischen | |
Zusammenarbeit. "Mehr Europa - aber anders" müsse das Motto heißen, auch | |
wenn diese Herangehensweise selbst unter Gewerkschaftern umstritten sei. | |
Schließlich seien viele der eigenen KollegInnen der Meinung "Je weniger | |
Europa, desto besser" - "Der Dynamik des Steuersenkungswettlaufs, des Lohn- | |
und Sozialdumpings in Europa lässt sich damit nicht beikommen", hielt | |
Bsirske ihnen entgegen. | |
Er plädierte stattdessen für eine gemeinsame Wirtschafts-, Währungs- und | |
Steuerpolitik. "Obwohl 17 Länder dieselbe Währung haben, macht jedes Land, | |
was es will. Das wirkt auf Dauer als Sprengsatz." Mit einer europäischen | |
Wirtschaftsregierung könne man dem Wettbewerb um Steuersenkungen und | |
Sozialdumping begegnen, der in Europa herrsche. Voraussetzung dafür sei | |
allerdings: Auch Deutschland muss den Lohndruck nach unten stoppen und | |
seinen Binnenmarkt stärken, erklärte Bsirske. | |
Zudem müsse die harte Sparpolitik in Großbritannien, Irland, Portugal und | |
Griechenland gestoppt werden: "Sie droht die Wirtschaft zu erdrosseln." | |
Unabdingbar sei es zudem, dass eine gemeinsame Regierung demokratisch | |
gewählt und kontrolliert werde - "durch ein mit Initiativrechten | |
ausgestattetes EU-Parlament". | |
Konträr zur Ansicht von Bundespräsident Christian Wulff, der am Sonntag auf | |
dem Verdi-Bundeskongress gesprochen hatte, erneuerte Bsirske seine Kritik | |
an der Schuldenbremse: "Sie wird den Weg in den Magerstaat beschleunigen." | |
Das Gegenkonzept des Verdi-Chefs heißt: Steuererhöhungen. Und zwar für hohe | |
Einkommen, Vermögende, Unternehmen. | |
Schließlich entgingen Bund, Ländern und Gemeinden seit den Steuerreformen | |
von 2001 jährlich über 50 Milliarden Euro. Gelder, die für Investitionen in | |
das Bildungssystem, Krankenhäuser und die öffentliche Daseinsvorsorge | |
dringend gebraucht würden. | |
20 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Eva Völpel | |
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