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# taz.de -- Neue Regierung in Dänemark: Drei Frauen für den Wandel
> Die rechte Regierung in Dänemark ist abgewählt. Die linken Gewinnerinnen
> haben ihre Koalitionsgespräche begonnen. Doch die Spannungen innerhalb
> der Allianz sind groß.
Bild: Helle Thorning-Schmidt (v. l. n. r.), Johanne Schmidt-Nielsen und Margret…
KOPENHAGEN taz | Die bisher regierende Koalition unter dem Rechtsliberalen
Lars Løkke Rasmussen ist am Ende. Es sind drei Frauen, die in den nächsten
vier Jahren entscheidende Rollen in der dänischen Politik spielen dürften:
Helle Thorning-Schmidt, die 44-jährige Parteivorsitzende der
Sozialdemokraten, die nun erste dänische Regierungschefin wird, Margrethe
Vestager, 43, von der sozialliberalen Partei Radikale Venstre und die 27
Jahre alte Johanne Schmidt-Nielsen von der rot-grünen Einheitsliste.
16 Mandate gewannen die beiden letzteren Parteien bei den Parlamentswahlen
am Donnerstag dazu, die Radikale Venstre konnte ihre Stimmen fast
verdoppeln, die Einheitsliste mehr als verdreifachen. Damit machten sie das
Minus von sechs Mandaten mehr als wett, das die Sozialdemokraten - die ihr
schlechtestes Wahlergebnis seit 100 Jahren einfuhren - und die
Sozialistische Volkspartei verbuchen mussten.
Die neue Ministerpräsidentin werde "von einem porösen Fundament" aus
regieren müssen, kommentierte die linke Tageszeitung Information. Denn
einerseits hat die dänische Bevölkerung zwar für einen Wechsel gestimmt,
andererseits demonstrierte sie gegenüber Sozialdemokraten und Sozialisten
aber deutliche Skepsis. Die Koalitionsverhandlungen, die bereits am
Freitagnachmittag begannen, wird das nicht einfacher machen. Eine der drei
Frauen sitzt schon mal nicht mit am Tisch: Für Johanne Schmidt-Nielsen und
ihre Einheitsliste kommt eine Koalition nicht infrage, lediglich eine
parlamentarische Zusammenarbeit.
Einigen sich Sozialdemokraten, Sozialisten und Sozialliberale auf eine
Regierung, wird dies deshalb, wie in Dänemark nicht unüblich, eine
Minderheitsregierung sein. Diese wird sich dann ihre Mehrheit von Fall zu
Fall bei den Abgeordneten anderer Parteien suchen müssen. Bei den drei
konservativ-rechtsliberalen Minderheitsregierungen der vergangenen zehn
Jahre hatte die rechtspopulistische Dänische Volkspartei diese zentrale
Rolle als parlamentarische Mehrheitbeschafferin gespielt.
## Große Spannungen
Ihre Unterstützung hatte sie sich mit immer neuen Verschärfungen des
Ausländerrechts bezahlen lassen. Dänemark hat nun das restriktivste
Ausländerrecht innerhalb der EU, wofür es von internationalen
Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert wurde. Zuletzt ging die
Regierung auch auf Konfliktkurs zu Brüssel, indem sie die Wiedereinführung
permanenter Grenzkontrollen ankündigte und teils realisierte.
Damit hatten die Rechtspopulisten den Bogen aber offenbar überspannt.
Meinungsumfragen zeigten, dass eine große Mehrheit der dänischen
Bevölkerung das Negativimage, das das einst als liberal geltende Dänemark
mittlerweile in Europa hat, gründlich leid ist. Im Wahlergebnis der
Dänischen Volkspartei schlug sich dies nur in einem leichten Minus und dem
Verlust von drei Mandaten nieder. Schlimmer erwischte es die bisher
mitregierenden Konservativen, die nun kleinste Partei im Parlament sind und
die Hälfte ihrer Stimmen verloren. Ihre durchaus europafreundlichen
WählerInnen erkannten sich im Kurs ihrer Partei überhaupt nicht mehr
wieder.
Wie sie es mit den Grenzkontrollen hält, darauf wollte sich die künftige
Regierungschefin noch nicht eindeutig festlegen. Vor der Wahl hatte
Thorning-Schmidt erklärt, am geltenden strengen Ausländerrecht auch
grundsätzlich nichts ändern zu wollen. Doch diese Linie wird kaum
durchzuhalten sein. Margrethe Vestager und Johanne Schmidt-Nielsen können
darauf verweisen, dass die DänInnen nicht zuletzt deshalb ihre beiden
Parteien gestärkt haben, weil diese über alle Jahre hinweg konsequent die
skandalöse Ausländerpolitik des Landes verurteilt hatten, die von
Sozialdemokraten und Sozialisten teilweise mitgetragen worden war.
Das dürfte nicht der einzige Konflikt in der Allianz sein. Auch
wirtschaftspolitisch gehen die Vorstellungen beispielsweise über die Reform
des Rentensystems stark auseinander. "Die inneren Spannungen in dieser
Allianz könnten sich bald als zu groß erweisen", kommentierte die
Tageszeitung Kristeligt Dagblad. Da wird die neue Regierungschefin -
"Helle, die Eroberin", so die Kopenhagener Boulevardzeitung B.T. - sicher
die Eigenschaften gut gebrauchen können, die ihr die konservative
Berlingske Tidende bescheinigte: ein "Nervenkostüm aus rostfreiem Stahl"
und "unbändigen Kampfgeist".
16 Sep 2011
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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