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# taz.de -- Urgrüne über die Piraten: "Gut für die Demokratie"
> Die Piratenpartei ist neu im Abgeordnetenhaus - so wie vor dreißig Jahren
> die Alternative Liste. Zwei AL-Mitglieder von damals ziehen Parallelen.
Bild: Erste Sitzung der Piratenfraktion am Donnerstag im Berliner Abgeordnetenh…
taz: Frau Kantemir, Herr Jänicke, Sie gehörten 1981 zur ersten
Abgeordnetenhausfraktion der AL. Fühlen Sie sich durch die Piraten an diese
Zeit erinnert?
Rita Kantemir: Wir waren auch solche Frischlinge. Das war learning by
doing. Wir waren neun. Drei Frauen und sechs Männer. Wir waren witzig und
wurden angeguckt wie Exoten. Aber wir waren auch sehr engagiert.
Martin Jänicke: Wir waren eine muntere Truppe, die von den anderen Parteien
ständig Prügel bezogen hat.
Wie sah das aus?
Jänicke: Es bestand eine absolute Kontaktsperre. Auf den Fluren ignorierte
man uns. In den Reden wurden wir grundsätzlich angegriffen und beleidigt.
Gerade auch die SPD war sehr aggressiv. Die 7,2 Prozent, die die AL hatte,
hatten sie ja der SPD an Stimmen weggenommen. Die SPD hat durch die Wahlen
ja die Regierung verloren.
Kantemir: Uns Frauen gegenüber wurde die Höflichkeit gewahrt. Ich bin sogar
mal gefragt worden, ob ich zur SPD wechseln wollte.
Gab es in der Fraktion feste Zuständigkeiten?
Jänicke: Wir hatten einen Fraktionsvorsitzenden, der alle halbe Jahre
gewechselt hat. In den Ausschüssen saßen immer dieselben Leute, das ist
schon sinnvoll. Man muss die Materie kennen lernen.
Kantemir: Ich hatte von Tuten und Blasen keine Ahnung. Weil ich mit einem
Türken verheiratet war, bekam ich den Migrantenbereich zugeschanzt. Von den
Frauen war ich die erste Fraktionsvorsitzende. Da haben sie mich
hineinbugsiert.
Haben Sie sich denn an die parlamentarischen Spielregeln gehalten?
Jänicke: Es gab immer wieder Konflikte um die Geschäftsordnung des
Abgeordnetenhauses. Wir haben auch Regelverstöße begangen.
Zum Beispiel?
Jänicke: Bei den Debatten muss man haargenau zur Sache sprechen. Daran
haben wir uns nicht gehalten. Wir haben grundsätzlich argumentiert. Vor
allem aber haben wir die parlamentarischen Anfragen durch ständige
Nachfrage massiv dazu benutzt, Senatoren und Abgeordnete vorzuführen.
Kantemir: Auch die Fraktion, die nach uns kam, war noch Klasse. In der
Plenarsitzung haben sie Schlafmützen aufgesetzt, wenn die CDU gesprochen
hat. Aber wir haben uns schon in den Politikbetrieb eingeordnet. Wenn man
was erreichen will, muss man Bündnisse suchen. Mit Rumbrüllen bewirkt man
nichts.
Was wünschen Sie der Piratenpartei?
Kantemir: Ich wünsche ihnen, dass sie ihre Frische bewahren, den anderen
Parteien Feuer unterm Hintern machen, aber trotzdem ernsthaft arbeiten. Die
Grünen haben sich ja abschleifen lassen.
Jänicke: Wenn die Frische zur Institution wird, ist das auch nicht gut. So
ist es nun mal im Leben. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Piraten eine
normale Partei werden, wenn sie nicht überhaupt untergehen, ist sehr groß.
Robert Michels schrieb Anfang des 20. Jahrhunderts, dass Parteien nach
einem ehernen Gesetz intern verkrusten. Der Charme am Einzug der Piraten
ins Parlament ist, dass sich normale Bürger mit dieser Institution
auseinandersetzen und diese hinterfragen. Für die Demokratie ist das nicht
schlecht.
24 Sep 2011
## AUTOREN
Plutonia Plarre
## TAGS
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
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