Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Hochschulen nach Plagiatsaffären: Kein Pardon mit Abschreibern
> Die Lehre aus den Plagiatsaffären: Die Unis kontrollieren von Anfang an
> stärker. Laut ProfessorInnen ist die Copy-and-Paste-Kultur gerade unter
> Studierenden verbreitet.
Bild: Abkupfern ist Kinderkacke: Illustration um ca. 1886.
BERLIN taz | Ein Wort, eine Zeile, ein Absatz. Die Finger fliegen über die
Tasten. Ein letzter Blick zur Kontrolle: Sind alle Gänsefüßchen gesetzt?
Fehlt eine Fußnote? Die Studenten an deutschen Hochschulen müssen sich in
Acht nehmen. Denn nach den jüngsten Plagiatsaffären haben die Universitäten
dem Diebstahl geistigen Eigentums den Kampf angesagt.
Und das Abschreiben aus fremden Texten ist mitnichten nur ein Phänomen in
der promovierten Politikerlandschaft: "Plagiate sind in Hausarbeiten sehr,
sehr verbreitet", sagt Debora Weber-Wulff von der Hochschule für Technik
und Wirtschaft in Berlin. Schon seit zehn Jahren beschäftigt sich die
Professorin für "Media und Computing" mit Plagiaten in der Wissenschaft.
Studenten heute seien aus der Übung gekommen, wie man etwas recherchiert
und mit eigenen Worten wiedergibt. Hausarbeiten würden genauso aus dem
Internet heruntergeladen wie Videos oder Musik, beklagt Weber-Wulff.
Eine Problematik, der seit dem Wirbel um Karl-Theodor zu Guttenbergs
Doktorarbeit in diesem Frühjahr wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Der Ex-Verteidigungsminister hatte bei seiner Promotion zu großen Teilen
aus anderen Texten abgeschrieben. Die Uni Bayreuth warf ihm „vorsätzliches
wissenschaftliches Fehlverhalten“ vor – der Freiherr musste den Doktortitel
abgeben. Und nicht nur er: Es folgten die FDP-Europapolitiker Jorgo
Chatzimarkakis und Silvana Koch-Mehrin. Niedersachsens Bildungsminister
Bernd Althusmann (CDU) ringt derzeit noch mit der Universität Potsdam um
seinen Dr. rer. pol., den Doktor der Staatswissenschaften.
Der Ruf der Universitäten ist genauso in Zweifel geraten wie der Glaube an
redliche Wissenschaftler. Da die Plagiatsmisere bereits bei den
Seminararbeiten Studierender beginnt, achten die Hochschulen nun verstärkt
auf sauberes wissenschaftliches Arbeiten: "Es wird jetzt mehr geprüft",
bestätigt Nils Metzler-Nolte, Professor an der Ruhr-Universität Bochum. Der
richtige Umgang mit den Texten anderer sei in den Geisteswissenschaften
schon immer ein Thema gewesen. Jetzt sei er aber in den Lehrplänen stärker
ins Blickfeld gerückt. Denn schließlich müsse man „den Studierenden die
Sicherheit geben, wie man es richtig macht."
## Neues Regelwerk an der Universität Mainz
Auch an der Alma Mater des Freiherrn von und zu Guttenberg, der Uni
Bayreuth, ist die Wachsamkeit dieser Tage groß. Er schaue jetzt genauer
hin, wenn er eine Arbeit betreue, so Stefan Jablonski, Vizepräsident für
den Bereich Lehre und Studierende. Und es hätte im vergangenen Semester
wohl keine Lehrveranstaltung gegeben, in der die Plagiatsaffäre kein Thema
war. Mit einem Regelwerk will sich die Johannes Gutenberg Universität in
Mainz kommendes Wintersemester behelfen - einem zu "gutem
wissenschaftlichem Arbeiten", sagt Bernhard Einig, Leiter der Abteilung
Studium und Lehre. Der Erhalt müsse quittiert werden - von jedem Studenten.
Prävention ist die eine Maßnahme, Abschreckung die andere: Wie bereits vor
der Guttenberg-Affäre komme Anti-Plagiatssoftware zum Einsatz, die
eingereichte Arbeiten mit Texten aus dem Internet vergleicht. Allerdings
empfehle die Uni nur Stichproben bei Abschlussarbeiten: "Das stellt sonst
alle unter generellen Täuschungsverdacht." In Bochum und Bayreuth haben
Studenten einzelner Fachbereiche selbst Zugriff auf solche Programme. So
können sie testen, ob sie sauber gearbeitet haben. Wenn Stellen rot
markiert werden, hat die Software Übereinstimmungen mit Veröffentlichungen
aus dem Netz gefunden.
