# taz.de -- Proteste in den USA: Aufbruch besser im Sitzen | |
> In den USA wächst die Protestbewegung – gegen die Wall Street und gegen | |
> den Krieg. Die AktivistInnen protestieren gewaltfrei und trainieren | |
> dafür. Ein Ortstermin in Washington. | |
Bild: "Wenn es zu Verhaftungen kommt, ist die sitzende Position günstiger". Br… | |
WASHINGTON taz | Wie ein Surfer am Strand hat Tarak Kauff die Stimmung | |
beobachtet. "Vor sieben Monaten habe ich gespürt, dass die Welle kommt, und | |
bin losgepaddelt", sagt er. Damals war Frühling in der arabischen Welt und | |
soziale Bewegung im nördlichen US-Bundesstaat Wisconsin. Taraks Ziel ist | |
der 7. Oktober 2011 - der Tag, an dem sich der Beginn der Bombardements in | |
Afghanistan zum zehnten Mal jährt. | |
Zwei Abende vor dem Jahrestag sitzt eine Gruppe von 40 Erwachsenen - von | |
jugendlich bis verrentet - zusammen mit Tarak und drei TrainerInnen in | |
einem großen Kreis in einem fensterlosen Seminarraum einer Universität in | |
Washington. In einem dreistündigen Crashkurs über Non-Violence wollen sie | |
sich auf die Antikriegsaktionen "Stop the Machine" vorbereiten, die an | |
diesem Donnerstag in der US-Hauptstadt beginnen. | |
Treffpunkt ist Freedom Plaza - ein Platz im Herzen der US-Hauptstadt, drei | |
Blocks vom Weißen Haus entfernt. Tausende AktivistInnen aus dem ganzen Land | |
werden erwartet. Demonstrationsgenehmigungen für vier aufeinanderfolgende | |
Tage sind beantragt. Aber eine Platzbesetzung und das Zelten auf dem Platz | |
- wie es viele vorhaben - deckt die Genehmigung nicht ab. | |
Darüber, wo die Gewaltfreiheit aufhört, haben die TeilnehmerInnen | |
unterschiedliche Auffassungen. Für manche beginnt die Gewalt schon bei der | |
öffentlichen Anschuldigung. Andere kennen den Nutzen von "Shame"-Rufen. | |
"Wenn die Cops jemanden auf dem Boden halten und wir einen Kreis darum | |
bilden und "Schande, Schande" rufen", sagt eine Teilnehmerin, "kann das die | |
ganze Situation verändern." | |
## Vorbild 60er Jahre | |
Trainerin Nadine Bloch bittet die TeilnehmerInnen, sich auf einer | |
Längsachse zu gruppieren. Links stehen jene, für die Gewaltfreiheit | |
"strategisch", rechts jene, für die es ein Prinzip ist. Die meisten | |
TeilnehmerInnen stehen in der Mitte der Achse. "Auch nichts tun kann Gewalt | |
provozieren", sagt ein Mann, der als Kind viele Schläge anderer Kinder | |
eingesteckt hat. "Jeder von uns tut Dinge, die anderen als Gewalt | |
vorkommen", erklärt Nadine die Grenzen, die sich verschieben. Vor allem | |
während einer Aktion. | |
Vorbild sind die gewaltfreien, kollektiven Aktionen der 60er Jahre. Die | |
TrainerInnen zeigen einen Film aus Nashville, Tennessee, einer segregierten | |
Stadt im tiefen Süden, wo schwarze StudentInnen Anfang der 60er Jahre jeden | |
Samstag Gruppenausflüge in Restaurants und in Kaufhäuser machen, die für | |
sie verboten sind. Bei ihren Vorbereitungen kommen weiße "Helfer", die sie | |
bespucken und beleidigen. Jeden Samstag ziehen sich die StudentInnen schick | |
an. Und lassen sich erneut festnehmen. Nach einem halben Jahr entfernen | |
viele Geschäfte die Verbotsschilder für Schwarze. | |
"Der Erfolg wird nicht sofort kommen", sagt Tarak, "aber was jetzt an der | |
Wall Street und in mehr als hundert anderen Orten der USA passiert, ist | |
inspirierend." Alle im Raum spüren die Aufbruchstimmung. Landesweit finden | |
in diesen Tagen ähnliche Seminare statt. | |
Am Donnerstagmittag wird eine erste Demonstration von der Freedom Plaza in | |
Washington zum Weißen Haus führen. Sie geht weiter zur nahe liegenden | |
US-Handelskammer. | |
Trainerin Nadine rät: "Seid geerdet. Nehmt Raum ein!" Übungen zeigen, dass | |
bei einer Massenfestnahme die sitzende Position günstiger ist. Andere | |
Übungen zeigen, wie sich - schon mit dem Senken der Stimme - eine | |
aggressive Diskussion auf der Straße "deeskalieren" lässt. | |
"Überlegt die richtige Kleidung, das richtige Essen und Trinken und lasst | |
eure Taschenmesser zu Hause", gibt Nadine den TeilnehmerInnen mit auf den | |
Weg. Und: "Erkundet die Umgebung. Sucht die Sackgassen und die Parkplätze | |
der Polizeiwannen. Und diskutiert täglich neu in euren Gruppen, wie weit | |
ihr gehen wollt." | |
5 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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