# taz.de -- Wirtschaftsexperte über die Finanzkrise: "Konjunkturprogramm nicht… | |
> Die Situation hat sich verschlechtert, sagt Christian Dreger vom | |
> Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Selbstkritisch kommentiert | |
> er die Kurzatmigkeit von Prognosen. | |
Bild: Hafen von Piräus: Fünf Prozent soll die Wirtschaft in Griechenland schr… | |
taz: Herr Dreger, vor wenigen Wochen prognostizierten viele deutsche | |
Wirtschaftsforscher für das nächste Jahr über 2 Prozent Wachstum. Jetzt | |
senken sie ihre Vorhersagen plötzlich auf 1 Prozent, obwohl wenig Neues | |
passiert ist - außer dass jetzt mehr Leute mehr Angst vor der Zukunft | |
haben. Ist das seriös? | |
Die Lage hat sich durchaus zum Schlechteren verändert. Für Griechenland | |
rechnet man jetzt damit, dass die Wirtschaft dieses Jahr um fünf Prozent | |
schrumpft. Ältere Prognosen waren optimistischer. Deshalb wird den | |
Deutschen nun klar, dass auch das zweite Rettungspaket für Athen nicht das | |
letzte sein könnte. | |
Orientieren sich Ökonomen neuerdings zu sehr an psychologischen Indikatoren | |
wie den Erwartungen von Marktteilnehmern statt an Basisdaten wie Preisen, | |
Importen und Exporten? | |
Die Bankenkrise von 2007 und den von ihr ausgelösten heftigen Absturz haben | |
unsere Prognosemodelle nicht richtig angezeigt. Daraus haben wir den | |
Rückschluss gezogen, mehr kurzfristige Indikatoren einzubeziehen. Dazu | |
gehört beispielsweise die Stimmung der Konsumenten und der Industrie. Für | |
die Prognosen des DIW werten wir mittlerweile eine hohe Zahl an | |
Stimmungsindikatoren aus, um einen Trend zu ermitteln - wobei aber die | |
Analyse der ökonomischen Basis nach wie vor die wichtigste Rolle spielt. | |
Neigen Ökonomen neuerdings dazu, mögliche Risiken zu überzeichnen und damit | |
zu verstärken, indem sie zu sehr auf die Hoffnungen und Ängste der Menschen | |
vertrauen? | |
Man muss bedenken, dass momentane Stimmungen völlig in die Irre führen | |
können. Ein Absturz der Aktienkurse an den Börsen kann ein Ausreißer sein | |
oder der Beginn einer längeren Talfahrt. Kurzfristige Phänomene darf man | |
nicht überbewerten. | |
Wichtige Branchen wie Maschinenbauer und Autohersteller melden auch für | |
2012 jede Menge Aufträge. Das scheint nicht auf eine neue Konjunkturkrise | |
hinzudeuten. | |
Die Auftragseingänge sind ebenfalls kein optimaler Indikator, um die | |
Zukunft zu beschreiben. Denn Aufträge kann man auch wieder stornieren. | |
Trotzdem ist es richtig: Die Auftragseingänge der Industrie deuten | |
gegenwärtig zwar auf ein etwas schwächeres Wachstum hin, aber keinesfalls | |
auf eine Rezession. | |
Trotzdem plädiert etwa die US-Regierung für ein europäisches | |
Konjunkturprogramm. Ein guter Vorschlag? | |
Für Griechenland hat das DIW schon vor Monaten Stützungsmaßnahmen | |
vorgeschlagen. Die bisherige Sparpolitik alleine wird dort nicht zum Erfolg | |
führen. Stattdessen sollte die EU Zukunftsinvestitionen unterstützen, die | |
Arbeitsplätze und Wohlstand generieren. Man könnte auch daran denken, | |
Sonderwirtschaftszonen einzurichten, um neue Firmen anzusiedeln. | |
Brauchen Deutschland und andere Euro-Staaten ebenfalls einen ökonomischen | |
Impuls? | |
Auch in Portugal könnte dies hilfreich sein. Was die gesamte EU betrifft, | |
sehe ich gegenwärtig aber keine Notwendigkeit für ein Konjunkturprogramm. | |
In Deutschland ist der Beschäftigungsstand sehr hoch und die Inflation | |
leicht überdurchschnittlich. Zusätzliche Staatsausgaben würden die | |
Nachfrage erhöhen und die Preise nach oben treiben, auch die Kosten der | |
Arbeit. | |
6 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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