"Das erste Mal fühlt man sich wie ein Verbrecher", sagt Metzler-Nolte aus
Bochum. Denn auch richtig zitierte Stellen sind rot, da das Programm nicht
auf Gänsefüßchen achtet. Ob sie fehlen, muss bei den angestrichenen Sätzen
selbst kontrolliert werden. In einem Seminar hätte er die Arbeit zusätzlich
auf CD abgegeben müssen – wegen der Plagiatssoftware, sagt Maximilian
Kannegießer. Er studiert Latein und katholische Theologie an der
Ruhr-Universität Bochum. Die Möglichkeiten abzuschreiben seien in seinem
Fachbereich aber schon immer begrenzt gewesen. Und Schummel, da ist er
sicher, wurde vor zu Guttenberg genauso stark geahndet.
Zu milde Bestrafung ist jedoch meist nicht der Grund für das Abschreiben.
Oft sei mangelnde Betreuung Schuld am Plagiieren, sagt Debora Weber-Wulff.
Um Hilfestellungen geben zu können, brauche man Zeit. Das werde heute im
Uni-Alltag zu oft vergessen. Wenn er seinen Doktoranden täglich im Labor
sehe, wisse er "ob Dinge geklappt haben oder nicht", sagt Chemiker
Metzler-Nolte. Zwar liege das Problem in den Naturwissenschaften mehr beim
falschen Umgang mit Forschungsdaten und weniger beim Kopieren fremder
Texte. Trotzdem gelte das Gebot der Betreuung auch bei
Geisteswissenschaftlern.
"Das Gute an zu Guttenberg war", da ist sich Weber-Wulff sicher, "dass man
sich jetzt wieder fragt: Was ist gutes wissenschaftliches Arbeiten?"
Letztlich sei es ein Prozess, zu lernen, wie man richtig wissenschaftlich
arbeitet, sagt Stefan Jablonski. Am Anfang könnten Fehler passieren. "Bei
der Doktorarbeit sollte man dann wissen, wie es richtig geht."
25 Sep 2011
## AUTOREN
Cordula Sailer
## ARTIKEL ZUM THEMA
Gebühren für Vermittlung von Doktorvater: Doktortitel trotz Bestechung gültig
Wenn sich ein Doktorvater für die Betreuung einer Promotion bestechen
lässt, bleibt der Titel trotzdem gültig. So entschied das
Oberverwaltungsgericht Lünbeburg.
Karl-Theodors Dissertation: 20.000 Euro und gutt
Die Staatsanwaltschaft Hof stellt das Verfahren gegen Ex-Minister zu
Guttenberg ein – es bleibt eine Geldstrafe. Der Schaden durch
Urheberrechtsverletzung sei "marginal".
Wissenschaftsrat über Plagiate: Wer promoviert denn überhaupt?
Der Wissenschaftsrat will, dass Unis die Kontrolle von Dissertationen
verbessern. Bisher wissen die Universitäten aber nicht einmal, wer alles
promoviert.
Bundestags-Ausschuss zur Plagiats-Debatte: Die dunkle Seite der Wissenschaft
Großer Druck und fehlende Kontrolle sind laut Experten die Hauptursachen
für abgekupferte Doktorarbeiten. Sie fordern von Politikern mehr Geld.
VroniPlag-Gründer Heidingsfelder: Partei-Interesse? Niemals!
Das will der VroniPlag-Gründer nicht auf sich sitzen lassen: Der Vorwurf,
er habe als SPD-Mitglied absichtlich vor allem Politiker der
Regierungsparteien überprüft, sei abwegig, sagt Heidingsfelder.
Plagiate in Doktorarbeit: Nächster Doktortitel futsch
Die FDP hat einen Würdenträger weniger. Jorgo Chatzimarkakis verliert den
Doktortitel. Die Arbeit der FDP-Politikerin Margarita Mathiopoulos wird
ebenfalls geprüft.
Nach Plagiaten in Doktorarbeit: Koch-Mehrin verzichtet auf Forschung
Ausgerechnet in den Forschungsausschuss des EU-Parlaments sollte sie nach
der Plagiatsaffäre aufsteigen. Doch Silvana Koch-Mehrin will nun nicht mehr
- und geht in einen anderen Ausschuss.
Noch mehr Plagiate: FDP wird zur Copy&Paste-Partei
Die Liberalen sind gespalten, wenn es um die Causa Koch-Mehrin geht. Die
Haltung der FDP-Spitze sorgt für Unmut in der Partei. Und es gibt weitere
Plagiatsfälle.
Kommentar Plagiatsaffäre an der Hamburger Uni: Schlichtes Manöver
Uwe Brinkmann versucht, sich durch den freiwilligen Verzicht auf seinen
Doktortitel aus der Affäre zu ziehen. Aber wer die gedankliche Leistung
anderer stiehlt, darf sich nicht folgenlos davonmachen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.