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# taz.de -- Neue Regierung in Dänemark: Grüner, liberaler, anders
> Die Koalitionsverhandlungen waren eher zäh. Am Montag dann stellte die
> neue dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt ihr Kabinett
> vor.
Bild: Die erste Frau an der Spitze einer dänischen Regierung: Helle Thorning S…
STOCKHOLM taz | Schwarze Limousine? Nein, ganz demonstrativ mit dem Radl
fuhren die sechs MinisterInnen der sozialliberalen "Radikalen Venstre" am
Montagvormittag beim Kopenhagener Schloss Amalienborg zur Antrittsaudienz
bei Königin Margrethe vor.
Dänemark hat nach zehn Jahren wieder eine linke Regierung bekommen und die
ist offenbar entschlossen, Zeichen zu setzen. Mit der Sozialdemokratin
Helle Thorning-Schmidt steht nun erstmals eine Frau an der Spitze einer
dänischen Regierung. Erstmals auch ist eine Partei links von den
Sozialdemokraten an der Regierung beteiligt.
Der Vorsitzende der "Sozialistischen Volkspartei", Villy Søvndal, ist neuer
dänischer Außenminister und verspricht eine "rote", weniger aktivistische
und weniger militante Außenpolitik: Einen größeren Fokus will er auf die
Bekämpfung von Armut und Ungerechtigkeit in der Welt legen und er will "weg
vom Glauben, man könne Demokratie mit militärischer Macht ausbreiten": "Der
größte Irrglauben des Westens seit Ende des 2. Weltkriegs."
Die Sozialisten stellen mit dem 26-jährigen Steuerminister Thor Möger
Pedersen auch den jungsten Minister aller Zeiten in einem dänischen
Kabinett. Und dem gehört erstmals auch ein Minister mit
Migrationshintergrund an: Der in Indien geborene Manu Sareen, bislang
Fraktionsvorsitzender der "Radikalen Venstre" im Kopenhagener
Stadtparlament, wird Gleichstellungs- und Kirchenminister.
## Viele neue Wege
Noch vor einem Monat hatte der von der Schwulen- und Lesbenvereinigung
mehrfach zum Politiker des Jahres Nominierte wegen deren Weigerung
Homoesexuelle zu trauen, seinen Austritt aus der protestantischen dänischen
Staatskirche angekündigt. Nun kann er sich dem bereits angekündigten
Projekt der überfälligen Trennung von Kirche und Staat in Dänemark widmen.
Eine der ersten politischen Maßnahmen wird nach Angaben der neuen
Ministerpräsidentin sein, die von der Vorgängerregierung beschlossene
Verschärfung der Grenzkontrollen wieder fallenzulassen.
Neue Wege will die Regierung Thorning-Schmidt auch auf dem Feld der
Flüchtlings- und Integrationspolitik gehen. Demonstrativ wird das
selbständige Integrationsministerium, bislang Symbol von Intoleranz und
Ausgrenzung, abgeschafft und Bestandteil des Sozialministeriums. Die
Sozialliberalen – und indirekt die linke "Einheitsliste", auf deren Stimmen
die sozialdemokratisch-sozialistisch-sozialliberale Minderheitskoaltion
parlamentarisch angewiesen ist – haben in diesem Bereich deutlich Spuren
hinterlassen.
Wollten Sozialdemokraten und Sozialisten im wesentlichen eine
Ausländerpolitik wie bislang weiterführen, werde diese bald "in Ruinen
liegen", beklagt der bisherige rechtsliberale Integrationsminister Søren
Pind. Abgeschafft werden soll das umstrittene "Punktesystem", das bei
Familienzusammenführung und Aufenthaltserlaubnis gut ausgebildete und
vermögende Personen bevorzugte. Auch soll die "Dänen-Prüfung" als Hürde zur
Erreichung der Staatsbürgerschaft abgeschafft werden, zu der andererseits
in Zukunft ein mit guter Note bestandener Abschluss der 9. Schulklasse
automatisch berechtigen soll.
## Ein Ziel: Klimaneutraler werden
Federn lassen mussten Sozialdemokraten und Sozialisten bei der von ihnen
geplanten "Reichensteuer", einer Pensionsreform und auch die versprochenen
zwei Lehrer pro Schulklasse wird es mangels entsprechender neuer
Steuergelder nicht geben. Zugeständnisse an die Sozialliberalen, deren
Vorsitzende Margrethe Vestager "Superministerin" wird und das Wirtschafts-
und Innenressort übernimmt.
Die "grünste Regierungsgrundlage aller Zeiten" will die dänische Umwelt-
und Klimapolitik auch in eine markant grünere Richtung drehen. Die
Kfz-Steuer wird zulasten spritschluckender Autos umgebaut, für den
LKW-Verkehr soll eine Kilometerabgabe erhoben und in Kopenhagen eine
Straßenmaut eingeführt werden. Das Land will seinen Klimagasausstoss bis
2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 reduzieren und 2050 "klimaneutral" sein.
Klasse statt Masse soll künftig für die landwirtschaftliche Produktion
gelten.
Der Klimaskeptiker Bjørn Lomborg muss künftig für sein Copenhagen Consensus
Institut auf Gelder aus der Staatskasse verzichten und das "Lümmelgesetz",
mit dem das Demonstrationsrecht anlässlich des Kopenhagener Klimagipfels
massiv eingeschränkt worden war, soll wieder abgeschafft werden.
3 Oct 2011
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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