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# taz.de -- Sippenhaft in Syrien: Familienangehörige verschleppt
> Angehörige des Vorsitzenden des Nationalrats in Homs sind verschleppt
> worden. Und Amnesty beklagt die Drangsalierung von Exilsyrern durch das
> Regime.
Bild: Regimegegner auf den Straßen von al-Hirak.
BERLIN taz | Die syrische Regierung schreckt im Kampf gegen die
Protestbewegung auch nicht mehr davor zurück, Familienmitglieder zu
verschleppen und Angehörige im Ausland zu drangsalieren und zu bespitzeln.
Einen Tag nach der Gründung des syrischen Nationalrats ist in der Stadt
Homs die Nichte des Vorsitzenden Burhan Ghalioun verschleppt worden. Bushra
Zein, 21 Jahre alt, war am Montagnachmittag zu Besuch bei ihrem Großvater
in dem Viertel Jab Jandali zu Besuch, als sie von drei Unbekannten aus dem
Haus geholt wurde.
Gleichzeitig wurden Ghaliouns Bruder und dessen Sohn in Homs von
Sicherheitskräften festgenommen. Bushra Zein kehrte am Dienstagnachmittag
wieder nach Hause zurück, die Männer dagegen befinden sich noch in Haft.
Laut einem Bericht von Amnesty International lässt die syrische Regierung
Landsleute, die im Ausland leben und sich für Reformen in Syrien einsetzen,
gezielt beobachten und bedrohen. Solche Exilsyrer würden von
Botschaftsangehörigen bei Protesten gefilmt oder direkt durch
Telefonanrufe, E-Mails oder Facebook-Botschaften unter Druck gesetzt. Oft
würden dann Familienangehörige in Syrien festgenommen, geschlagen oder
sogar gefoltert.
Sondos Suleiman lebt seit mehreren Jahren in Deutschland, sie hat
Familienangehörige in Hama und Damaskus und engagiert sich für die
Demokratiebewegung in ihrem Heimatland. "Mitglieder des politischen
Geheimdienstes kamen zu meinen Angehörigen und befragten sie über meine
Aktivitäten", erklärt Sondos Suleiman. "Sie sagten meinem Bruder, dass es
seine Pflicht sei, mich unter Kontrolle zu bringen, andernfalls würde er
verhaftet werden."
## Wer sind deine Freunde?
Als Sondos ein Video auf YouTube veröffentlichte, in dem sie ihren
alawitischen Glaubensgenossen erklärte, dass das Regime sowohl Zivilisten
als auch Angehörige der Sicherheitskräfte töte und dass das Gerede von
einer "Verschwörung gegen Syrien" eine Lüge sei, musste ihr Bruder im
syrischen Fernsehen die Schwester öffentlich beschimpfen und ihr Verhalten
verurteilen. "Ich bin sicher, dass er das nicht freiwillig gemacht hat",
sagt Sondos.
So schildert Amnesty in dem Bericht einen weiteren Fall eines jungen Mannes
aus Deutschland. "Im April dieses Jahres wurde mein Bruder, der nicht an
den Protesten teilnimmt, für mehr als einen Monat im Gefängnis des
Geheimdienstes festgehalten. Sie folterten ihn und fragten ihn über meine
Aktivitäten aus, ob ich der Familie Geld schicke, wer meine Freunde seien."
Laut dem Bericht von Amnesty umspannt der lange Arm des syrischen
Geheimdienstes mit Hilfe der Botschaften praktisch die ganze Welt. Amnesty
dokumentiert 30 ähnliche Fälle aus Frankreich und Spanien, aus
Großbritannien und Schweden, aber auch aus Nord- und Südamerika.
Dabei handelt es sich nur um einen Teilaspekt einer breiten Kampagne der
Einschüchterung und Verfolgung von im Ausland lebenden Syrern.
4 Oct 2011
## AUTOREN
G. Baltissen
G. Keller
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